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Landkreis Börde Neues vom Herrn der Pfeile in Farsleben

Noch immer kämpft auch der Bogenschützen-Trainer Mario Elsner aus Farsleben mit den Folgen der Corona-Pandemie.

Von Steffi Pretz 14.09.2020, 23:01

Farsleben l „Den Arm rausdrehen, gerade stehen, anvisieren und weg das Ding“: Mario Elsner leitet einen Bogenschützen an, dem für die Routine eines erfahrenen Schützen noch viele Tausend geschossener Pfeile fehlen. Tatsächlich landet der Pfeil zumindest auf der runden Scheibe. Gute Anleitung und vielleicht auch Anfängerglück. Auf dem Gelände in Ebendorf hinter der Sporthalle treffen sich die Schützen der Bogentruppe mehrmals wöchentlich und lassen die Pfeile fliegen. Das können während eines Trainings schon ein paar hundert sein, so Elsner. Der Ablauf vom Aufnehmen des Bogens über das Einlegen des Pfeils bis hin zum Loslassen der Sehne müsse vom Kopf in den Körper ‑ wie bei allen Tätigkeiten, über die wir irgendwann nicht mehr nachdenken wollen. Unser Muskelgedächtnis lerne nur über Wiederholungen.

Mario Elsner kam zum Bogenschießen vom Judo als Ausgleich zum oft rückenlastigen Sport, wie er sagt. 2012 begann er damit, die ersten vier Jahre völlig ohne Anleitung, nur durch das Analysieren der eigenen Fehler und Zieltreffer. Dann kam irgendwann der Punkt, wo er unter Anleitung eines erfahrenen Trainers übte und das sei gleichzeitig der Moment gewesen, an dem er eigentlich alles noch einmal vom Anfang begann, resümiert er. „Erst dann wurden mir meine Fehler bewusst und diese wieder auszumerzen, dauert länger, als etwas neu zu lernen.“ Deshalb empfiehlt er Interessierten, Zeit und Geld in einen Lehrer zu investieren, welcher vom ersten Pfeil an sieht, ob der Schütze auf dem richtigen Weg ist und ihn anleitet und korrigiert.

Seit einem Jahr gibt es die Bogentruppe in der SG Eintracht Ebendorf und mittlerweile sind dort 30 aktive Schützen. Kinder, Frauen und Männer, bunt gemischt und aus den unterschiedlichsten Berufsgruppen. Bei den Kindern ist es vorrangig der Spaßfaktor, der motiviert. Bei den Erwachsenen oft der Wunsch, bei dieser Betätigung raus aus dem Alltag, dem Hamsterrad der Gedanken zu kommen, rein in die Ruhe, Konzentration und den Fokus. Vereint werden sie von einem gemeinsamen Gedanken - Zielen und Treffen. Geschossen wird mit unterschiedlichen Bögen, die sich voneinander in der Ausführung, dem Material und dem Gewicht unterscheiden. Anfänger schießen mit einem sogenannten Blankbogen ohne Visier und Stabilisatoren, mit zunehmender Praxis und Erfahrung gehen die Schützen dann zu Compoundbögen über. So ein Bogen ist kein Leichtgewicht und kann den Pfeil schon mal bis zu 800 Metern durch die Luft schicken. Dann gibt es noch sogenannte Lang- und auch Reiterbögen, die vor allem auf Events zum Einsatz kommen.

Der Bogenschützentrainer betont: „Die Form des Bogenschießens, welche wir im Verein praktizieren, sollte nicht mit dem japanischen Bogenschießen verwechselt werden, bei dem der Ansatz ein ganz anderer ist. Wo der Schütze in seinem Geist selbst zum Pfeil wird und der Weg des Pfeiles wichtiger als das Ziel selbst ist. Japanisches Bogenschießen ist eben kein Sport, eher ein Selbstfindungsweg.“ Mario Elsner merkt an, dass Gedankenansätze in dieser Tiefe aus der asiatischen Kultur für europäische Köpfe nicht geeignet seien, denn wenn ein Schüler mehrere Monate den Bogen nicht mal anfassen dürfte, würde der Enthusiasmus sehr bald zum Erliegen kommen. Resultate müssten in unseren Breitengrade schneller sichtbar sein. Auch und gerade bei freiwilligen Tätigkeiten.

In den vergangenen Wochen und Monaten war der Platz leer und die Pfeile blieben in ihren Köchern. Obwohl das Training draußen stattfindet und die Schützen mit ausreichendem Abstand voneinander entfernt stehen, war selbst das verboten. Elsner kann das nicht nachvollziehen und findet die Maßnahmen übertrieben. „Bogenschießen ist keine Kuschelsportart, wir haben keinerlei Kontakt. Da sitzen Menschen in Versammlungen und Debatten über das weitere Vorgehen wegen der Pandemie in geschlossenen Räumen viel enger zusammen. Das ist erlaubt und genau diese „Logik“ erschließt sich mir nicht.“ Dabei sei es nach seiner Meinung immens wichtig, solche Freitzeitaktivitäten gerade für Kinder zu fördern, es sei erschreckend, wie die feinmotorischen Fähigkeiten von Kindern immer mehr zurückgingen, weil die einzige Bewegung intensive Daumengymnastik am Smartphone sei, bemerkt der Trainer nachdenklich. Der Trainingsausfall über Monate mache sich bei allen bemerkbar. Zwar könne jeder Schütze Techniktraining ohne Pfeil und Bogen allein zu Hause betreiben, aber regelmäßiges Schießen sei wichtig, sei der Pfeil (bestenfalls in der Mitte der Zielscheibe) doch die einzige Möglichkeit, die Richtigkeit der Technik zu überprüfen. „Und letztendlich wollen wir die Pfeile fliegen lassen, dafür sind sie da und dafür sind wir Bogenschützen“.

Vorausschauend hofft der Farsleber sehr, dass im Rahmen der Lockerungen aller Beschränkungen das Training im normalen Betrieb wieder aufgenommen werden könne. Derzeit bereiten sich drei Bogenschützen auf die deutschen Meisterschaften in Augsburg Ende Oktober vor und hoffen, dort gut abzuschneiden. Und auch für die Events hofft Mario Elsner, dass es bald wieder möglich sein kann, dass groß angelegte LARPs stattfinden können. Das sind Rollenspiele, die nicht digital, sondern echt durchgeführt werden, bei denen Menschen live und in Form und Farbe in die Rollen ihrer geschichtlichen oder auch visionären Lieblingshelden schlüpfen - „Live Action Role Playing“, kurz LARP genannt.

Das Epic Empires ist so ein Event, das in diesem Jahr aufgrund der Corona-Pandemie auch ausfiel. Mario Elsner und Mitstreiter hoffen auf August nächsten Jahres, wo die Bogenschützen dann wieder für mehrere Tage als Myrmidonen (Gefolgsleute des legendären Achilles) in einem speziellen Lager ein anderes Leben leben.