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Mietärger Fahrstuhl kaputt - Mieter sitzen fest

Die Mieter des Zehngeschossers in der Wolmirstedter Julius-Bremer-Straße gelangen seit Wochen oft nur zu Fuß in ihre Wohnungen.

Von Gudrun Billowie 17.08.2017, 01:01

Wolmirstedt l Inge Jungnickel lebt seit 32 Jahren im Zehngeschosser in der Julius-Bremer-Straße 4, fast ganz oben, in der neunten Etage. Die 80-jährige Dame bewegt sich mit einem Gehstock durch ihr Refugium und genießt es, so weit ins Land zu schauen, hat stets einen freien Blick auf die Stadt. Doch die Freude an diesem Ausblick ist seit gut vier Wochen gründlich getrübt.

So lange schon ist der Fahrstuhl immer wieder kaputt, seit Freitag steht er gar dauerhaft still. Experten diagnostizierten einen Getriebeschaden. Wann der behoben sein wird, ist unklar. Mit diesen Aussichten geraten für manche Mieter die Wohnungen zunehmend zum Gefängnis. Jedes Weggehen ist mit der Angst verbunden, nur schwer wieder heimzukommen.

Trotz des unzuverlässigen Fahrstuhls hat sich Inge Jungnickel neulich gewagt, das Haus zu verlassen. Der anwesende Monteur habe ihr versichert, der Fahrstuhl sei wieder in Ordnung, sie könne die neun Etagen herunterfahren. Sie fuhr. Als sie jedoch nach Hause zurückkehrte und wieder hinauf fahren wollte, streikte der Aufzug erneut. Nur mit Hilfe einer Nachbarin, die sie von hinten schob, sei sie in ihre Wohnung gelangt. Die neun Etagen auf diese Weise treppauf zu bewältigen, habe eine dreiviertel Stunde gedauert.

In dem Haus gibt es 40 Wohnungen, in ihnen leben viele ältere Menschen, einige sind auf Rollatoren angewiesen. Die stehen unten im Eingangsbereich und werden selten genutzt, weil deren Besitzer kaum bis dorthin kommen.

Auch Sonja Rusche, die zwar „erst“ 70 Jahre alt und gut zu Fuß ist, kann sich schwer vorstellen, größere Einkäufe bis in die zehnte Etage zu schleppen. „Wenn der Tiefkühlschrank leer ist, rufe ich meinen Schwiegersohn an“, lautet ihre Option.

Andere Mieter haben schon Arzt- oder Frisörtermine abgesagt, warten mit diesen Besuchen, bis der Fahrstuhl wieder zuverlässig funktioniert. Wann das sein wird, dazu gibt es noch keine verbindliche Auskunft. „Wir wissen nicht, wann der Schaden behoben sein wird. Wenn es länger dauert, müssen wir uns etwas einfallen lassen“, sagt Gerhard Thiede, Geschäftsführer der Wolmirstedter Wohnungsbaugesellschaft (WWG), der die Zehngeschosser gehören.

Mit dem Einfallenlassen hat die WWG gerade ausreichend Erfahrungen gesammelt. Im Zehngeschosser Julius-Bremer-Straße 6 und 7 wurden die Fahrstühle kürzlich erneuert. Sechs bis sieben Wochen mussten die Mieter die Treppen zu ihren Wohnungen nehmen.

Um Pausen auf dem Weg zu ermöglichen, hatte die WWG auf den Treppenabsätzen Bänke aufgestellt und bei Bedarf soziale Dienste vermittelt, die beispielsweise Einkäufe übernehmen. „Die Dienste wurden nur sehr wenig in Anspruch genommen“, sagt Gerhard Thiede. Die meisten hätten von ihren Familien Unterstützung erfahren.

Den Mietern in der Julius-Bremer-Straße 4 indes steht die Möglichkeit offen, die Miete zu mindern. „Das muss niemand beim Vermieter beantragen, das Minderungsrecht hat man Kraft Gesetz“, stellt Sigrid Kubica auf Volksstimme-Nachfrage klar. Die Geschäftsführerin des Magdeburger Mietervereins empfiehlt, dem Vermieter den Mangel schriftlich anzuzeigen, eine Frist zur Behebung zu setzen und mitzuteilen, dass man sich das Recht der Mietminderung vorbehalte.

Schwierig sei es, die Höhe der Mietminderung zu bestimmen. Die richte sich unter anderem danach, in welcher Etage die Mieter wohnen und wie lange der Fahrstuhl kaputt sei. „Ich rate Mietern, sich darüber rechtlichen Rat einzuholen“, sagt Sigrid Kubica.

Die Fahrstühle in der Julius-Bremer-Straße 4 und 5 sind 45 Jahre alt, noch die ersten, die 1972 in die Häuser eingebaut wurden. Sie sollen ab 2018 erneuert werden. „Wir hoffen, dass wir Fördermittel bekommen“, sagt Gerhard Thiede.