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Studentenprojekt Ohre braucht Treppen für Fische

Die Ohre braucht Überflutungsflächen und Uferbewuchs - das hat Professor Volker Lüderitz von der Hochschule Magdeburg-Stendal erarbeitet.

Von Gudrun Billowie 04.03.2016, 00:01

Wolmirstedt l Volker Lüderitz beschäftigt sich als Professor der Hochschule Magdeburg-Stendal mit dem Zustand der Ohre. Gemeinsam mit Studenten hat er geprüft, wie es den Lebewesen in diesem Gewässer geht. Nach über 25-jähriger Forschungstätigkeit weiß er, dass die Fische es noch weitaus besser haben könnten als bisher. Sie brauchen freiere Bahn zum Schwimmern, bessere Sauerstoffversorgung und mehr Futter.

Die Ohre ist ein 103 Kilometer langer Fluss, entspringt oberhalb des Drömlings und mündet bei Rogätz in die Elbe. Für Fische gleicht der Weg dorthin einem Hürdenschwimmen. Plötze, Hasel, Döbel und Co. müssen bis zur Mündung 22 Wehre passieren, die meisten davon gelten als nicht fischdurchgängig. Die Fischfauna wird somit im Verlauf der Ohre immer ärmer, strömungsliebende Karpfenfische beispielsweise gehen unterwegs weitgehend verloren.

Volker Lüderitz würde das am liebsten sofort ändern und hat mit den Studenten einen Plan entwickelt. Demnach sollen an den Wehren durch Aufschütten von grobem Kies Gleiten entstehen, eine Art Fischtreppe also, über die auch Kleinfische wie Gründlinge wandern können. Im Drömling gibt es solche Fischaufstiegsanlagen bereits. Das wichtigste Projekt der nahen Zukunft soll das Wehr in Jersleben sein. Dort soll unter anderem auf beiden Seiten ein Gewässerschonstreifen entstehen, zehn Meter jenseits beider Ufer sollen Bäume und Sträucher den Fluss schützen.

Der Bewuchs soll dazu dienen, dass der Boden nicht von Wind und Regen in den Fluss getragen wird. „Erstreckt sich Acker bis ans Ufer, verschlammt das Gewässer und das wäre für Fische kein guter Lebensraum“, macht Volker Lüderitz auf die Folgen der Landwirtschaft in Ufernähe aufmerksam. Aus der Sicht des Naturschutzes wäre es laut Volker Lüderitz besser, die Landwirte würden ein wenig vom Ufer wegrücken. Dass ein zehn Meter breiter Gewässerschonstreifen die Bauern wirtschaftlich belasten würde, ist ihm klar. Er schlägt vor: „Das Land müsste dafür entschädigen.“

Bei der Wahl der Bäume haben er und die Studenten konkrete Vorstellungen entwickelt. „Schwarzerlen und Weiden wären ideal. Sie beschatten und dienen der Totholzbildung.“ Totes Holz ist wichtig, weil sich darin Kleingetier entwickelt, Köcherfliegen oder Krebse, das Lieblingsmahl der Fische. Krebse mögen Erlenblätter und so schließt sich der Kreis.

Auf Wehre gänzlich zu verzichten, so weit will die Forschungsgruppe trotz der Schwierigkeiten für Fische gar nicht gehen. „Wehre brauchen wir, um im Sommer Wasser anzustauen“, erklärt Lüderitz, „der Wasserdruck der Ohre stabilisiert die Ufer.“ Im Frühjahr müssen Wehre geöffnet werden, damit Schmelz- und Niederschlagswasser abfließen kann.

Dennoch unterschiedet sich die Tierwelt oberhalb und unterhalb der Wehre stark. Oberhalb der Schleusen bildet sich durch Rückstau Faulschlamm, in dem sich Lebewesen nicht wohl fühlen. Unterhalb der Wehre wird verstärkte Erosion des Gewässerbodens beobachtet, das Wasser reißt die Schichten einfach mit.

Die Forschungsgruppe um Volker Lüderitz plädiert außerdem für große Überflutungsflächen. „Aufgrund des niedrigen Gefälles braucht der Fluss den Platz, auf dem er sich bei Hochwasser ausbreiten kann.“

An der Wolmirstedter Ohrepromenade kommt der Flussbereich dem Ideal schon sehr nahe. Kopfweiden am Ufer und breite Überschwemmungsflächen sind schon so gestaltet, wie sich der Professor das auch woanders gern vorstellt.