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Wolmirstedt Die Frau, die einen Salzsee anlegt

Warum das Wasser der Deponie in Farsleben (Landkreis Börde) nicht versickern darf und wo die Flaschenpost bleibt:

Von Gudrun Billowie 05.09.2020, 01:01

Wolmirstedt l Behutsam legt Britta Andritzke eine Flaschenpost für die Nachwelt zwischen die Steine. Die liegen auf dem Grund eines künftigen Salzsees. In ihrer Flaschenpost erzählt die junge Frau, wie dieser Salzsee entstanden ist, wer daran beteiligt war. Dann läuft aus einem Rohr Wasser über die Flasche. Bald wird sie von Salz bedeckt und von Schilf überwachsen sein. Doch was hat es mit diesem Salzsee auf sich?

Dieser Salzsee entsteht auf dem Gelände der Farsleber Deponie der Firma Papenburg. Er soll bei der Reinigung des Wassers helfen, das im Laufe der Zeit bei einer Deponie der Klasse 1 anfällt.

Auf einer Deponie Klasse 1 landet unter anderem Bauschutt, abgerissene Häuser, Hallen oder Schuppen. Auch ausgehobener Boden wird dort gelagert.

Die Auflagen fordern, dass keine schädlichen Stoffe in die Umwelt gelangen dürfen, nicht in den Boden, nicht ins Grundwasser. Als schädlicher Stoff gilt unter anderem Salz, das bei Regen besonders aus Gips herausgewaschen wird. Deshalb sind solcherlei Deponien nach unten hin abgedichtet. Doch wohin mit dem gesammelten salzigen Wasser, wenn es im Boden nicht versickern darf und kann?

„Bisher haben wir es per Lkw zu anderen Deponien gebracht“, berichtet Niederlassungsleiter Carlo Hinze, „seit 2014 waren allein deshalb etwa 500 Lkw unterwegs.“ Diese Transport- und Entsorgungskosten für das Sickerwasser wolle er sparen und hat sich deshalb an die Hochschule Magdeburg-Stendal gewandt. „Ich habe jemanden gesucht, der einen anderen Weg findet, das salzhaltige Sickerwasser zu entsorgen.“ Damit hatte die angehende Ingenieurökologin Britta Andritzke das Thema für ihre Masterarbeit gefunden.

Die Magdeburgerin zeigt in einer Versuchsanlage, wie sie die optimale Variante gesucht und gefunden hat. Vier Becken stehen nebeneinander, alle sind mit Salzwasser gefüllt und mehr oder weniger mit Pflanzen bewachsen. „Wir haben getestet, welche Pflanzen am besten gedeihen und sich am besten zur Reinigung des Salzwassers eignen.“

Am Ende hat sich Schilf durchgesetzt. Schwertlilien haben sich im Salzwasser nur sehr spärlich entwickelt und auch Strandpflanzen, die sich an der Ostseeküste wohlfühlen, haben nicht den gewünschten Effekt gebracht. Schilf hingegen habe sich gut entwickelt und wird nun den neuangelegten Salzsee erobern.

Damit wird viel Arbeit der Natur überlassen. Der Seeboden ist mit einer Spezialfolie abgedichtet, das Wasser kann nur nach oben aufsteigen, in der Sonne verdunsten. Das Schilf begünstigt die Verdunstung. Die pflanzliche Hilfe ist offenbar nötig, denn, so erklärt Britta Andritzke, Salzwasser verdunstet ohnehin schwerer als Süßwasser, weil es gesättigter ist. Am Ende bleibt das Salz auf dem Boden zurück und sammelt sich dort. Der salzige See ist 30 Meter breit und 45 Meter lang.

„Wir erleben nicht oft, dass das Ergebnis einer Masterarbeit so groß und sofort sichtbar ist“, freut sich Professor Jürgen Wiese, der Britta Andritzke bei ihrer Masterarbeit begleitet hat. Zwar seien die Themen, die an der Hochschule Magdeburg-Stendal bearbeitet werden, immer sehr praxisnah, aber nicht immer finden sie sofort den Weg ins „richtige“ Leben.

Irgendwann wird die salzige Schicht am Seeboden so dick sein, dass sie entfernt werden muss. „Dann“, sagt Britta Andritzke, „wird das Salz auf einer Deponie landen.“ Wie lange das dauert, ist noch unklar. Das erfordert weitere Untersuchungen. Klar ist, wird eines Tages das Salz vom Boden entfernt, kommt auch die Flaschenpost wieder zum Vorschein.

Bauschutt und Bodenaushub, die auf einer Deponie der Klasse 1 landen, dürfen „mäßig“ belastet sein. Auf einer Deponie der Klasse 0 landen die selben Stoffe, deren Belastung aber nur als „gering“ eingestuft werden darf. So eine Deponie der Klasse 0 soll in Farsleben errichtet werden.

Sie soll innerhalb von 30 Jahren auf 25 Meter anwachsen und zwei Millionen Kubikmeter Abfall aufnehmen. Die Pläne für diese neue Deponie haben in der Bevölkerung bereits für reichlich Unmut gesorgt. Eine Genehmigung dafür ist noch nicht erteilt. Matthias Wilcke, Leiter des Umweltamtes beim Landkreis Börde, sagt: „Das Verfahren läuft.“

Britta Andritzke freut sich auf ihr Berufsleben. Sie wird sich weiterhin für nachhaltige und ökologische Lösungen einsetzen. Für ihre Masterarbeit hat sie übrigens die Note 1,4 bekommen.