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Steuern Grundsteuern in der Niederen Börde steigen

Nun ist es offiziell: Die Einheitsgemeinde Niedere Börde wird die derzeit wohl höchsten Hebesätze in ganz Sachsen-Anhalt haben.

Von Sebastian Pötzsch 05.03.2020, 08:00

Dahlenwarsleben l Die Diskussion um die neuerliche Beschlussvorlage zur Anhebung der Grundsteuern A und B im Gemeinderat hielt sich dieses Mal in Grenzen. Nur wenige Bürger waren gekommen, um die Causa Hebesätze in dem Gremium zu verfolgen. Einzig Volker Gleitsmann (CDU/SPD/FDP/EB), während der vergangenen Ratssitzung nicht anwesend, äußerte seine Meinung. Er drückte sein Missfallen an dem Vorhaben aus, die Grundsteuer A von 350 Auf 450 Prozent und die Grundsteuer B von 450 auf 700 Prozent zu erhöhen. Doch auch er sehe keinen anderen Weg und werde den entsprechenden Beschlussvorlagen zustimmen. Und es bedürfe intensiver Arbeit des Finanzausschusses, um die Anhebung in zwei Jahren wieder zurücknehmen zu können, eine Maßgabe seiner Ratskollegen.

Hierzu fragte Nico Stietzel (FWG/EB) noch einmal explizit nach. Denn in der Beschlussvorlage ist zu lesen: „Die Hebesätze für die Grundsteuer… gelten bis längstens zum 31.12.2024.“ Daraufhin bestätigte der Ratsvorsitzende Matthias Meinecke (CDU/SPD/FDP/EB): „Schon im Jahr 2022 wird alles wieder auf den Tisch gezogen. So ist es in der Haushaltssatzung festgeschrieben. Die Angabe des Jahres 2024 ist eine reine Formalie.“ Die habe etwas mit dem Konzept zur Haushaltskonsolidierung zu tun. Nur so würde die Kommunalaufsicht des Landkreises ihr Einverständnis geben.

Dann folgte die Abstimmung. Eine klare Mehrheit der Räte votierte für die Anhebung der Steuersätze. Nur David Wagner (AfD), Nils Schufft (FWG/EB) und Michel Ziep (CDU/SPD/FDP/EB) stimmten gegen die Beschlussvorlage, Volker Niemann (CDU/SPD/FDP/EB) enthielt sich seiner Stimme.

Trotz Widerstandes aus der Bevölkerung hatten die Kommunalpolitiker vor einem Monat im Zuge der Aufstellung einer aktuellen Haushaltssatzung mehrheitlich zunächst die Grundsteuern erhöht. Dem vorausgegangen waren monatelange Diskussionen in den politischen Gremien, bis sich mehrheitlich auf die neue Festsetzung der Hebesätze verständigt wurde.

Hintergrund ist ein Haushaltsloch von 1,3 Millionen Euro, im Jahr 2021 würden es sogar 1,5 Millionen Euro sein – ohne die Anhebung der Grundsteuern. Verwaltung und Ratsmitglieder machen mehrere Gründe dafür verantwortlich. So kämpft die Gemeinde schon seit Jahren mit einem strukturellen Defizit von rund 800.000 Euro, die nur über eine langfristige Finanzausstattung überwunden werden könne. „Wir geben nicht zu viel aus, wir bekommen zu wenig rein“, hatte Kämmerer Michael Kleine gegenüber der Volksstimme erklärt. Hinzu kommt eine sinkende Landeszuweisung für die beiden kommenden Jahre, weil die Gemeinde im vergangenen Jahr relativ hohe Gewerbesteuereinnahmen verzeichnen konnte. So sieht es das Finanzausgleichsgesetz (FAG) des Landes vor. Hat die Niedere Börde 2019 noch 977.000 Euro an Landeszuweisungen erhalten, werden es 2020 nur 810.000 Euro sein und im kommenden Jahr magere 75.600 Euro. Hinzu käme die stetig steigende Kreisumlage, deren Modalitäten auf dem Finanzausgleichsgesetz beruhten.

Dann kam vor drei Wochen die Nachricht, dass das Verfahren zur Änderung der Hebesteuersatzung neu aufgerollt werden muss. Hintergrund ist ein Verfahrensfehler der Verwaltung. Denn während der Beratungen über die Hebesteuersätze wäre ein eigenes, von der Haushaltssatzung getrenntes Anhörungsverfahren in den Ortschaftsräten nötig gewesen. Dies muss jedoch noch vor einer Beschlussfassung im Gemeinderat durchgeführt werden. Aus diesem Grund wurde entsprechend den gesetzlichen Vorschriften das Verfahren wiederholt. Es schloss die Anhörung in den Ortschaftsräten ein, obwohl deren Entscheidungen nur beratenden Charakter haben.

Die Klein Ammensleber, die Groß Ammensleber, die Dahlenwarsleber, die Meseberger sowie die Jersleber haben im Vorfeld der Gemeinderatssitzung für die Beschlussvorlage gestimmt, Letztere aber nur unter der Maßgabe, dass die Hebesätze in zwei Jahren wieder gesenkt werden. Die Gutensweger, die Samswegen und Vahldorfer Räte hatten eine negative Empfehlung abgeben.

Damit ist die Anhebung der Hebesätze beschlossene Sache, doch in Kraft treten wird die neue Satzung erst nach Veröffentlichung im Amtsblatt am 8. April. Dann werden die Steuern rückwirkend zum 1. Januar 2020 erhoben. Wer zuvor für sein Grundstück 220 Euro Grundsteuer B an die Gemeinde zahlte, wird bei einem neuen Hebesatz von 750 Prozent nun rund 367 Euro zahlen müssen. Auch Wohnungsmieter sind von der Erhöhung direkt betroffen, weil die neuen Werte auf die Miete umgelegt werden. So müssen Betroffene etwa 1,50 Euro pro Quadratmeter und Jahr mehr zahlen.

Unterdessen haben die Mitglieder des Gemeinderates im Anschluss an die Beschlussfassung über eine seit längerem angekündigte Resolution beraten. Die Erarbeitung dieses Papiers war Ende Januar auf Betreiben von Roland Küllertz (FWG) und Andres Leonhardt von der Großfraktion CDU/SPD/FDP/EB beschlossen worden.

Mit diesem Schritt wollen die Räte die Dramatik des Haushaltsdefizites der Kommune aufzeigen. Zudem fordern sie eine dringende Änderung des Finanzausgleichsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt. In den Vorgaben dieses Gesetzes sehen sowohl Politiker als auch Verwaltungsmitarbeiter die Gründe für die haushälterische Schieflage der Niederen Börde und anderer Kommunen im Land.

Das Papier soll nunmehr als offener Brief an die Landesregierung übergeben werden. Wie Rätin Daniela Lehmann (CDU/SPD/FDP/EB) gegenüber der Volksstimme berichtete, ist das Schreiben offiziell mit einem Briefkopf versehen. Unterschriften von Bürgermeister Müller und Gemeinderatsvorsitzenden Meinecke fehlten noch. Der genaue Wortlaut ist bisher nicht veröffentlicht worden.