Sommerabenteuer Dem Bier auf der Spur

Eine exklusive Führung durch die Colbitzer Heidebrauerei haben am Mittwoch 15 Volksstimme-Leser erlebt.

Von Julia Schneider 14.07.2016, 01:01

Colbitz l „Keine Ahnung, wie warm es hier ist“, sagt Petra Haase. Mit 15 Gästen – allesamt Teilnehmer des Volksstimme-Sommerabenteuers – steht die Geschäftsführerin der Colbitzer Heidebrauerei im Sudhaus des Unternehmens. Erste Probesude wurden hier, so sagt sie, im Mai 2014 gemacht – einen Monat später wurde der Betrieb aufgenommen. Zuvor hatte die Colbitzer Traditionsbrauerei bereits einige schwierige Phasen hinter sich.

Die Heidebrauerei wurde 1872 von der Familie Ritter gegründet, bis zum Jahr 1959 war sie ein reines Familienunternehmen und wurde bis 1972 ausschließlich privat geführt. Dann wurde sie von der DDR jedoch komplett verstaatlicht, gehörte zum Getränkekombinat Magdeburg. 1991 kaufte die Treuhand die Brauerei zurück und rückübereignete sie den Urenkeln des Firmengründers – Familie Niemer. Diese modernisierte die Brauereianlagen mit einem Investitionsaufwand von rund 16 Millionen Mark (etwa 8 Millionen Euro).Nach dem überraschenden Tod von Claus Niemer 2002 übernahm Christian August die Geschäftsführung der Heidebrauerei. Im November 2012 musste diese jedoch Insolvenz anmelden.

Daraufhin gab es mehrere Bewerber, die das Unternehmen kaufen wollten – die Hofbrauhaus Wolters GmbH aus Braunschweig machte schließlich das Rennen. Dass das Sudhaus zu diesem Zeitpunkt nicht mehr funktionierte, komplett abgerissen und neu gebaut werden musste, von dieser Zeit sahen die Besucher gestern nichts mehr.

Sie schätzten die Temperatur in dem neuen Sudhaus auf rund 40 Grad. Mollig warm war ihnen, als Petra Haase die Vorgänge in dem Vier-Geräte-Sudhaus erläuterte. Der Zauber des Bierbrauens beginnt in Colbitz – wie auch in anderen Brauereien – völlig unspektakulär. Am Anfang steht zunächst nämlich das Malz. Es wird aus Erfurt oder Rostock angeliefert und in das Silo gesteckt, von da aus geht es in die Schrotmühle. „Da wird das Malz geschrotet und dann geht es zuerst in den Maischebottich“, erklärt Petra Haase während die ersten männlichen Besucher schon versuchen, durch die Luken der Bottiche etwas zu erkennen.

Im Maischebottich, der bis zu 55 Hektoliter Flüssigkeit fasst, wird der Malzschrot mit Brauwasser gemischt. Gebraut wird in Colbitz natürlich mit Heidewasser – „unser Wasser ist eines der besten Wasser Deutschlands“, erinnert Petra Haase die Gäste noch einmal. Sie kommen jedoch alle aus der Region und nicken wissend. Ziel des Maischens, so erklärt die Chefin des Unternehmens, sei es, die Inhaltsstoffe des Malzes zu lösen und die im Malzkorn enthaltene Stärke in Zucker umzuwandeln. Unter kräftigem Rühren und unter Einhalten verschiedener Temperaturstufen zwischen 52 und 78 Grad Celsius erfolge ein langsames Aufheizen der Maische, das die malzeigenen Enzyme aktiviere.

An nächster Stelle stehe, so Petra Haase, das Läutern. „Das müssen Sie sich so vorstellen, wie ein großes Kaffeesieb“, sagt die Geschäftsführerin. In Bottich Nummer zwei werden nämlich die nicht wasserlöslichen Bestandteile des Malzes, das sind vor allem die Umhüllungen des Malzkorns, abgetrennt. So entstehe eine reine, klare Flüssigkeit, genannt „Würze“, die die wertvollen gelösten Inhaltsstoffe des Malzes enthält.

In der „Würzepfanne“, dem nächsten Bottich, wird die Würze etwa 60 Minuten gekocht. Eigentlich komme erst dort der eigentliche Geschmack hinzu, sagt Petra Haase, denn in diesem Bottich wird die Mischung mit Hopfen versetzt. Die Hopfenbitterstoffe gehen in Lösung, durch den Kochprozess wird die Würze steril.

In dem letzten Bottich des Sudhauses, dem „Whirlpool“ – „hier schwimmen nicht etwa unsere Mitarbeiter drin, um sich zu entspannen“, klärt Petra Haase auf – werden die Hopfen- und Eiweiß-Rückstände abgetrennt. Über einen Kühler wird die Würze dann auf eine Temperatur von 12 Grad Celsius abgekühlt und gelangt anschließend zusammen mit der Hefe in den Gärtank.

