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Coronavirus Corona-Lockdown und Musikabitur

Wie funktioniert unter Corona die Vorbereitung auf das Musikabitur? Pia Kunkel aus Wolmirstedt konnte auf ihren Lehrer setzen.

Von Gudrun Billowie 15.06.2020, 01:01

Wolmirstedt l Die Gitarre begleitet Pia Kunkel solange sie denken kann. „Mit drei Jahren wollte ich Gitarre spielen erlernen“, weiß sie, „mit vier oder fünf habe ich den Unterricht an der Musikschule begonnen.“ Gitarrenlehrer Michael Brod zeigte ihr Griffe, lange bevor sie eine Schultüte bekam. Pia konnte eher Notenlesen als schreiben. Seither ist sie beharrlich dabeigeblieben, hat Preise bei „Jugend musiziert“ abgeräumt und die Leidenschaft für die Musik ins Erwachsenenalter hinübergerettet. Für Pia Kunkel bleibt klar: „Ich möchte weiter Gitarre spielen.“

Es zieht sie nicht auf die ganz große Bühne, sie möchte nicht mit einer Rockband berühmt werden, nicht durch die Welt touren. „Ich möchte Musik auf Lehramt studieren, ich mag es, anderen mein Wissen weiterzugeben.“

Dieses Studium steht nicht jedem offen. Die Anwärter müssen eine Aufnahmeprüfung bestehen, dafür braucht es eine solide Ausbildung, bestenfalls ein Musikabitur. Pia Kunkel verfügt über beides und trotzdem: Der Schlussakkord vor dem Musik-Abitur spielte in einer Zeit, in der die Welt plötzlich leiser wurde. Corona hatte die Regierung zu einem Lockdown veranlasst. Musikschulen wurden geschlossen, Kontakt weitgehend untersagt. Wie sollte sich Pia Kunkel unter solchen Bedingungen auf die Prüfungen vorbereiten?

„Wir haben sofort mit dem Online-Unterricht begonnen“, sagt Musikschullehrer Michael Brod. Ihm war wichtig, dass seine Schülerinnen und Schüler weiter unterrichtet werden. „Ich habe 94 Prozent meines Unterrichts weiter erteilt.“ Zwar konnten sich Lehrer und Schüler nur auf den jeweiligen Bildschirmen via Skype sehen, aber gerade im Fall Pia war das unbedingt nötig. „Wie soll sie sich auf das Musikabitur vorbereiten, wenn es keinen Unterricht gibt?“

Pia Kunkel lernt seit 13 Jahren bei Gitarrenlehrer Michael Brod. Als sie die siebte Klasse besuchte, reifte in ihr der Wunsch, auf ein Musikgymnasium zu wechseln. Sie entschied sich für Schulpforta.

Die Landesschule Pforta liegt etwa in der Nähe von Naumburg und ist ein traditionsreiches Internatsgymnasium in Trägerschaft des Landes Sachsen-Anhalt. Begabte Schülerinnen und Schüler aus allen Bundesländern werden in den Spezialisierungsbereichen Sprachen, Musik und Naturwissenschaften gefördert. „Meine Mama war erst einmal entsetzt“, lacht Pia. Schließlich musste sie für diese Schule ihr Samsweger Zuhause verlassen und ins Internat ziehen. „Aber längst sind meine Eltern sehr stolz.“

Sie siedelte also um und fühlte sich pudelwohl. Sie wählte als Hauptfach Gitarre, wurde außerdem im Klavierspiel, in Musiktheorie, Musikgeschichte, Stimmbildung und Chorleitung unterrichtet und singt leidenschaftlich gerne im Schulchor.

Nur leider fanden Pia und ihr neuer Gitarrenlehrer keinen Draht zueinander. Die Art Gitarre zu spielen, die Pia aus der Wolmirstedter Musikschule mitgebracht hatte, passte nicht in das Konzept des Ausbilders in Schulpforta. Deshalb durfte sie weiterhin von Michael Brod in Wolmirstedt unterrichtet werden. Pia sagt über ihn: „Ich habe wenig Leute gefunden, die Musik und Pädagogik so gut verbinden.“

Geschenkt habe er ihr nichts. „Es ist wichtig, dass Lehrer streng sind“, sagt die junge Dame. Der Erfolg gibt ihr Recht. Sie hat ihr Musikabitur mit der Note 1 bestanden, vier Tage später die Aufnahmeprüfung für das Musikstudium. Michael Brod lächelt zufrieden. Er war einer der Prüfer beim Musikabitur und sehr stolz auf die Leistung der Pia Kunkel.

Als Dreijährige hatte sie sich in die Gitarre verliebt. Was nährt diese Liebe? „Dieses Instrument klingt sehr weich, ist allumfassend und doch ein Einzelinstrument. Ich bin nicht auf andere angewiesen.“ Pia Kunkel spielt gern Klassisches, sie mag diesen Anspruch, die Abwechslung.

Das heißt jedoch nicht, dass die 18-Jährige nur allein musizieren mag. Sie spielt und singt viel zu gern, dennoch sollen Konzerte ein Hobby bleiben, Spaß machen und nicht in den Zwang geraten, damit Geld zu verdienen.

Bald bekommt Pia Kunkel ihr Zeugnis, den Studienplatz hat sie schon in der Tasche. Und dann? Wird sie weiter Musikschulunterricht nehmen, jetzt, wo doch schon alle Messen gesungen sind? „Aber ja“, sind sich Pia Kunkel und Michael Brod einig, „in letzter Zeit haben wir so viele schwere Stücke gespielt, jetzt müssen wir in der Mitte arbeiten.“

„In der Mitte arbeiten“ bedeutet auch, die Elektro-Gitarre näher kennenzulernen, musikalisch unter Strom zu arbeiten. Ist die nicht viel zu laut für Pias feines, klassisch geschultes Gehör? „Ach was“, lacht die junge Dame, „ich war im Mädcheninternat zusammen mit vielen Gesangsschülerinnen. Irgendeine hat immer auf dem Flur laut gesungen.“

Die Musikschülerin gibt sich mit erreichten Zielen ebensowenig zufrieden, wie der Musikschullehrer. Beide wollen weiter lernen, an der Entwicklung feilen. Für Pia ist das kein Stress, sondern die Möglichkeit, ihre geliebte Gitarre von einer anderen Seite noch intensiver zu erfahren. Im Herbst beginnt ihr neues Zeitalter. Fünf Jahre Studium und anderthalb Jahre Referendariat stehen bevor. Pia freut sich darauf. Nur eines macht sie ein bisschen traurig, ein schöner Höhepunkt ihres Schulpforta-Lebens wird nicht stattfinden. „Unser Schulchor wollte im Sommer beim Chorfest in Verona singen.“ Doch das fällt wegen Corona aus.