1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Zerbst
  6. >
  7. Zerbster Klinik 130 Jahre alt

EIL

Tag der offenen Tür Zerbster Klinik 130 Jahre alt

Zu einem Tag der offenen Tür war Sonnabend in die Zerbster Helios-Klinik eingeladen worden.

04.10.2015, 18:15

Zerbst l Dass Dr. Karsten Beyer seinen Beruf aus Leidenschaft macht, ist für jeden sofort zu erkennen. Der bullige Mann, knapp zwei Meter groß, steht am Rettungswagen vor dem Eingang der Zerbster Helios-Klinik und erklärt unermüdlich die Gerätschaften, den Wagen und den Alltag als Notarzt. Als die beiden Schülerinnen Maria Reßler und Lisa Weigelt ihm erzählen, dass sie eigens aus der Nähe von Halle angereist seien, um am Tag der offenen Tür dabei zu sein, denn sie wollen einmal Medizin studieren, ist er begeistert. Das sei ein harter Weg, sagt er den beiden Schülerinnen, „aber ich habe meinen Entschluss, Arzt zu werden, nie bereut. Zwei Jahre lang müsst ihr Bücher wälzen und es kommt der Tag, an dem ihr euch fragt, was das alles soll. Aber nach den zwei Jahren seht ihr zum ersten Mal Sonne. Dann kommt der erste Patientenkontakt, und ihr werdet dafür belohnt.“

Er selbst habe einige Wartesemester damit überbrückt, in der Klinik zu helfen. „Einmal kam ein Verunfallter herein, der damalige Notarzt betreute ihn. Es war ziemlich schlimm. Als ich den Mann nach drei Wochen draußen wieder herumlaufen sah, wusste ich: Das willst du auch machen.“

Noch heute sei sein Credo, dass der Patient in einem besseren Zustand in der Klinik ankommen soll, als er ihn abgeholt habe. „Manchmal sagen welche, dass es ihnen so gut gehe, dass wir eigentlich umdrehen könnten. Das sind natürlich tolle Momente.“ Klar, der Beruf habe auch Schattenseiten. Dienste am Wochenende und an Feiertagen seien normal. Und es gibt auch Schicksalsschlage, beispielsweise, wenn man den Eltern erklären müsse, dass ihr Kind verstorben ist. „Das ist hart. Das vergisst du nicht. Das bleibt für immer“, sagt der Arzt. Die schönen Momente jedoch würden überwiegen.

Die Mädchen nicken. Sie blicken auf die Uhr und sagen, sie müssten gehen, denn sie wollen zu einem Vortrag über Erste Hilfe nicht zu spät kommen. „Sehr gut, keine Sorge, das tut ihr nicht“, sagt Beyer. Denn den hält der Chefarzt für Anästhesiologie selbst.

Im Flur des Klinikums haben alle Stationen kleine Stände aufgebaut. Zahlreiche Besucher tummeln sich in den Gängen und bleiben interessiert stehen. Oberarzt Dr. Falk Schuhmann steht an einer Gerätschaft mit Monitor.

Das Endoskop gibt er den Besuchern in die Hand, sie sollen damit den Inhalt einer Schachtel untersuchen, die er vorbereitet hat. Gar nicht so leicht, wie sich herausstellt. Allerdings hat der Arzt dort auch Paprikakerne und andere kleine Dinge versteckt, die erst nach mehrmaligem Beleuchten auf dem Bildschirm erkennbar werden. Selbst Gummibärchen sind erst zu erkennen, wenn die Kamera sehr nah herangeführt wird. Ein geübtes Auge braucht der Umgang mit dieser Technik schon, erkennen alle, die sich daran versuchen.