Ganze zwölf zylindrokonische Gärtanks, so der Fachbegriff, mit einem jeweiligen Fassungsvermögen von 520 Hektoliter sind im Gärkeller der Colbitzer Heidebrauerei zu finden. „Erst ab hier spricht man vom Bier“, verrät Petra Haase. Da die Hefe erst beim Pumpen in die Tanks zugesetzt werde, setzen vorher nämlich noch keine Gärungsprozesse ein, es ist also noch kein Alkohol im Spiel.

Im Gärkeller hält sich der neunjährige Johannes die Nase zu. Gemeinsam mit Oma und Opa – Brigitte und Klaus-Dieter Balko aus Meitzendorf – ist der junge Magdeburger zur Besichtigung erschienen. Der Keller, wo das Bier entsteht, hat seinen ganz eigenen, süßlichen Geruch. Hier wartet Brauer und Mälzer Felix Simon schon auf die Besucher, die das Colbitzer Bockbier und das Pils verkosten dürfen. Sieben Tage lang dauert die Vergärung, danach wird die Hefe abgezogen. Sie kann für die nächste Gärung wiederverwendet werden. Das Bier wird nach der Gärung zum Reifen noch drei bis vier Wochen nachgelagert. Danach erfolgt die Filtration.

„Ich mag das Bier lieber ungefiltert“, erklärt Felix Simon bei einem Schwätzchen einigen Gästen. Er habe aber schon die Erfahrung gemacht, dass die Bierliebhaber in der Region naturtrübe Biere ablehnen, weil sie es von DDR-Zeiten kennen, dass ein Bier umkippen konnte. Je weiter man in den Süden Deutschlands komme, desto mehr werde wieder trübes, naturbelassenes Bier getrunken, so sagt Felix Simon.

Naturbelassen ist auch Petra Haases Stichwort. Sie erklärt, dass die Colbitzer Biere nicht pasteurisiert werden, sondern haltbar sind, wie sie nach der Filtration aus dem Tank kämen. Dafür müssten die Mitarbeiter der Heidebrauerei – insgesamt sind es mit Verwaltungskräften und Auszubildenden 23 – strengstens die Vorschriften verfolgen. Bier sei aber, wie Petra Haase sagt, ein Lebensmittel wie Brot. „Man sollte es möglichst frisch verbrauchen. Es ist zwar nicht verdorben, wenn das Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist, aber es gibt dann schon Geschmacksunterschiede“, weiß die Fachfrau, die in der vierten Generationen einer Brauer-Familie geboren wurde. Dunkel und kalt solle Bier gelagert werden. „Sauerstoff ist der größte Feind des Bieres“, sagt sie.

Deshalb werden die Flaschen auch mit Gegendruck befüllt. Das Bier dürfe beim Abfüllen nicht schäumen. Die Gäste bekommen die Waschmaschine zu Gesicht, in der die Flaschen penibel gereinigt werden, Etikettendrucker, Füllanlagen, Füllstandsprüfer. Gebraut wird an vier Tagen in der Woche, am fünften werden die Anlagen gereinigt. 12 000 bis 13 000 Flaschen laufen pro Stunde etwa durch die Füllanlage. Insgesamt produziert die Colbitzer Brauerei 80 000 Hektoliter Bier pro Jahr. Zu den Produkten Pils, Bock, Edel und Dunkel sind kürzlich noch alkoholfreies Bier, Radler und die „Colbis“ in 0,33-Liter-Flaschen hinzu gekommen. 6000 Hektoliter werden sogar ins Ausland exportiert. Dazu wird das Colbitzer beim Mutterkonzern in Braunschweig in Dosen abgefüllt und nach China und Chile verschickt.

Mit großen, überregional bekannten Brauereien, so gibt Petra Haase aber zu verstehen, könne sich die Heidebrauerei jedoch nicht messen. Die Geschäftsführerin ist ehrlich. Nach der Übernahme durch das Hofbrauhaus Wolters seien bereits vier Millionen Euro in die Brauerei investiert worden. „Die Banken wollen erstmal wieder Geld sehen, bevor sie für uns welches ausgeben“, umschreibt es Petra Haase. Deshalb sei momentan auch der Brauereikeller noch geschlossen, der für rund 100 000 Euro saniert werden müsse. Auch ihre Mitarbeiter, so gibt die Chefin zu, würden mehr Lohn verdienen, als sie derzeit erhalten. Zumindest, so antwortet Petra Haase auf eine Besucheranfrage, bekomme jeder Mitarbeiter 50 Liter Haustrunk im Monat frei. Das sei Bestandteil des Gehalts. Und auch gut. Denn „Bier“, so die Chefin, „ist einfach ein gesundes Grundnahrungsmittel.“

Das nächste Volksstimme-Sommerabenteuer führt Sie, liebe Leser, am kommenden Mittwoch, 20. Juli, zu „Börde Käse“ nach Vahldorf. Dort erfahren Sie von 10 bis 12 Uhr alles über die Käse-Produktion. 20 Teilnehmer sind dazu willkommen. Um sich anzumelden, füllen Sie den Coupon in der Printausgabe aus. Das Losglück entscheidet über Ihre Teilnahme. Gewinner werden am Montag, 18. Juli, benachrichtigt. Weitere Termine sind: Polizeirevier Börde in Haldensleben(27. Juli) und das DHL-Paketzentrum in Osterweddingen (3. August).