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Schafsriss Vermutlich Wolfsattacke

Am Wochenende wurden im Wolmirstedter Ortsteil Mose vier Schafe gerissen. Experten verdächtigen Wölfe.

Von Gudrun Billowie 07.03.2016, 18:49

Wolmirstedt l In Mose wurden innerhalb von drei Tagen vier Schafe gerissen. Experten vermuten, dass Wölfe die Angreifer waren. Der Schafhalter ist über den Verlust seiner Tiere bestürzt. 

Werner Steffens kann es kaum fassen. Sonntagfrüh findet er eine gerissene Heidschnucke auf seiner Weide. Wieder einmal. Das tragende Tier wurde durch einen Kehlbiss getötet, dann hinten aufgerissen, die Eingeweide wurden herausgezerrt, außerdem das Lamm, das bald als Osterlamm auf die Welt kommen sollte. Dabei hatte der Hobbyschafhalter erst in der Nacht zum Freitag drei Tiere verloren, ebenfalls ein tragendes Mutterschaf, einen Jährling und einen stattlichen Bock.
Experten verdächtigen Wölfe. „Das erkennt man am Kehlbiss und daran, dass die Spuren der Zähne fünf Zentimeter weit auseinander liegen“, erklärt Gerd Gühne. Der Jäger aus Mose war vor Ort und hat recht schnell die Stelle entdeckt, an der die Räuber in das Gehege gekommen sind: Sie haben sich unter dem Weidezaun hindurchgegraben, das biegsame Drahtgeflecht angehoben und sind hindurch geschlüpft.

Den Verdacht teil auch Peter Oestereich. Der Nutztier-Rissbegutachter vom Biosphärenreservat Mittelelbe hat die gerissenen Schafe vor Ort begutachtet. Die Untergrabung unter dem Weidezaun beim ersten Angriff deutet auf einen Wolf hin. Beim zweiten Angriff haben der oder die Räuber eine andere Stelle im Zaun genutzt, Peter Oestereich findet zwischen den Maschen ein Haar. 
Festlegen will sich der Rissbegutachter dennoch nicht. Vorsichtig schneidet er am Hals des getöteten Schafes die lange Wolle ab und sucht die Spuren der Zahneinschläge. Es gibt verschiedene Einstichlöcher, die von Reißzähnen stammen. Zwei stehen drei Zentimeter weit auseinander, was eher auf eine Hundeattacke hindeutet, aber es gibt auch Löcher, die fünf Zentimeter weit auseinander stehen. Damit gehört der Wolf zum Kreis der Verdächtigen. 

Genaue Ergebnisse wird eine DNA-Analyse bringen. Peter Oestereich hat mit einem Wattestäbchen Gewebe entnommen. In drei bis vier Wochen rechnet er mit Ergebnissen. Bereits am Freitagfrüh war Mose durch drei gerissene Schafe aufgeschreckt. Zu der Zeit war Schafhalter Werner Steffens jedoch noch im Krankenhaus und hat nur per Telefon davon erfahren. Als er nach Hause kam und auf die Weide schaute, musste er ganz fassungslos feststellen, dass sich auch der Bock trotz seiner sehr imposanten Hörner nicht gegen die angreifenden Raubtiere wehren konnte. Die Schafdamen hatten offenbar gar keine Chance. Das panische Hin-und Herlaufen der Tiere hat offenbar den Jagdinstinkt der Räuber geweckt.
Dennoch: Zwei Heidschnucken waren Werner Steffens  nach dem ersten Angriff geblieben. Auf Anhieb wusste er nicht, wo er die beiden trächtigen Schafdamen unterstellen konnte. Das kostete eine weitere Heidschnucke das Leben.
Das verbleibende Tier haben Männer des Dorfes unter beträchtlichem Körpereinsatz eingefangen und in den Stall eines Nachbarn gebracht. 

Große Sorgen bereitet den Dorfbewohnern die Tatsache, dass die Räuber so nah an die Wohnbebauung herangekommen sind. Die Häuser stehen in Sichtweite.Nach dem aktuellen Wolfsmonitoring von 2015 sind in der Colbitz-Letzlinger Heide fünf Wölfe nachgewiesen. Sie bilden ein Rudel,  zu dem sowohl Alt- als auch Jungwölfe gehören. „Offiziell gibt es derzeit keine weiteren Nachkommen“, sagt Volker Nakel, der Wolfsbeauftragte der Jägerschaft. Die Dunkelziffer der Wölfe in der Region schätzt die Landesjägerschaft jedoch höher ein.
Die Region um die Colbitz-Letzlinger Heide gilt als Wolfseinzugsgebiet. „Sofern sich die Tiere auf dem Truppenübungsplatz aufhalten, ist das in Ordnung“, findet Volker Nakel, „problematisch wird es nur, wenn sie, wie in Mose, in die Kulturlandschaft eindringen.“Nakel plädiert dafür, dem Wolf nicht alles zu gestatten. „Das Vorhandensein von Wölfen ist auch für uns Jäger kompliziert“, sagt der Wolfsbeauftragte, „weil sich Reh- und Schwarzwild verstecken und in diesen Verstecken größere Schäden anrichten.“

Werner Steffens wird sich wohl keine weiteren Schafe anschaffen. Mehr als zehn Jahre haben ihm die genügsamen Heidschnucken das Gras kurz gehalten. Bisher hat er die Tiere sicher gewähnt. Dass sie so enden, tut ihm sichtlich weh.Ob er für die gerissenen Schafe entschädigt wird, muss geprüft werden. Für die Umzäunung als Schutz vor Wölfen gelten Regeln, wie eine Mindestzaunhöhe und ein Untergrabeschutz, das heißt, Zäune müssen etwa 40 Zentimeter tief in den Boden gegraben werden. Peter Oestereich kann Hobbyschäfern nur raten, sich bei der Wolfsreferenzstelle über Schutzmaßnahmen zu informieren. „Die Berufsschäfer wissen in der Regel Bescheid, aber in der Nähe des Truppenübungsplatzes müssen sich auch die Hobbyschäfer mit dem Wolfsschutz befassen.“

 Bei Verdacht auf Wolfsrisse bei Nutztieren können sich Betroffene an das Biosphärenreservat Mittelelbe unter 039321/518 32  oder 0162/313 39 49 wenden oder per E-Mail an andreas.berbig@bioresme.mlu.sachsen-anhalt.de