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Städtebau Wie barrierefrei ist Wolmirstedt?

Die Teilhabemanager wollten auf Missstände aufmerksam machen. Dies sollte die stellvertretende Bürgermeisterin testen - und lehnte ab.

Von Gudrun Billowie 06.12.2017, 11:00

Wolmirstedt l Stufen, Bordsteine und andere Hürden können Menschen mit einer Behinderung den Weg durch die Stadt und zu öffentlichen Einrichtungen erschweren. Inwieweit das auf Wolmirstedt zutrifft, wollten Marcus Fahrenkampf und Hannah Giese herausfinden. Sie arbeiten als sogenannte Teilhabemanager und verfolgen das Ziel, das Bewusstsein für behinderte Menschen zu stärken und den Inklusionsgedanken zu festigen.

Dafür stellten sie der stellvertretenden Bürgermeisterin Marlies Cassuhn einen Rollstuhl vor die Füße und baten sie, sie möge eine Stunde lang im Rollstuhl durch die Stadtfahren und dabei Kopfhörer tragen. Beides soll das Gefühl simulieren, dass sowohl die Beine nicht mehr gehorchen als auch das Hörvermögen beeinträchtigt ist. Marlies Cassuhn lehnte diese Aktion ab.

Sie fühlte sich von diesem Wunsch überrollt, bot jedoch an, so einen Gang zusammen mit der Rathaus-Bauexpertin Simone Heiß zu begleiten. Das allein wiederum wollten die Teilhabemanager nicht und luden die beiden Rathausmitarbeiterinnen prompt für die Rundgang aus.

Nun stand er da, dieser Rollstuhl, die Kopfhörer lagen bereit. Dabei war sogar die Rehabilitationsbeauftragte des Bodelschwingh-Hauses gekommen, Annemarie Kock, die selbst blind ist, dazu Stephanie Hugo vom Bodelschwingh-Haus. Selbst Fernseh- und Rundfunkmitarbeiter waren vor Ort. Was also tun?

Teilhabemanager Marcus Fahrenkampf fasste sich ein Herz, setzte die Kopfhörer auf und sich in den Rollstuhl versuchte in die Postfiliale am Zentralen Platz zu gelangen. Trotz barrierefreier Auffahrt und einer Rampe, die eine Stufe in die Postfiliale überbrückt, gelang es ihm nicht. Die Tür ließ sich vom Rollstuhl aus nicht aufdrücken, der Rollstuhl rollte zurück. Nach mehreren Versuchen gab er auf. Anschließend zeigte Annemarie Kock, wie schwer es für blinde Menschen ist, die Bahnhofstraße in der Nähe des Bahnübergangs zu überqueren. Stephanie Hugo machte auf die vielen Barrieren im Bahnhofsbereich aufmerksam.

In Wolmirstedt spielen die Anliegen von Menschen mit einer Behinderung seit langen eine große Rolle. Gerade erst wurde der Gehweg der Gartenstraße so gestaltet, dass er bequem mit dem Rollstuhl befahren werden kann. Auch im Zuge des Bahnhofsumbaus nimmt die Stadt viel Geld in die Hand, um eine behindertengerechte Zufahrt in die Glindenberger Straße zu errichten. Das Stadtfest wurde lange zusammen mit dem Jahresfest des Bodelschwingh-Hauses gefeiert, bis das Bodelschwingh-Haus das Fest auf die eigene Wiese verlegte. Um auf weitere Barrieren aufmerksam zu machen, lud Marlies Cassuhn Annemarie Kock in den Stadtrat ein. Sie lehnte auch dieses Angebot ab.