1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wolmirstedt
  6. >
  7. Radfahren wird Privatvergnügen

Geschäftsaufgabe Radfahren wird Privatvergnügen

Fahrrädern galt bereits zu DDR-Zeiten Siegfried Bremers Herz. Jetzt macht er seinen Laden in Wolmirstedt endgültig zu.

Von Gudrun Billowie 05.03.2018, 00:01

Wolmirstedt l „Ich werde weiter Fahrrad fahren“, versichert Siegfried Bremer, „mit meiner Frau oft unterwegs sein.“ Auch wenn Geschäft und Werkstatt demnächst schließen, die Leidenschaft für Fahrräder ist ungebrochen und ganz aus freien Stücken bremst der Wolmirstedter nicht. „Mit diesen Händen kann ich keine Fahrräder mehr reparieren“, sagt er und zeigt Finger, die nicht mehr so locker und geschmeidig sind, wie es die Fummelei an Fahrrädern erfordert. Ansonsten sprüht der 66-Jährige vor Energie und blickt schon voller Freude auf das Leben nach dem Fahrradladen. So wie es aussieht, wird er die Gelegenheit bekommen, sein Wissen an junge Menschen weiterzugeben. Mehr will er dazu vorerst nicht verraten.

Siegfried Bremer war wohl schon immer einer, der sein Ding macht, war vor der Wende Schwimmmeister im Wolmirstedter Schwimmbad und hat außerdem die Triathleten beim SV Kali Wolmirstedt trainiert. Zwar hieß Triathlon in der DDR noch Ausdauerdreikampf, war aber im Prinzip dasselbe, nämlich die Kombination aus Laufen, Radfahren und Schwimmen. „Wenn jemand eine Panne hatte, habe ich das Fahrrad repariert“, erklärt er die Grundlage seiner Geschäftsidee.

Das hat sich schnell herumgesprochen. Immer öfter suchten Leute die Kellerwerkstatt auf. Siegfried Bremer konnte nicht nur Fahrräder reparieren, sondern auch Ersatzteile beschaffen, beherrschte die landestypische Tauschkultur. „Ich habe Spargel oder Aale mitgenommen“, lacht er heute, „und dafür viele Ersatzteile bekommen.“

Schon 1987 wollte er sich selbstständig machen, doch damals hatten die Behörden noch ein großes Wörtchen mitzureden. „Die meinten, es gäbe keinen Bedarf“, erinnert sich der Fahrradliebhaber. Irgendwie hat er sie letztlich überzeugt, sodass er immerhin die Werkstatt führen durfte. Fahrräder zu verkaufen, wurde ihm versagt, Wirtschaft im Sozialismus war nicht frei. „Ifa hatte das Monopol“. Doch dann siegte Siegfried Bremer doch: Die DDR quittierte ihren Dienst als Land, Siegfried Bremer seinen Job als Schwimmmeister. Kurz nach der Wende eröffnete er den Fahrradladen, März 1991.

Damit begann das Leben als Geschäftsmann und die Zeit, in der auch hierzulande Ausdauerdreikampf ganz offiziell zum Triathlon mutierte. Bremer hat sich fortgebildet, hat Übungsleiterlehrgänge besucht, Neues über Trainingspläne und Ernährung gepaukt. Das Wissen hat sich ausgezahlt. Landesliga, zweite Bundesliga wurden Stationen für die SV-Kali-Sportler. Er war der Trainer, der die Sportler motivierte, selbst ist er nie zu einem Wettkampf angetreten. Das Training wurde allerdings nach Magdeburg verlagert, denn in Wolmirstedt gab es keine Schwimmhalle, gibt es bis heute nicht. Das kostete den SV Kali wohl letztendlich die Triathleten, sie wechselten in Magdeburger Teams. In Wolmirstedt blieb Siegfried Bremer, den alle, die ihn näher kennen, mit Paul ansprechen.

Wer 30 Jahre lang mit Radfahrern zu tun hat, weiß aus erster Hand, wie sich die Ansprüche verändern. „Nach der Wende gab es fast nur Markenfahrräder, die Leute haben sie gekauft“, erinnert er sich. Dann schwemmten billigere Räder bis in die Supermärkte. Dass die so großen Anklang fanden, kann er bis heute nicht verstehen, besonders nicht bei Kinderrädern. Streng runzelt er die Stirn: „Es geht immer um die Sicherheit.“

Inzwischen sehen viele Kunden das offenbar genauso. Der Wind hat sich gedreht. „Seit ein paar Jahren setzen Kunden wieder zunehmend auf Qualität und Sicherheit“, hat er beobachtet. Auch die einst so große Nachfrage nach Mountainbikes sei stark zurückgegangen. „Viele möchten Tourenräder“, weiß Siegfried Bremer. Nichts Hochtechnisches, eher Räder mit sieben oder acht Gängen und der guten alten Rückrittbremse. Wolmirstedt ist in seinen Augen eine Fahrradfahrerstadt. „Viele sind in ihrer Freizeit unterwegs, sei es am Kanal oder in der Heide.“ Das freut Siegfried Bremer, nur deren Fahradfahrerpannen wird er künftig nicht mehr reparieren.