1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Oebisfelde
  6. >
  7. Polizei verteidigt Wolf-Tötung bei Wolmirstedt

Wildunfall Polizei verteidigt Wolf-Tötung bei Wolmirstedt

Landkreis Börde ist Spitzenreiter bei Unfällen mit Wolfsbeteiligung

Von Tom Wunderlich 01.05.2021, 13:30
Von 1990 bis 2020 wurden in Sachsen-Anhalt insgesamt 43 Wölfe bei Unfällen getötet. Alleine im Landkreis Börde waren es mindestens 13 Tiere bis 1. Mai 2020. Hinzu kommen die Tiere die nach Unfällen getötet werden mussten.
Von 1990 bis 2020 wurden in Sachsen-Anhalt insgesamt 43 Wölfe bei Unfällen getötet. Alleine im Landkreis Börde waren es mindestens 13 Tiere bis 1. Mai 2020. Hinzu kommen die Tiere die nach Unfällen getötet werden mussten. Foto: dpa

Wolmirstedt

Es ist der Vormittag des 28. April 2021 als ein Team der Straßenmeisterei die Bundesstraße 189 bei Wolmirstedt kontrolliert. Bei strahlendem Sonnenschein wird die routinemäßige Arbeit erledigt, als ein Straßenmeister ein verletztes Tier im Straßengraben entdeckt. Es scheint noch zu leben. Mühsam versucht es sich mit den Vorderläufen aufzurichten. „Bei genauerem Hinschauen, erkannte der Straßenmeister, dass es sich bei dem Tier um einen Wolf handelte. Daraufhin alarmierte er unsere Kollegen“, erläutert Polizeisprecher Matthias Lütkemüller die Situation. Vor Ort stellen die Beamten fest, dass das Tier vermutlich durch den Zusammenstoß mit einem Fahrzeug an der Wirbelsäule schwerverletzt wurde. Neben der Polizei wird auch das Wolfskompetenzzentrum des Landesamtes für Umweltschutz alarmiert. „Eine Mitarbeiterin traf zeitnah ein und ordnete die Tötung des schwerverletzten Tieres an“, erklärt der Polizeisprecher weiter. Der Isegrim sei daraufhin mit einem Schuss aus einer Dienstwaffe erlöst worden.

Im sozialen Netzwerk Facebook löst die Tötung des Wolfes kontroverse Debatten darüber aus, ob man das Tier hätte wirklich töten müssen oder nicht. So schreiben dort einige Menschen, dass diese Aktion seitens der Polizei unnötig gewesen sei, andere wiederum schreiben, dass die Tötung nicht mit der Dienstwaffe hätte erfolgen müssen, ein anderes Lager wiederum fordert, dass das Tier hätte viel schneller erlegt werden müssen. Laut Polizeisprecher Matthias Lütkemüller sei der Abschuss vollkommen berechtigt gewesen. Immerhin sei das Tier so schwer verletzt gewesen, dass eine Rehabilitierung nicht möglich gewesen wäre. Der Einsatz der Dienstwaffe sei dabei der schnellste und sicherste Weg. Das gelte für alle schwer verletzten Wildtiere, welche angefahren werden. „Wir sind laut Tierschutzgesetz sogar dazu verpflichtet, die Tiere so schnell wie möglich von ihrem Leid zu erlösen.“ 2021 sei das bisher zehnmal der Fall gewesen. Die einzige Ausnahme bildet dabei der Wolf. Da dieser unter besonderer Beobachtung steht, darf er nicht ohne weiteres erlöst werden. „Hier muss tatsächlich erst eine fachkundige Person vom Landesamt für Umweltschutz kommen“, so Lütkemüller.

Auch Ines Wahl vom Landesamt für Umweltschutz bestätigt die Richtigkeit der Maßnahme. „Der Wolf hatte offensichtlich eine Wirbelsäulenfraktur mit der Folge der Lähmung des Hinterleibs etwa ab dem Brustkorb, was einer Querschnittslähmung entspricht. In solchen Fällen ist von der Unheilbarkeit der Verletzung auszugehen und die Tötung erfolgte hier gemäß Anweisung durch die Polizei“, erklärt Wahl. Ein später eingetroffener Veterinär habe die Richtigkeit der Maßnahme ebenfalls bestätigt.