Gut zu sehen ist hingegen ein überlebensgroßes Modell eines Darms. Es ist so groß, dass die Besucher aufrecht durchgehen können. Gesundes Gewebe, Polypen, Tumorgewebe ist gut zu erkennen. Privatdozent Dr. Gerald Drews betreut den Stand. Sein Anliegen: „Mehr Menschen sollen zur Darmkrebs-Vorsorgeuntersuchung kommen.“ Ab dem Alter von 55 Jahren werde die Vorsorgeuntersuchung empfohlen, erklärt er. Polypen können noch während der Untersuchung entfernt werden. „Sie werden mit einer Schlinge abgetrennt“, sagt er. Aus diesen könne nämlich Krebs entstehen, abgetrennt seien sie harmlos. Doch wie unangenehm sei denn so eine Untersuchung nun? „Fast gar nicht. Wir haben mittlerweile die Möglichkeit, alles sozusagen zu betäuben, dass es sich eigentlich neutral anfühlt.“ Eine Frau, die gerade in Prospekten an seinem Stand blättert, pflichtet ihm bei.

„Ich hab es im vergangenen Jahr gemacht. Das ist wirklich nicht schlimm. Ich kann es jedem empfehlen. Nun hab ich Ruhe“, sagt sie. Zwei Jahre, wenn Polypen gefunden wurden, sogar zehn Jahre, wenn alles in Ordnung war. Der Aufwand sei auch gering. „Wenn ich um 8 Uhr den Termin habe, bin ich mittags wieder zuhause“, erklärt sie. „Wer das einmal gemacht hat, kommt auch immer wieder“, erzählt der Mediziner. Denn sie wissen, dass es nicht schlimm ist. 800 bis 1000 solcher Vorsorgeuntersuchungen werden im Krankenhaus im Jahr gemacht. „Das klingt viel, ist aber viel zu wenig“, macht Dr. Drews deutlich. Man gehe davon aus, dass lediglich drei bis fünf Prozent der Menschen zur Vorsorge gehen. Männer weniger als Frauen.

Selbst wenn bösartiges Gewebe gefunden werde, gebe es gute Chancen der Heilung. Unbehandelt könne der Krebs streuen, Leber und andere Organe können dann befallen werden. Die Behandlungschancen seien dann wesentlich schlechter, mahnte der Arzt.

Wenige Meter weiter erklärt Kerstin Schüler einigen Kindern den Geburtsvorgang mit einer Puppe und einem Beckenknochenmodell. „Und wenn der Kopf draußen ist, dreht sich das Kind zu Mamas Schenkel und wir heben es dann so heraus“, sagt sie und zeigt die Bewegung, die das Kind befreit. „Deshalb heißen wir Hebammen“, sagt sie und lächelt. Viele Besucher hatten sich am Hebammenstand für die Arbeit interessiert, erzählt sie. Auch viele Kinder. Dass diese die Mär von dem Storch glauben, stimme nicht.

„Die Kinder sind schon sehr aufgeklärt“, fügte sie an. Alte Hebammenkoffer und ein Geburtenbuch von 1936 zeigten die Frauen den Besuchern ebenfalls. Noch heute wird das Buch handschriftlich geführt. Aber es gibt eine digitale Kopie.

Ein eigentümlicher Anblick bietet sich derweil in der zweiten Etage. Dort steht eine Gruppe von fast 30 Menschen in Kitteln, Hauben und Schuhüberziehern. Es geht in den OP-Saal. „Wir sind wirklich überwältigt“, erzählt die Leitende OP-Schwester Birgit Giehl. „Wir wollten drei Führungen für etwa zehn Leute anbieten. Diese hier ist unsere sechste.“

Ein Teddybär dient als Patient, der im Vorraum des OPs die letzten Vorbereitungen bekommt. Die Schwestern zeigen, wie der Teddy zugedeckt wird und welche Handgriffe es zu tun gibt. Im OP selbst können die Besucher versuchen, mit den OP-Besteck einen Babyschuh zuzuknoten. Den sehen sie allerdings nur auf dem Bildschirm. „Da kann sich jeder selbst ausprobieren, wie viel Geschick dazu notwendig ist“, sagt sie.

Bis zum frühen Nachmittag zeigte die Belegschaft ihren Arbeitsplatz. Hunderte Besucher nahmen das Angebot an.