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Kunst Neuer Gerber für Wolmirstedt

Wolmirstedt hat wieder einen Gerberbrunnen. Die Bronzeskulptur schwebte am Donnerstag auf der Schlossdomäne ein.

Von Gudrun Billowie 10.07.2020, 01:01

Wolmirstedt l Imposant schwebte der Gerberbrunnen über dem Pflaster auf der Schlossdomäne. Er musste nur noch im Boden fest verankert werden und Wasser aus der Leitung speien. Die Stunde der Handwerker schlug. Die Wirtschaftshofmitarbeiter mussten die Anker an der richtigen Stelle in den Boden schieben, damit der Auslauf genau auf dem Wasserloch landet. Eine knifflige Angelegenheit. Und dann war der Wasseranschluss ein paar Zentimeter zu kurz. Schafften es die Wirtschaftshofmitarbeiter trotzdem, den Brunnen zu befestigen?

Der Künstler Werner Bruning ließ keinen Zweifel. „Das muss ja heute fertig werden.“ Er war mit seiner Frau Hanne und dem Gerber aus Nordrhein-Westfalen gekommen, hatte die Skulptur direkt von der Gießerei auf die Schlossdomäne transportiert. 280 Kilogramm wiegt dieser Gerber, ohne die Hilfe eines Kranarms geht da nichts. Passanten kamen und schauten dem Treiben zu.

„Endlich ist er wieder da“, sagt Renate Lehmann, die zufällig auf der Schlossdomäne weilte, „ich habe ihn vermisst.“ Auch Stadtratsvorsitzender Heinz Maspfuhl strahlte: „Gut, dass er wieder da ist, hoffentlich wird er nicht wieder zerstört.“

Der vorherige Gerberbrunnen war in einer Nacht im März 2019 mit Pyrotechnik gesprengt worden. Der Waschtrog war zerfetzt, Schweißnähte der Figur waren angehoben und ausgebeult. Die Diagnose lautete: Totalschaden. Die Täter sind bis heute nicht gefasst.

Danach keimte schnell der Plan, es solle einen neuen Gerberbrunnen geben, allein, um vor der Zerstörung nicht in die Knie zu gehen. Doch wer sollte das bezahlen? Die Versicherung überwies 30 000 Euro. So viel hatte der Gerberbrunnen 2006/2007 gekostet, doch 14 Jahre später mussten über 50 000 Euro ausgegeben werden. Ein Überschuss der Stadtwerke sowie Bürgerspenden halfen. Die Mehrheit des Stadtrates stimmte zu, der Auftrag an Werner Bruning wurde ausgelöst.

Der Bildhauer machte sich an die Arbeit. Der gesprengte Gerber war in sein Atelier gebracht worden, diente als Modell für seinen Nachfolger. Trotzdem ist der neue Gerber keine Kopie. „Ich habe ihn komplett neu aufgebaut“, erklärt Werner Bruning. Auch wenn der neue dem alten Gerber recht ähnlich sieht, so gibt es doch einen sichtbaren Unterschied. Worin besteht der?

Die Frage konnten weder Bürgermeisterin Marlies Cassuhn noch Stadtratsvorsitzender Heinz Maspfuhl, auch nicht Museumsmitarbeiter Jörg Bonewitz und nicht einmal die zuständige Bauamtsmitarbeiterin Simone Heiß beantworten. Sie alle gehörten zu denen, die beim Aufbauen schon mal einen Blick auf den neuen Brunnen werfen durften. Doch was ist anders?

Werner Bruning lächelte verschmitzt und wies auf das Fell. Das war beim Vorgängerbrunnen glatt gewesen, jetzt wäscht der Gerber Locken. „Vermutlich Bison“, scherzten die Anwesenden. Der Künstler lachte: „Klar, Bison.“ Obwohl es wohl eher Schafsfell ist.

Er hatte über mehrere Monate an der neuen Skulptur gearbeitet, sie aus Hartschaum bis ins Detail geformt. Da wächst einem die Figur ans Herz, deshalb braucht sie einen Namen. Werner Bruning hat den Gerber „Paul“ getauft.

Als „Paul“ dann eines Tages fertig war, Handschuhe, Schürze, Gummistiefel, Mütze, Gesicht und Frisur ausgeformt, der Trog und das lockige Fell gestaltet waren, wurde diese Hartschaumfigur übermodelliert. Womit, das hält der Künstler streng geheim. Dann brachte er die Form in die Gießerei.

Dort wurde „Paul“ als Bronzefigur gegossen, bei hohen Temperaturen. Anschließend wurde der Bronze eine Patina verpasst. So passt sie zum Lederbock, der heil geblieben war. Nur Eingeweihte erkennen, dass zwischen der Anfertigung beider Teile des Kunstwerks 14 Jahre liegen.

Doch wie ging es Donnerstagnachmittag mit dem Aufbau auf der Schlossdomäne weiter? Die Wirtschaftshofmitarbeiter haben mit Schablone, Augenmaß und Messvorrichtungen herausgefunden, an welcher Stelle die Anker in den Boden müssen und dort tiefe Löcher in den Untergrund gebohrt. Der Gerber wurde herabgelassen und nach ein bisschen ruckeln rutschten die Anker in die Bohrungen.

Blieb noch das Problem mit dem zu kurzen Wasserschlauch. Kurzerhand setzten sich die Wirtschaftshofmitarbeiter ins Auto und holten von einem örtlichen Sanitärbetrieb eine Verlängerung. Alles passte. Doch funktioniert es auch?

Der Wasserhahn befindet sich gut verschlossen im Bürgerhaus, doch da war niemand mehr, der einen Schlüssel hatte. Nach einem Anruf eilte Bürgerhaus-Chefin Christina Laqua herbei und öffnete die erforderlichen Türen. Stadtratsvorsitzender Heinz Maspfuhl war der erste, der sich die Hände mit dem Wasserstrahl benetzte.

Die Wolmirstedter hingegen müssen noch ein paar Tage warten, bis sie den neuen Gerber „Paul“ begrüßen können. Das Wasser wurde wieder abgestellt, der Bronzeplastik wurde eine Plane übergestülpt und drumherum ein Bauzaun aufgestellt. Bürgermeisterin Marlies Cassuhn sagt: „Wir wollen ihn im würdigen Rahmen der Öffentlichkeit übergeben.“

Ein großes Fest kann es wegen Corona nicht geben, deshalb werden die Teilnehmer der Museumsführung sowie die Spender Zeugen der Enthüllung des Gerberbrunnens sein. Am Freitag, 17. Juli,ist es soweit. „Leider werden wir nicht dabei sein“, bedauern Werner und Hanne Bruning.

Es war ein guter Tag auf der Schlossdomäne. Eine Wunde am schönsten Ort Wolmirstedts ist nun geheilt. Bleibt nur die Sorge, ob es wieder Menschen gibt, die zerstören. Doch noch einmal kämen Täter wohl nicht davon. Die Schlossdomäne ist inzwischen videoüberwacht.