1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wolmirstedt
  6. >
  7. Westphal: „Es gab nie einen Plan B“

Rentenabschied Westphal: „Es gab nie einen Plan B“

Martin Westphal, Leiter des Zielitzer Kaliwerkes, wurde im Wolmirstedter Katharinensaal offiziell in den Ruhestand verabschiedet.

07.07.2017, 23:01

Wolmirstedt l „Vielen Dank. Ich bin voller Demut." Mit diesen Worten verließ Martin Westphal die Bühne des Katharinensaals, aber auch die des Zielitzer Kaliwerkes. Dort hat er ein halbes Jahrhundert lang gewirkt und eine beispiellose Karriere hingelegt. „Martin Westphal geht als älteste und dienstälteste Führungskraft, die wir weltweit haben", sagt Arbeitsdirektor Dr. Thomas Nöcker.

Westphal gelangte an die Spitze, obwohl er nie an einem anderen Standort als in Zielitz gearbeitet hat, ist Werkleiter geworden, obwohl er älter war, als sein Vorgänger. „Beides ein No-go", betont Nöcker und schiebt nach, warum es trotzdem funktioniert hat: „Martin Westphal ist authentisch und nimmt kein Blatt vor den Mund."

Die Streitbarkeit Westphals bestätigten alle Redner. Betriebsratsvorsitzender Michael Knackmuß sprach gar von „fliegenden Worten und fliegenden Türen", betonte aber auch, es sei in den Auseinandersetzungen immer um das Kaliwerk Zielitz gegangen.

In diesem Werk hat Martin Westphal aus Überzeugung gearbeitet. „Es gab nie einen Plan B." Er hat 1967 die Lehre zum Elektromonteur begonnen, schloss ein Studium an, wurde Ingenieur für elektrische Anlagen. „Eigentlich wollte ich Pilot werden", erzählt Westphal, „aber mir wurde schon beim Bus- und Zugfahren schlecht. Dann bin ich in Zielitz gelandet, nicht hoch in der Luft, sondern tief unter der Erde."

Als 1973 die Kaliproduktion im Dauerbetrieb startete, war Martin Westphal Elektrosteiger in der Grube, stieg bald - bildlich gesprochen - empor, war unter anderem Obersteiger, Hauptabteilungsleiter und gehörte nach der Wende zum Vorstand der Zielitzer Kali AG. Dort war er für die Produktion zuständig, wurde Leiter der Abteilung für Umwelt, Genehmigungen und Arbeitssicherheit, bis er im Juli 2013 Joachim Kind als Werkleiter ablöste.

Martin Westphal setzte dessen Öffnung in die Region fort, sorgte weiter dafür, dass das Kaliwerk Kultur und Sport unterstützt. Dabei fällt dem Betrieb nicht allein der Geber-Part zu. Die noch junge Kooperation mit FCM und SCM haben dem Werk beispielsweise viele Bewerber beschert.

Als eine der letzten Amtshandlungen hat Martin Westphal zudem den Vertrag mit dem Holzhaustheater um fünf Jahre verlängert. Mindestens solange soll die Erfolgsgeschichte der Kalimandscharo-Festspiele, der Theatervorstellungen auf der Halde, fortgesetzt werden.

Das ausgeprägte Interesse an Wirtschaft, Kultur und Sport kommentierte Wolmirstedts Stadtratsvorsitzender Alfons Hesse so: „Es ist wie bei den alten Römern, da gab es Brot und Spiele. In diesem Sinne waren Sie unser Cäsar."

Martin Westphal spielt Volleyball und ist seit 28 Jahren Vorsitzender des größten Wolmirstedter Sportvereins Kali Wolmirstedt. Die Verdienste im Sport wurden mit der Ehrengabe vergoldet. Diese höchste Auszeichnung übergaben Landrat Hans Walker und Ralf Geisthardt als Präsident des Kreissportbundes.

Den Erfolg Westphals schreibt Thomas Nöcker auch dessen Talent zum Netzwerken zu. Verkehrsminister Thomas Webel bestätigte: „Du hast immer den direkten Kontakt zu den Behörden gesucht."

Viele Mitarbeiter des Umweltamtes des Landkreises waren ebenfalls zur Verabschiedung gekommen, obwohl Kaliproduktion samt Haldenerweiterung bei Umweltschützern nicht immer auf Begeisterung stößt. „Wir wissen, dass Umweltpolitik keine einfache Politik ist", sagte Landrat Hans Walker, „in diesem Sinne wollen wir nicht nur begleiten, sondern auch gemeinsam nach Wegen suchen. Wir sehen Zielitz als Schwerpunktbetrieb der Region an. Wenn das Werk Probleme bekommt, bekommt auch die Region Probleme." Und da geht es um weit mehr, als um 1800 Arbeitsplätze.

Wolmirstedts Bürgermeister Martin Stichnoth erinnerte an das Wachstum Wolmirstedts, das dem Wachstum des Kaliwerkes geschuldet war. In einem persönlichen Schmankerl verriet er zudem, dass er seinen Vornamen dem scheidenden Werkleiter verdanke. Sein Vater sei nach einem Gespräch mit Martin Westphal in die Klinik gekommen und hätte diesen Namen für den neugeborenen Sohn passend gefunden.

Für Martin Westphal kommt gar nicht in Frage, mit dem Ruhestand die Streitbarkeit abzulegen. „Thomas Webel und ich sind ja inzwischen auch Tierparkdirektoren", sagte er, „Webel wegen der A14 und ich wegen der geplanten Haldenerweiterung." Das Tierexpertentum bestätigte selbst Dr. Rainer Gerling, Geschäftsführer der K+S Kali GmbH: „Martin, du kannst inzwischen Namen von Fledermäusen auch lateinische, aussprechen, ohne zu stolpern."

Was so humorig daherkam, treibt Westphal um: „Die Wirtschaft befindet sich durch EU-Vorgaben im umweltpolitischen Würgegriff. Es wird Zeit, dass der Mensch mal wieder in den Mittelpunkt rückt."

Der neue Werkleiter heißt Dr. Holger Hoppe. Dem gab Geschäftsführer Rainer Gerling mit auf den Weg: „Man kann es nicht besser machen als Westphal. Versuchen Sie es trotzdem."

Martin Westphal hat die Maßstäbe für den Kasseler längst gesetzt. „Holger Hoppe kann das Amt eigentlich erst übernehmen, wenn er die Ostuhr kennt. Es gibt kein Viertel vor. Es heißt Dreiviertel." Hoppe kennt den Humor: „Authentisch eben. Martin, das ist das, was dich ausmacht."

Westphal bleibt noch bis 2018 Berater des Kaliwerkes. Ansonsten haben er und seine Frau Melitta längst eine neue Leidenschaft gefunden, die Enkelin. Geschäftsführer Gerling plauderte aus dem Nähkästchen: „Wir alle kennen den Glanz in den Augen, wenn du von ihr erzählst, davon, wie du sie verziehst."

Westphal bedankte sich bei allen Rednern für die lobenden Worte mit Augenzwinkern: „Bei so einer Verabschiedung wird ja viel geflunkert, aber Einiges hat gestimmt."

Statt Geschenken hatte Martin Westphal um Geld für den Förderkreis krebskranker Kinder gebeten. Als er die Summe nannte, die zusammengekommen war, wurde seine Stimme ganz weich: „Es sind 6011 Euro."