Sozialarbeit Der Jugendflüsterer

Dem Wolmirstedter Thomas Kohlmeyer liegt die Jugend am Herzen. Als Sozialpädagoge bei der Polizei bringt er Jugendliche wieder in die Spur.

Von Juliane Just 27.10.2018, 01:01

Wolmirstedt/Burg l Der Weg führt einen langen, dunklen Gang entlang. Zahlreiche Türen gehen von dem Schlauch ab, zahlreiche Polizisten eilen durch den Flur. Diesen Weg gehen einige Jugendliche, die am Ende des Tunnels auf die Lösung ihrer Probleme hoffen. Dort ist das Büro von Sozialpädagoge Thomas Kohlmeyer.

Gemütliche Korbsessel, ein Tisch mit Gebäck, ein freundlich dreinblickender Herr – das erwartet die jugendlichen Tatverdächtigen am Ende das Ganges. Was sie hier suchen? Sie wurden von der Polizei vorgeladen, haben ein Delikt begangen, sind in Schwierigkeiten. Ihre letzte Hoffnung: Der Mann im Korbsessel.

Der Wolmirstedter Thomas Kohlmeyer ist eher der Typ Ersatzpapa – nettes Lächeln, vertrauensvoller Blick, offene Ausstrahlung. Denn er ist, und das ist das Besondere an seiner Arbeit, kein Polizist. In Thomas Kohlmeyers Reich, der Jugendberatungsstelle (JUBP) der Polizei, werden keine Anzeigen geschrieben, keine Waffen gezückt und keiner verhaftet. „Hier geht es um Vertrauen“, sagt Thomas Kohlmeyer.

Dieses will der Sozialpädagoge zu allen Jugendlichen herstellen, die zu ihm kommen. Er ist Ansprechpartner für die Täter unter 21 Jahren, die irgendwie auf die schiefe Bahn geraten sind. Sein Ziel: Ihnen bewusst machen, was ihre Taten für die Zukunft bedeuten, ihnen den Spiegel vorhalten. „Ein Gespräch kann schon reichen, damit ein Ersttäter zu Vernunft kommt“, so der 57-Jährige.

Seit zehn Jahren bringt er Jugendliche in Burg auf die richtige Bahn zurück – obwohl er eigentlich Lehrer für Mathematik und Physik werden wollte. „Ich würde nicht hier sitzen, wenn wir keine Erfolge sehen würden“, sagt der erfahrene Sozialpädagoge. Fast jeden Tag sitzen auf den Korbstühlen in seinem Raum Jugendliche. Fast jeden Tag gehen sie mit einem bessere Gefühl aus dem Raum. Knapp 1500 Jugendliche hatten über die zehn Dienstjahre Kohlmeyers schon mit ihm zu tun.

Doch wie bringt der Sozialpädagoge die Jugendlichen zum Reden? „Es ist Fingerspitzengefühl gefragt“, beschreibt Thomas Kohlmeyer die Situation, wenn ein Jugendlicher den Raum betritt. Viele seien skeptisch. Ob traurig, lustig oder bockig – der Sozialpädagoge muss den richtigen Nerv treffen, damit sie mit ihm reden.

Ein Argument, das immer hilft: Er unterliegt der Schweigepflicht. Nichts von dem, was die jungen Tatverdächtigem ihm anvertrauen, verlässt den Raum. „Ich gebe den Jugendlichen das Gefühl, dass in diesem Raum niemand böse auf sie ist“, erzählt Kohlmeyer. Bei ihm wird niemand verurteilt, in eine Schublade gesteckt oder zum Gespräch gezwungen. Den Jugendlichen steht es auch frei, nach zehn Minuten wieder zu gehen – doch dann stehen die Chancen schlecht.

Bis ein Fall ein Erfolg werden kann, muss der Sozialpädagoge auch einige Rückschläge verkraften. „Viele Jugendliche, die hier sitzen, haben nicht nur eine Straftat begangen – sie haben ein zerstörtes Leben“, berichtet Kohlmeyer. Das ist für den Sozialpädagogen oftmals auch Arbeit auf allen Ebenen – im familiären Bereich, in der Schule, bei den Freunden.

Und manchmal lassen ihn die Schicksale auch nach dem Feierabend nicht los: „Viele der Jugendlichen haben in ihrem Leben schon Dinge erlebt, die man niemandem zumuten will.“ Das ist auch der Grund, weshalb die örtliche Trennung von Arbeit und Beruf wichtig für ihn sind. Als Sozialarbeiter in Wolmirstedt findet er keine Ruhe, das hat er bereits versucht. Und auch ein Jugendflüsterer braucht ab und zu mal Ruhe vor den jungen Wilden: „Wenn ich auf der Autobahn über die Elbe fahre, ist mein Beruf in Burg geblieben und mein Zuhause in Wolmirstedt wartet auf mich.“