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Hochwasser in Poleymühle Nach zwei Jahren erst halb fertig

In der Elbeflut 2013 besuchte Reporterin Arlette Krickau Erika Schmidt und Horst König in Poleymühle. Wie geht es ihne heute?

Von Arlette Krickau 05.08.2015, 11:07

Walternienburg/Poleymühle l Es war mindestens genauso heiß wie vor zwei Jahren, als ich bei Erika Schmidt und Horst König wieder vor dem Gartentor stehe. Unangekündigt. Freundlich werde ich trotzdem hereingebeten.

Anfangs laufe ich an einer frisch geputzten und gestrichenen Außenwand entlang, bis wir zu der kleinen Sitzecke im Garten kommen, wo ich auch damals mit ihnen saß. „Ganz fertig sind wir noch nicht, aber wir wollen zufrieden sein“, sagt Erika Schmidt.

Vor zwei Jahren hatte das Wasser in ihrem alten ausgebauten Industriebau mehr als kniehoch gestanden. Als das Wasser zurückging, war der Schaden groß. Ich habe die beiden in einem Ausnahmezustand kennengelernt, als alles aus ihrem Haus raus war. Nicht nur die Möbel, sondern auch die Fußböden waren herausgebrochen, die Tapeten ab, teilweise wurden sogar Mauern herausgenommen. Das ältere Pärchen hatte sich damals einen Wohnwagen gekauft, in dem sie während der Sanierungsarbeiten wohnten.

Damals titelte ich in der Zeitung „Mit viel Glück Weihnachten wieder im Haus“ – das hat nur bedingt geklappt, wie ich dann erfahre. „Als es dann schon kalt wurde im November, da haben die Arbeiter zumindest das Schlafzimmer für uns fertiggestellt“, sagt Erika Schmidt und lächelt. Dann war Schlafen im Haus, Raustreten auf die Baustelle und weiteres Leben im Wohnwagen angesagt.

Doch dass sich die Arbeiten noch lange ziehen würden, damit hatten sie nicht gerechnet, denn fertig sind sie immer noch nicht. „Es wurde letztlich zu schnell gearbeitet, nicht lang genug getrocknet. Noch in diesem Jahr wollen wir einige Wände neu putzen oder tapezieren lassen, weil alles wieder runterkommt“, erklärt Horst König.

Ich sehe, wie sich die Tapete an den Außenwänden des Hauses wieder löst. Gar nicht passend zu den sonst gemütlich eingerichteten Wohnräumen. In dem Raum, in dem ich vor zwei Jahren stand, ist heute eine Wohnstube. Etwas verändert von den Grundzügen – eine Mauer wurde versetzt. Erika Schmidt sieht zufrieden damit aus.

Doch nur die Hälfte des Hauses wurde bisher saniert. Beim Gang zur Sitzecke fiel mir bereits auf, dass die frische Farbe genau nach der Hälfte des Hauses aufhört. „Für mehr hat das Geld der Versicherung nicht gereicht“, sagt sie. Sich mit Versicherung und Gutachtern auseinander zu setzen, zehrt an ihren Nerven. „Ich bin ganz schön fertig nach all den Sachen, möchte mich eigentlich nicht mehr mit Versicherungen beschäftigen“, sagt sie.

Aber sie haben von Erika Reifarth aus Walternienburg Unterstützung bekommen. Sie hat auch anderen Flutopfern unter die Arme gegriffen, vor allem wenn es ums Anträgeschreiben und um Gutachter ging. „Sie hat uns Mut gemacht, dass wir das noch hinbekommen. Ihr sind wir wirklich sehr dankbar.“

Dass noch dringend Bedarf ist, ist deutlich zu sehen. Horst König zeigt auf Risse in der Wand. „Weil es abgesackt ist“, kommentiert er. Auch ohne dass er weiter zeigt, sehe ich immer mehr Risse, als wir um das Haus gehen, an der Giebelseite blättern Putz und Farbe ab. An der Werkstatttür ist auf etwa einem halben Meter Höhe mit schwarzem Filzstift ein Strich gezogen, an dem 6.6.2013 steht. „Bis hier stand das Wasser, den Strich hab ich selbst gemacht“, erzählt mir Erika Schmidt.

Mittendrin lächelt sie immer wieder. Richtig strahlen tut sie aber, als sie von Jever berichtet. „Die netten Leute von der Zeitung dort, die haben uns angerufen und haben gefragt, wie es uns geht und ob uns noch was fehle und ob sie uns helfen könnten. Einfach so“, erzählt sie.

Der bescheidene Eindruck, den ich von ihr habe, bestätigt sich, als sie weiter erzählt. „Unsere Haustür war hin. Es war schon Herbst, das Laub flog hinunter, es zog überall, und ein neuer Tritt fehlte – das erzählte ich. Und dann haben die uns ganz unkompliziert Geld überwiesen, und wir konnten uns bis zum Winter eine neue Tür einbauen.“ Es sei sogar noch etwas Geld über gewesen, von dem sie noch ein wenig Außenfassade bezahlen konnten. Wann das Geld für die jetzt noch unfertige Fassade kommt, wissen sie nicht genau, hoffen aber auf noch dieses Jahr.

Als wir mit der Hausrunde fertig sind, frage ich nach dem Wohnwagen, den man nirgends mehr sehen kann. „Den haben wir wieder verkauft – leider mit Verlust“, sagt Horst König.

Nachdem ich die Geschichte gehört und das Haus gesehen habe, und die beiden trotzdem so zufrieden antreffe, lässt es meine Bewunderung noch wachsen. Ich selbst habe schon vor zwei Jahren gesagt, dass ich es wahrscheinlich nicht angepackt, mir der Mut gefehlt hätte. Ich hätte mir eine Wohnung gesucht und wäre umgezogen. „Ein Umzug nach Zerbst, ach, das wäre nichts für uns gewesen. So eine Wohnung und dann schauen wir vom Balkon auf den Parkplatz – das ist nichts für uns.“