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Soziales Ein Kinderbüro für das Frauenhaus

Im Wolmirstedter Frauenhaus ist ein Wunsch in Erfüllung gegangen: Es gibt eine neue Kollegin, die sich um die Kinder kümmert.

Von Gudrun Billowie 02.02.2018, 00:01

Wolmirstedt l Ein Kind tapst über den buntgestrichenen Flur des Frauenhauses. Schwarze Locken wippen im Takt der Schritte. Die selben Locken trägt auch die Mutter, die mädchenhaft wirkt und einen Wäschekorb schleppt. Sie lächelt und nichts deutet daraufhin, welche Gewalt sie erfahren hat. Darüber schweigen auch die Frauenhausmitarbeiterinnen, denn wer im Frauenhaus unterkommt, genießt einen besonderen Schutz.

Dort leben Frauen und Kinder, die geschlagen, wüst beschimpft wurden oder sexuelle Gewalt erlebt haben, meist innerhalb der Familie. Diese Gewalt in den eigenen vier Wänden traumatisiert und die Frauenhausmitarbeiterinnen helfen dabei, den Blick wieder nach vorne zu richten. Jetzt gibt es endlich auch eine Mitarbeiterin, die sich ausschließlich der Kinder annimmt. Zurzeit sind es fünf.

„Ich möchte mir für jedes Kind Zeit nehmen“, formuliert Bonni Albert-Hunger. Die Kindheitspädagogin hat ein Kinderbüro eingerichtet, das im Gegensatz zum „richtigen“ Büro nur den Jüngsten offensteht. Ihre Arbeitszeit passt sie so an, dass sie sowohl für die Kita-Kinder als auch für die Schulkinder da ist. Zurzeit widmet sie sich besonders den Jüngeren, die noch keinen Kita-Platz haben. Die Wolmirstedter Einrichtungen scheinen derzeit sehr voll zu sein.

Das bestätigt Rathaus-Mitarbeiterin Ines Rakowski. „Aufgrund der gestiegenen Kinderzahlen erleben wir, dass die Einrichtungen stärker ausgelastet sind.“ Allerdings hätten bisher alle Kinder einen Platz bekommen.

Bis es soweit ist, spielt Bonni Albert-Hunger intensiv mit dem Kind. Das verschafft auch der Mutter die dringend benötigte Atempause. „Natürlich sind in erster Linie die Mütter für ihre Kinder zuständig“, stellt Wladilena Engelbrecht klar, „dennoch braucht es jemanden, der die Seele der Kleinen unter die Lupe nimmt.“

Kinder haben die Gewalt miterlebt, sind sogar selbst Opfer geworden und bleiben nicht selten mit diesen Erfahrungen allein. „Die Mütter sind oft mit ihren eigenen Problemen so voll, dass sie ihren Kindern gar nicht richtig zuhören können“, weiß Wladilena Engelbrecht.

Dennoch: Sie und ihre Kolleginnen haben hauptsächlich die Frauen im Blick, das ist ihre Aufgabe, die erfordert viel Zeit. Da bleibt kaum etwas übrig, um intensiv auf die Not der Kinder einzugehen, ein Umstand der ihnen von jeher Bauchschmerzen bereitet.

 „Seit zehn Jahren kämpfen wir um eine zusätzliche Stelle für die Kinderbetreuung“, sagt Wladilena Engelbrecht. Im Oktober 2017 hat endlich das Land beschlossen, dass jedes Frauenhaus eine Zusatzstelle für die Kinderbetreuung bekommt. Bonni Albert-Hunger kann im Wolmirstedter Frauenhaus 20 Stunden lang tätig sein.

„Ich backe mit den Kindern Waffeln oder gehe auf den Spielplatz, versuche herauszufinden, was ihnen Spaß macht.“ Dabei hält sie Augen und Ohren offen, achtet auf das, was die Kinder nebenher erzählen. Dadurch erhält sie die Hinweise, erkennt, wo sie ansetzen kann. „Langfristig geht es immer darum, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen, dafür zu sorgen, dass sich die Muster nicht wiederholen.“ Bei Bedarf werden therapeutische Angebote vermittelt.

Auch bei den Frauen arbeiten Wladilena Engelbrecht, Carmen Rygalla und Ramona Petsch auf ein friedliches Leben hin. Durchschnittlich 44 Tage lang bleiben die Frauen im Frauenhaus und die Mitarbeiterinnen sehen es als Erfolg, wenn sie danach in ein eigenes Leben gehen, die gewaltsame Beziehung beenden. Lange hielt dieser Trend an, doch im vergangenen Jahr wendete sich das Blatt. Viele Frauen gingen wieder zu ihren Männern zurück.

Ein wenig hat das womöglich mit der Herkunft der Frauen zu tun. Inzwischen sind die Hälfte derer, die im Frauenhaus Schutz suchen, Migrantinnen. Auf diese besondere Situation haben die Frauenhausmitarbeiterinnen reagiert und die Nachbetreuung verlängert. Währte die bisher drei bis fünf Monate, werden die Frauen nun ein Jahr nach ihrem Frauenhausaufenthalt unterstützt.

Dazu gehört auch die Suche nach einem Arbeitsplatz. „Im vergangenen Jahr haben wir für fünf Frauen mit Migrationshintergrund einen Arbeitsplatz gefunden“, berichtet Wladilena Engelbrecht stolz, denn Frauen, die finanziell für sich und ihre Kinder sorgen können, entscheiden freier. Im Frauenhaus des Landkreises Börde finden acht Frauen und 13 Kinder gleichzeitig Platz. Es gibt Kinderzimmer, einen Entspannungsraum, Aufenthaltsräume. Träger ist der Verein „Rückenwind“, der seinen Sitz in Bernburg hat.

Manchmal erleben auch die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses Überraschungen. Die Mitglieder der Interessengemeinschaft Innenstadt richten seit vier Jahren ein Weihnachtsfest für all jene aus, die derzeit im Frauenhaus leben und arbeiten. Sie besorgen dafür den Weihnachtsbaum, Geschenke und mimen den Weihnachtsmann. Das rührt die Frauenhausbewohnerinnen und ihre Kinder sehr.

Außerdem spenden die Innenstadthändler Geld. „Das haben wir für einen Ausflug in den Harz mit Seilbahnfahrt und Zoobesuch verwendet“, erzählt Wladilena Engelbrecht. „Das war ein so schöner Tag für die Kinder und für die Mütter.“