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Karriere Ein Börde-Jung im Land der Wikinger

Aufgewachsen im beschaulichen Klein Ammensleben, hat es Oliver Firla nach der Wende in den Norden Deutschlands verschlagen.

Von Gisela Reiner 22.06.2016, 23:01

Haddeby/ Klein Ammensleben l Von Wikingern hatte Oliver Firla keine Ahnung, als er 1989 im verschlammten Garten der deutschen Botschaft in Prag die erlösenden Worte hörte, dass die Ausreise genehmigt sei. Heute ist das kriegerische Völkchen aus dem skandinavischen Raum des frühen Mittelalters, das unerschrocken zur See fuhr und nicht gerade zimperlich seinen Lebensunterhalt zusammenraubte, ein wichtiger Bestandteil seines Lebens.

Firla, geboren 1967, aus der Magdeburger Börde stammend, im beschaulichen Klein Ammensleben aufgewachsen, verschlug es nach seiner Ausreise in den Norden Deutschlands. In Busdorf, nahe Schleswig am Südufer der Schlei, fand der Koch, der im historischen „Ratskeller“ von Magdeburg gelernt hatte, nach einigen Stationen in anderen Küchen einen Posten in einem Seniorenheim. Als er erfuhr, dass die Gastronomie in einem Schützenheim vakant wurde, griff er zu. „Ich war unglaublich naiv“, sagt er heute. „Vor mir waren schon zehn Betreiber gescheitert.“ Aber er gab nicht auf, denn er hatte eine Idee.

Im Flecken Haddeby ganz in der Nähe zieht das Wikinger-Museum Haithabu jedes Jahr Scharen von Touristen an. Sie bestaunen Fundstücke aus der Zeit zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert, als sich hier am Schleiufer die Handelswege Nordeuropas kreuzten und die sesshaft gewordenen Wikinger schnelle Schiffe bauten und die Ostsee befuhren. Deshalb modelte Firla allmählich das ausgediente Schützenheim zur „Wikingerschänke“ um, ausgestattet mit viel Holz, Leder, Fellen und einer großen Feuerstelle, in der die Flammen zünftig lodern. Hier wird ordentlich aufgetischt und der Met fließt reichlich. Dieser Honigwein wird selbst gebraut. Es ist nur eins von vielen Produkten, die Firla selbst herstellt.

Mit dem Selbermachen kennt er sich aus. Zu Hause, in der Magdeburger Börde, auf dem mütterlichen Hof, wurde auch alles selbst angebaut, Gemüse und Obst, sogar Tabak. Es gab Schweine, Hühner und Kaninchen, es wurde geschlachtet, gebacken und eingekocht. „Meine Mutter war unermüdlich. Sie braucht enorm wenig Schlaf.“

Der Sohn hat die Fähigkeit geerbt, fuhr anfangs neben seinem Job als Koch noch LKW, um Geld zu sparen für die Übernahme des Schützenheims. Später paukte er nachts Betriebswirtschaft und Marketing, denn bei dem einen Betrieb sollte es nicht bleiben.

Inzwischen betreibt Firla den historischen Gasthof „Odin‘s“ in Haddeby, einen Fußweg entfernt vom Haithabu-Museum, dessen Café er auch übernommen hat.

Im „Odin‘s“ wird eigenes Bio-Brot gebacken, Schinken und Fische werden selbst geräuchert, Soßen und Salate, Kuchen und Torten selbst hergestellt. Es ist fast wie zu Hause in der Magdeburger Börde. Manches Rezept steuert die Mutter bei. Die Bindung an die alte Heimat ist intakt. „Heimat trägt man in sich, indem man sich an Gerüche, Geschmack, Traditionen, Wege, Bäume und Geräusche erinnert.“

Firla, verheiratet und Vater von drei Kindern, hat sich in den 26 Jahren seit Prag eine neue Heimat geschaffen. Dazu gehörte auch die Beschäftigung mit der Vergangenheit am neuen Ort. „Die Geschichte des ‚Odin‘s‘ habe ich zurückverfolgt bis zum ersten Stein.“ Da wachsen wohl neue Wurzeln.