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Landkreis Börde Archäologen finden Reste alter Siedlungen

Archäologen haben in Barleben Reste von auf Siedlungen verschiedener Epochen gefunden. Sie geben Aufschluss auf das damalige Leben.

Von Sebastian Pötzsch 07.08.2020, 01:01

Barleben l Auf dem besagten Areal sieht es aus wie in einer Mondlandschaft. Etliche Tonnen Erde sind bereits bewegt worden, große Haufen türmen sich in die Höhe. Überall verstreut wurden mehrere Kuhlen ausgehoben. Darin, tief vornüber gebeugt, sind mehrere Leute damit beschäftigt, dem Boden Objekte aus längst vergangenen Zeiten abzuringen.

Einfach ist die Arbeit dieser Tage nicht. Das Thermometer zeigt stattliche 45 Grad Celsius an. Die Sonne brennt, der Wind ist heiß. Mit Sonnencreme und Kopfbedeckung schützen sich die Arbeiter vor der Glut.

Noch vor Beginn der eigentlichen Aushubarbeiten für den Horiba-Bau war zunächst ein Bagger angerollt. Mit diesem hatte ein Mitarbeiter des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie in Halle mehrere hundert Meter lange, etwa drei Meter breite und einen halben Meter tiefe Schneisen ausgehoben. „Das war ein erster Dokumentationsschnitt, wie er in der Baugenehmigung vorgeschrieben ist. Und tatsächlich waren erste Befunde aufgetaucht“, erklärt Grabungsleiterin Anja Tuschwitz. Vor gut einem Monat ist die Archäologin im Auftrag des Landesamtes angereist, um mit einem Team aus Grabungsarbeitern den ersten Funden weitere folgen zu lassen.

Seit vier Wochen nun legt die Gruppe nach und nach Objekte frei, sodass die Grabungsleiterin bereits erste Schlüsse ziehen konnte. „Wir sind bisher auf Reste von zwei Siedlungen gestoßen. Eine stammt aus dem Neolithikum, also der Jungsteinzeit, die andere aus der römischen Kaiserzeit“, erklärt Anja Tuschwitz.

Die Siedlung der Jungsteinzeit befand sich östlich auf dem Gelände, ganz nah am Flüsschen Sülze. Dieses, so scheint es, muss einstmals etwas größere Ausmaße gehabt haben, als heute.

„Früher haben Menschen immer in der Nähe von Wasserstellen gesiedelt. Auch der gute Bördeboden wird ein Grund für die rege Siedlungstätigkeit in diesem Gebiet gewesen sein“, weiß die Archäologin zu berichten. Die nun gemachten Funde weisen darauf hin, dass das Gewässer die Grundlage für die damals hier lebenden Menschen bildete.

Besonders interessant für Archäologen sind die Abfallgruben aus vergangenen Jahrhunderten. Sie enthalten den so genannten Siedlungsabfall, der Aufschluss über das damalige Leben geben kann. Auch in Barleben wurden die Wissenschaftlerin und ihre Helfer fündig. Dunkel gefärbte Stellen im Bördeboden mit einem Durchmesser von ein bis zwei Metern weisen dabei den Weg.

Schicht für Schicht haben sich die Ausgräber innerhalb dieser Areale vorgearbeitet und sind so unter anderem auf Fragmente mehrerer Keramikgefäße gestoßen. „Das Muster kann ganz eindeutig der ‚Schönfelder Kultur’ zugeordnet werden“, erklärt Anja Tuschwitz dazu. Mit „Schönfelder Kultur“ wird eine archäologische Kulturgruppe des späten Neolithikums, also der späten Jungsteinzeit, auf dem Gebiet des heutigen Deutschland bezeichnet. Diese Menschen lebten etwa zwischen 2800 und 2200 vor Christus. Die typischen Muster auf den Keramikgefäßen wurden vor dem Brand mit kleinen Werkzeugen in den Ton gedrückt, geritzt und gestochen.

Doch haben die Archäologen in den Abfallgruben im Technologiepark in Barleben noch weit mehr gefunden. „Wir sind auf viele Schalen einer Muschelart gestoßen, die offenbar als Nahrung diente“, erzählt die Grabungsleiterin und wartet mit einer interessanten Information auf: „Dabei handelte es sich um die Flussmuschel. Doch diese Art kommt heute nicht mehr in der Sülze vor, sie ist hier ausgestorben. “

Zudem ist das Team auf Werkzeuge aus Feuerstein gestoßen.

Einer der Ausgrabungsarbeiter ist Torsten Kiesler. Er hilft nicht das erste Mal bei archäologischen Kampagnen. „Für mich ist das eine Passion“, erzählt er, während er sich am Profil einer alten Grube vorarbeitet. „Ich finde es interessant, auf Spuren unserer Vorfahren zu stoßen.“

Neben den Abfallgruben sind die Ausgräber auch auf Reste eines Hauses gestoßen. Für Laien nur zu erahnen: Mehrere Löcher in Reih und Glied sind die Übrigbleibsel von Pfosten eines Gebäudes, wie sie in der Mitte des dritten Jahrtausends vor Christus gebaut wurden.

Nur etwa 50 Meter von den Funden aus der Jungsteinzeit sind die Archäologen auf einer weitere, viel jüngere Siedlung gestoßen. Wieder sind es Keramikfragmente, an denen sich die Zeit eingrenzen lässt. Auf einem Teil eines flaschenartigen Gefäßes sind verschiedene Muster wie ein umlaufendes Band im oberen sowie Dreiecke aus punktgestochenen Linien im mittleren Bereich zu erkennen. „Das lässt darauf schließen, dass die Siedlung aus der römischen Kaiserzeit stammt“, führt die Wissenschaftlerin aus. Das könnte bedeuten, dass sich an den Ufern der Sülze in der Zeit zwischen 15 und 325 nach Christus die Sippe eines germanischen Stammes nieder ließ.

Die an den Keramikteilen anhaftende Erde ist bereits gesichert worden. Dazu musste das Material vorsichtig von den Innenseiten der Scherben abgeschabt und anschließend gut verpackt werden. „Die Proben gehen ins Labor, um dort näher untersucht zu werden“, erzählt die Grabungsleiterin. Sie erhofft sich auf diesem Wege, nähere Aufschlüsse beispielsweise über die Ess-Kultur der damals lebenden Menschen. Erste Ergebnisse könnten bereits in den kommenden Wochen vorliegen.

Während der Ausgrabungen ist das Team auf weitere Objekte gestoßen. „Wir haben Schlacke gefunden. Das deutet darauf hin, dass hier vor knapp 2000 Jahren bereits Eisen verhüttet wurde“, sagt Anja Tuschwitz.

Noch längst nicht sind die Wissenschaftlerin und ihre Helfer fertig. „Wir befinden und gerade mitten drin. Ich denke, bis Mitte September haben wir hier noch gut zu tun“, sagt Tuschwitz. Und sie ist sich sicher, bis dahin auf weitere interessante Funde zu stoßen.