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Solarenergie Handeln wie auf dem Basar

Christian Stewien aus Mose setzt auf Solarenergie. Die Kosten scheinen für die Stadtwerke Wolmirstedt böhmische Dörfer zu sein.

Von Gudrun Billowie 02.12.2020, 00:01

Wolmirstedt l Christian Stewien ist sauer. Im Zusammenhang mit seiner zweiten Photovoltaikanlage stellen ihm die Stadtwerke Kosten in Rechnung, die er nicht nachvollziehen kann. Dass die Stadtwerke in ihrer Preisgestaltung nicht sattelfest sind, stellt sich im folgenden Schriftwechsel heraus. Nach aktuellem Stand haben sie erheblich zu viel Geld gefordert. Christian Stewien ist darauf aufmerksam geworden und noch ist nicht alles restlos geklärt. Doch schon jetzt steht die Frage: Haben auch andere Betreiber von Photovoltaikanlagen oder selbst Bauherren zu viel gezahlt?

Was ist bei Christian Stewien passiert? Er lebt in Mose und betreibt seit 2013 eine Photovoltaikanlage auf dem Dach seines Hauses. Einen Teil des Sonnenstroms verbraucht er selbst, der Rest wird in das allgemeine Stromnetz eingespeist. Für dieses örtliche Stromnetz sind die Stadtwerke Wolmirstedt zuständig.

In diesem Jahr hat der Moseraner weitere Solarmodule auf dem Dach anbringen lassen und somit eine zweite Photovoltaikanlage geschaffen. Dafür halten die Stadtwerke die Hand auf. Christian Stewien will nicht zahlen. Zu Recht?

Grundsätzlich gilt: Die Stadtwerke müssen wissen, wieviel Strom ins öffentliche Netz eingespeist wird. Dafür müssen Zähler eingesetzt werden, jede der beiden Photovoltaikanlagen bekommt eigene Zähler. Dafür, dass diese Zähler montiert und in Betrieb genommen werden, forderten die Stadtwerke 371 Euro. Weitere 174 Euro sollte Christian Stewien dafür bezahlen, dass ein Mitarbeiter der Stadtwerke dabei ist, wenn die neue Anlage in Betrieb genommen wird. Nichts davon konnte er nachvollziehen.

„Es steht nirgendwo auf der Homepage der Stadtwerke, was so eine Leistung kostet“, echauffiert er sich. Er wirft den Stadtwerken mangelnde Transparenz vor, außerdem überteuerte Preise. Seinen Unmut teilte er den Stadtwerken mit und erntete großes Schweigen.

Nach vier Wochen war die Geduld des Bürgers am Ende und er wandte sich an Wolmirstedts Bürgermeisterin Marlies Cassuhn. Die ist gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzende der Stadtwerke, was üblich ist, da die Stadtwerke ein Tochterunternehmen der Stadt sind. Anschließend kam Bewegung in die Sache.

Christian Stewien bekam Post vom Geschäftsführer der Stadtwerke Harald Luther. Und siehe da: Die Stadtwerke ruderten zurück. Harald Luther räumte ein, dass eine „derart komplexe Einspeise- beziehungsweise Kundenanlage nicht im Portfolio“ sei. Die Folge: Die Stadtwerke korrigierten. Statt der 371 Euro, die für Zählereinbau und Inbetriebnahme gefordert wurden, blieben Null Euro übrig. Null.

Die Kosten seien bereits mit der jährlichen Messstellenbetriebsgebühr von 20 Euro abgegolten, heißt es grob gesagt in einem Schreiben, das der Volksstimme vorliegt. Diese Messstellenbetriebsgebühr wird im Volksmund Zählergebühr genannt.

Dennoch forderten die Stadtwerke weiterhin die 172 Euro, die Christian Stewien dafür bezahlen sollte, dass jemand dabei ist, wenn die zweite Photovoltaikanlage angeschaltet wird. Auch dagegen wehrt er sich.

Christian Stewien hat die Anlage durch einen Fachbetrieb einbauen und anschalten lassen. Deshalb sei davon auszugehen, dass alle Vorgaben eingehalten wurden. Heißt: Die Stadtwerke als Netzbetreiber können gerne noch einmal prüfen, aber Christian Stewien wird dafür nichts bezahlen.

Stadtwerke-Geschäftsführer Harald Luther hingegen beharrte zunächst auf seinem Standpunkt. Er begründete, die Stadtwerke als Netzbetreiber seien dafür verantwortlich, Unternehmen bei der Inbetriebnahme von Photovoltaik-Anlagen zu begleiten, um „etwaige negative Auswirkungen auf andere Netzkunden durch die Anlage im Vorfeld zu vermeiden.“

Diese Kontrolle kann Christian Stewien verstehen, sieht sie allerdings nicht als sein Problem an und sich für diese Kontrolle auch nicht finanziell in der Pflicht. Nach aktuellem Stand gibt ihm das Erneuerbare Energiegesetz (EEG) Recht. Im Paragraf 10 steht geschrieben, dass solche Anlagen vom Netzbetreiber, in diesem Falle den Stadtwerken, oder einer fachkundigen dritten Person, also einer Fachfirma, angeschlossen werden können.

Die Fronten sind verhärtet. Für solche strittigen Fälle wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie eine sogenannte Clearingstelle eingerichtet. Die Stadtwerke haben Christian Stewien gebeten, sich dorthin zu wenden. Doch auch das lehnte er ab und bat stattdessen die Stadtwerke, die Sache von dieser Clearingstelle bewerten zu lassen. Die streben dort eine Lösung an.

Noch gibt es keine Lösung, doch die Stadtwerke sind vorerst zurückgerudert. Die Photovoltaikanlage von Christian Stewien läuft. Die Stadtwerke verzichten vorerst darauf, die Anlage noch einmal in Betrieb zu nehmen und zu prüfen und somit auch auf die Kosten von 172 Euro.

Doch was passiert, wenn die Clearingstelle ermittelt, dass die Stadtwerke für die „Teilnahme an der Inbetriebsetzung der Einspeiseanlage“ tatsächlich kein Geld verlangen dürfen, wenn eine Fachfirma schon im Spiel war? „Dann“, stellt Harald Luther klar, „werden wir mit den betroffenen Photovoltaik-Anlagenbetreibern eine entsprechende Lösung herbeiführen.“ Wieviele solcher Anlagen es gibt, wieviele Betreiber also betroffen sein könnten, war von den Stadtwerken nicht zu erfahren