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Kirchentour Weihnachten unter Volldampf

Heiligabend ist das Pfarrer-Ehepaar Kerntopf aus Colbitz im Großeinsatz. In sieben Kirchen halten sie Vespern und Gottesdienste.

Von Antonius Wollmann 24.12.2018, 00:01

Colbitz l Wie viele Kilometer Gabriele und Dieter Kerntopf am Heiligen Abend mit dem Auto zurücklegen müssen, wissen die beiden auf Anhieb gar nicht. Fest steht aber: Auf Zack muss das Pfarrer-Ehepaar auf jeden Fall sein. Allzu viel Zeit darf nicht vertrödelt werden, am Nachmittag stehen je drei Christvespern auf den Programm, bevor der Tag mit dem letzten Gottesdienst um 22 Uhr endet. Zwischendurch kommt die eigene Familie dann natürlich ebenfalls zu ihrem Recht. Ganz aufs Privatleben will schließlich niemand verzichten.

Im Pfarrbereich Colbitz betreuen sie mit Burgstall, Colbitz, Cröchern, Lindhorst, Meseberg, Samswegen, Dolle und Uchtdorf gleich acht Gemeinden. Die Dörfer liegen keinesfalls in unmittelbarer Nachbarschaft. Mit Ausnahme von Dolle sind Gabriele und Dieter Kerntopf am 24. Dezember in jedem Ort präsent. Ist der Gottesdienst zu Ende, bleibt nicht viel Zeit, um zum nächsten zu kommen. Weihnachten unter Volldampf, so zu sagen. Nur gut, dass das Ehepaar bereits seit 34 Jahren in der Heide wohnt und jeden Schleichweg zwischen den Orten kennt. 1984 traten sie den Pfarrdienst an. „Allerdings muss man anmerken, dass wir bis ins Jahr 1992 ausschließlich für Colbitz und Lindhorst zuständig waren“, erzählt Gabriele Kerntopf. Im Laufe der Jahre schlug dann der demografische Faktor zu: Die Zahl der Gemeindeglieder sank von Jahr zu Jahr. Für immer weniger Menschen auf einer immer größeren Fläche sind die Kerntopfs seit einigen Jahren zuständig. Irgendwann wuchs der Gemeindeverbund auf acht Orte an. Mit den bekannten Folgen.

Die veränderten Arbeitsbedingungen nehmen die Kerntopfs mit einer bewundernswerten Gelassenheit hin. Kein Wort der Beschwerde kommt ihnen über die Lippen, obwohl ihr Weihnachtsfest auf den ersten Blick rein gar nichts mit der viel beschworenen Besinnung zu tun hat. Doch der Eindruck täuscht. Stressig sei es zwar schon, den ganzen Nachmittag auf Achse zu sein, aber keinesfalls eine Belastung. Und genug Momente, um inne zu halten, gebe es ebenfalls. „Das weihnachtliche Gefühl ereilt mich beispielsweise, wenn ich während der Christvesper die Lieder mitsinge“, berichtet Gabriele Kerntopf. Ihr Mann ergänzt: „Spätestens bei der letzten Vesper um 22 Uhr entstehen fast automatisch weihnachtliche Gefühle. Die wird nämlich etwas ruhiger und meditativer gestaltet.“ Noch einmal mit den vielen ehrenamtlichen Helfern zusammen zu sein, helfe ungemein, um in weihnachtliche Stimmung zu kommen.

Vergessen ist dann der enorme Aufwand, vier verschiedene Christvesper vorzubereiten. An jedem Ort das Gleiche zu sagen, kommt für die Kerntopfs nicht in Frage. Zumal in manchen Orten Krippenspiele aufgeführt werden, in anderen aber nicht. „Deshalb sind die Unterschiede im Ablauf sehr groß“, sagt Dieter Kerntopf. Pro Gottesdienst muss man fast acht Stunden Vorbereitungszeit einkalkulieren.

In den 34 Jahren im Dienst haben die beiden noch keine Christvesper verpasst. Weder wegen Krankheit noch wegen Wetterkapriolen. Für den Fall der Fälle sorgen sie trotzdem stets vor. Der Ablaufplan des Gottesdienstes liegt stets in den Kirchen bereit. Sollten die Kerntopfs doch mal nicht erscheinen, könnten ehrenamtliche Helfer zumindest provisorisch einspringen.

Angesichts der vielfältigen Planungen hatten die Kerntopfs noch gar keine Zeit, sentimental zu werden. Denn in diesem Jahr feiern sie das Weihnachtsfest zum letzten Mal im Pfarrdienst. Im Juni ist für die beiden Schluss. 2019 werden sie aller Voraussicht nach wie ganz normale Gemeindeglieder auf der Kirchenbank Platz nehmen und der Predigt lauschen. Ganz ohne Stress, ganz ohne Hektik. Keine so schlechte Vorstellung eigentlich.