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Schulkooperation Jüdischer Friedhof: Es grünt so grün

Der jüdische Friedhof in Wolmirstedt versinkt im Gras. Die jüdische Gemeinde Magdeburg und die Schöne-Schule wollen für Abhilfe sorgen.

Von Gudrun Billowie 05.05.2018, 01:01

Wolmirstedt l Am westlichen Stadtrand, inmitten der Felder, gibt es eine eingezäunte Fläche, die von weitem nur als Baumgruppe zu erkennen ist. Das ist der jüdische Friedhof. Ein Gedenkstein weist auf diese Begräbnisstätte hin, der ist von der B 189, kurz vor der Abfahrt Wolmirstedt-Zentrum, gut zu erkennen. Dieser Stein wurde von der Arbeitsgruppe „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ des Kurfürst-Joachim-Friedrich-Gymnasiums aufgestellt. Die Mädchen und Jungen hatten sich lange und ausführlich mit dem jüdischen Leben in Wolmirstedt auseinandergesetzt. Doch dieses Projekt ist inzwischen beendet.

Seit einem Jahr haben die Schülerinnen und Schüler der Gerhard-Schöne-Schule ein Auge auf diesen Friedhof. Die Aufgaben wurden im April 2017 in einem Kooperationsvertrag mit dem Landesverband der jüdischen Gemeinden festgeschrieben. Dieser Landesverband ist für die jüdischen Friedhöfe zuständig, 60 gibt es in ganz Sachsen-Anhalt.

Die Schöne-Schülerinnen und -Schüler der Werkstufen haben sich verpflichtet, mehrmals im Jahr leichte Arbeiten zu übernehmen, beispielsweise den Müll zu sammeln oder die Wege zu harken. Davon ist derzeit allerdings nicht viel zu erkennen.

Das Gras ist stark in die Höhe gewachsen, Wege sind nicht auszumachen, nur von einigen Grabsteinen ragen die Spitzen über das Grün. „Wir haben bereits eine Pflegefirma beauftragt“, sagt Igor Pissetski, der beim Landesverband jüdischer Gemeinden für die Pflege der Friedhöfe zuständig ist.

„Wir werden unsere Aufgaben ebenfalls in den kommenden Tagen wahrnehmen“, blickt Dagmar Lupu, Leiterin der Gerhard-Schöne-Schule, voraus. Schließlich beteiligen sich die Schöne-Schüler aus einem ganz besonderen Grund an der Pflege des Friedhofes.

Sie haben eine besondere Beziehung zu Israel, speziell zur Behinderteneinrichtung Beit Uri in der Nähe der Stadt Afula. Derzeit weilen acht Mädchen und Jungen der Schule sowie zwei Lehrerinnen in dieser fernen Partnereinrichtung.

Auf dem jüdischen Friedhof wurden seit 1815 Menschen bestattet, allerdings keine Kriegsopfer. Die letzten jüdischen Familien verließen bereits 1935 die Stadt. Dazu zählte auch die Familie von Otto Herrmann.

Die Herrmanns führten bis 1935 ein gut gehendes Damen-und Herrenbekleidungsgeschäft in der heutigen August-Bebel-Straße, mussten aber durch zunehmende antijüdische Propaganda und Diskriminierung durch die Nazis aufgeben. Otto Herrmann und seine Frau Regine starben im Oktober 1944 in Auschwitz. Ihre Tochter Inge Ruth Herrmann durfte mit einem Kindertransport nach Australien auswandern.

Der jüdische Friedhof wird wohl noch ewig bestehen, denn Liegezeiten wie auf städtischen Friedhöfen gibt es auf jüdischen Friedhöfen nicht. „Juden glauben an die Wiederauferstehung“, erklärt Igor Pissetski, „deshalb bleiben jüdische Gräber erhalten.“ Zur jüdischen Bestattungskultur gehört außerdem, dass der Friedhof eingefriedet ist, sei es mit einer Mauer oder mit einem Zaun wie in Wolmirstedt. Das Tor muss verschließbar und die Wege sauber sein. Ansonsten werde der Natur viel Raum gegeben. So sehr, wie das Grün derzeit auf dem jüdischen Friedhof wuchert, soll es sich jedoch nicht ausbreiten. Deshalb beginnen in wenigen Tagen die Pflegearbeiten.