Haldensleber Rudel in Unfälle verwickelt

Während Unfälle mit Wildtieren wie Rehen, Wildschweinen und Hasen als normal angesehen werden, sorgen Unfälle mit Wölfen immer noch für großes Aufsehen. Wie aus dem Monitoringbericht zum Wolfvorkommen in Sachsen-Anhalt vom Landesamt für Umweltschutz hervorgeht, sind im Zeitraum von Mai 2019 bis 2020 insgesamt acht Wölfe bei Verkehrsunfällen in Sachsen-Anhalt getötet worden. Allein vier davon wurden 2019 auf dem gleichen Streckenabschnitt im Landkreis Börde getötet. Nach Angaben des Wolfskompentenzzentrums ereigneten sich die Unfälle alle auf der Kreisstraße 1142 zwischen Colbitz und Hütten. Bei den getöteten Jungtieren soll es sich um Geschwister des Haldensleber Rudels gehandelt haben. Zum Vergleich: Von 1990 bis 2020 sind in Sachsen-Anhalt insgesamt 43 Wölfe bei Verkehrsunfällen tödlich verletzt worden. So führen der Landkreis Börde und der Landkreis Wittenberg die Unfallstatistik mit jeweils 13 totgefahrenen Tieren an. Danach folgt das Jerichower Land mit sieben Totfunden. Hinzu kommen von Mai 2019 bis Mai 2020 vier weitere Wölfe, welche an Unfällen beteiligt waren, jedoch noch lebend aufgefunden worden, beziehungsweise aufgrund der schweren Verletzungen erlöst werden mussten.

Laut Wolfskompetenzzentrum sind aktuell 134 Wölfe in Sachsen-Anhalt bekannt. Diese teilen sich in 19 Wolfsrudel und zwei Wolfspaare auf. Im Landkreis Börde wird hier das Haldensleber Rudel sowie die Wolfspaare „Colbitz-Letzlinger Heide“ und „Flechtinger Höhenzug“ aktuell beobachtet. Ob der getötete Wolf einer diesen Gruppen angehört oder einem anderem Rudel aus Sachsen-Anhalt stammt, muss nun durch DNA-Analysen geklärt werden. Diese Totfunduntersuchungen werden deutschlandweit einheitlich am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung Berlin durchgeführt. Nach Angaben des Wolfskompetenzzentrums nimmt die Zahl der Wölfe in Sachsen-Anhalt weiter zu. So hatte es 2018 noch fünf Wolfspaare gegeben, welche sich zu Rudeln weiter entwickelt hatten. Das ist auch bei den beiden Wolfspaaren im Landkreis Börde durchaus denkbar. Ob sich ein neues Territorium für Wölfe etabliert, hängt allerdings von der Umwelt ab. Im Monitoringjahr 2019/20 wurden in den 21 bestätigten Territorien in Sachsen-Anhalt mindestens 43 potenziell reproduktionsfähigen Tiere gezählt, welche 36 Welpen aufgezogen haben. Hinzu kommen noch Wölfe, welche auch grenzüberschreitend in anderen Bundesländern aktiv sind. Fakt ist, dass sich der Wolf seit 2008 wieder in Sachsen-Anhalt ausbreitet. Allerdings in überschaubarer Zahl. Vor allem die bestehenden Rudel können gut überwacht werden.

Gegenüber Wölfen ruhig verhalten

„Autofahrer, die einen Wolf sehen, sollten ruhig bleiben, auf den Straßenverkehr achten, das Tier im Auge behalten und weiterfahren. Keinesfalls sollte das Tier verfolgt oder bedrängt werden“, erklärt Ines Wahl vom Landesamt für Umweltschutz. Allerdings sollte das Kompetenzzentrum über die Sichtung informiert werden, nach Möglichkeit am besten mit Foto. „Im Sinne der Verkehrssicherheit sollte der Fahrer des Fahrzeugs aber auf die Benutzung des Smartphones verzichten.“

Sollte es doch einmal zum persönlichen Kontakt kommen, empfiehlt die Sprecherin, dass man sich ruhig verhalten solle um dem Tier die Möglichkeit zu geben, sich zurückzuziehen. „Wer sich ängstlich fühlt oder unwohl, der kann in die Hände klatschen oder das Tier ansprechen.“

Dieser Wolf musste aufgrund seiner schweren Verletzungen am 28. April 2021 bei Wolmirstedt erschossen werden.
Dieser Wolf musste aufgrund seiner schweren Verletzungen am 28. April 2021 bei Wolmirstedt erschossen werden.
Foto: Polizei