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Zirkus Eine ganz eigene Welt

Der Zirkus ist eine eigene Welt. Für die Zirkusfreunde in Zerbst ist das so faszinierend, dass sie sich sogar alte Aufnahmen ansehen.

Von Sebastian Siebert 04.01.2016, 18:00

Zerbst l Wenn Klaus Thielen vom Zirkus erzählt, ist es schwer ihn zu unterbrechen. Seine Leidenschaft lässt ihn schwärmen. „Früher“, erzählt er, „nannte man die Sportler die Diplomaten in blauen Trainingsanzügen. Aber unsere Artisten waren auch Diplomaten“, berichtet er. Auftritte in Monte Carlo, den USA und vielen anderen Ländern habe es gegeben. Preise haben die ostdeutschen Zirkusse gewonnen. Klaus Thielen ist Teil er Zirkusfreunde in Zerbst. Die Gruppe mit rund einem Dutzend Mitgliedern trifft sich einmal im Jahr in Zerbst.

Dabei sind die Haupttreffen eigentlich in Magdeburg. „Die Sektion Magdeburg gibt es seit circa zehn Jahren“, erzählt Thielen. Damals seien er und ein Bekannter auf den Zirkel durch ein Zirkusprogrammheft aufmerksam geworden. Darin habe gestanden „Zirkus braucht Freunde“ und dass es die Gesellschaft der Zirkusfreunde gebe. Hinzugefügt waren die einzelnen Sektionen, berichtet Thielen. „Hervorgegangen ist der Verein aus dem Kulturbund der DDR“, erklärt Thielen weiter.

Zunächst war die nächste Sektion Leipzig, wo Thielen stellvertretender Vorsitzender, bis sich in Magdeburg eine Sektion gründete, der er sich wegen der kürzeren Entfernung gern anschloss. „Eines Tages saß plötzlich Reinhard Ribbe dort in der Runde“, erzählt der Zirkusfreund. „Er kam mir bekannt vor, ich dachte mir, dass es auch ein Zerbster ist, so kamen wir ins Gespräch.“ Später sei noch Detlef Tammler dazugekommen. Mittlerweile haben sich noch mehr Zerbster und aus der Umgebung hinzugesellt.

Alle eint die Liebe zum Zirkus. „Menschen, Tiere, Sensationen“ – das mache die Faszination Zirkus aus. Darin sind sich alle einig. „Die Faszination ist für der klassische Zirkus: Clownerie, Artistik, Tiere“, sagt Detlef Tammler.

Wobei Tiernummern definitiv für die Zirkusfreunde dazu gehören. Tierschutzbedenken haben sie nicht. „Schwarze Schafe gibt es in jeder Branche“, sagt Reinhard Ribbe. Davon gebe es aber immer weniger, schätzt er ein. „Wir hatten in Magdeburg eine Führung durch den Zirkus Krone. Die haben uns nicht mal in den Elefanten-Stall reingelassen“, berichtet der Zerbster. „Wegen der Tierschützer“, fügt er an.

Die Auflagen seien streng, die Tiere haben durch ihre Auftritte auch Unterhaltung, meint er.

„Als der Staatszirkus nach Zerbst kam, kam der Tross bis Mitte der 1970er Jahre mit der Bahn“, erinnert sich Klaus Thielen. „Also wurden die Tiere von der Bahn bis zum Schlossgarten geführt“, berichtet er. Jedes Mitglied der Gruppe besucht mehrfach im Jahr Zirkusvorstellungen. Fahrten bis nach Wolfsburg und weiter nehmen die Zirkusfreunde für eine Vorstellung auf sich. „Ich schaffe zwischen 20 und 30 Vorstellungen im Jahr. Dabei sehe ich so rund 15 verschiedene Zirkusse“, sagt Detlef Tammler. „Wobei er schon extrem ist“, schiebt Reinhard Ribbe lachend ein.

Die Termine bekommen sie aus der Zirkuszeitung, von Flyern oder sie informieren sich gegenseitig, wo ein Zirkus auftritt oder im Fernsehen zu sehen ist.

Wichtig sei dabei die Qualität, erzählen die Fachleute. „Die Größe ist unwichtig. Ein gutes, sauber geführtes Programm ist entscheidend“, so Ribbe. Es gebe so viele Unterschiede bei Zirkussen, es gibt auch welche die schlecht sind und nicht jeder kann ein Zirkus Krone sein, erzählt er. „Wenn man den einmal gesehen hat, die sind schon spitze“, sagt Ribbe weiter.

Ebenso Roncalli. „Das ist ein Traumzirkus“, schwärmt Reinhard Ribbe. Zwischen 20 und 25 Euro Eintritt seien faire Preise für eine gute Zirkusvorstellung. Bei den Spitzenzirkussen in der Loge könne auch mehr als 50 Euro Eintritt durchaus angemessen sein, findet Ribbe. „Dafür gibt es dann auch ein fast dreistündiges Programm und viele internationale Topkünstler“, schiebt Thielen ein. „Andererseits gibt es auch noch Zirkusse mit zweimal einer halben Stunde Programm und 20 Minuten Pause, die auch 20 Euro Eintritt haben wollen“, so Thielen. „Dass dann die Leute sagen, dass sie lieber zu Hause bleiben, kann ich verstehen.“

„Unsere Zirkusse waren in Zerbst gut besucht, manchmal gab es zusätzliche Vorstellungen“, erzählt er weiter. Heute sei das nicht immer so. Das liege oft an den Unternehmen, aber auch an dem, was darin ablaufe, erklärt er. Sauber müsse es in jedem Fall sein, das falle den Gästen zuerst auf.

Doch trotz der vielen Einblicke von außen und auch hinter die Kulissen können die Zirkusfreunde nicht abschließend beantworten, wie Zirkusse wirtschaften und wie erfolgreich sie dabei sind. Ob das nur über den Verkauf der Karten klappen könne, „dass ist eine Sache, über die wir uns kein Urteil erlauben können. Darüber reden auch die Zirkusleute nicht mit uns“, sagt Thielen. „‚Über Finanzen sprechen wir nicht‘ bekommen wir dann höflich zu hören“, so Thielen. Die Freunde schätzen aber, dass bis zu 50 Prozent der Umsätze an der Gastronomie und dem Umfeld, teils mit kleinen Karussells, verdient werden. Viele Zirkusse seien zudem reine Familienunternehmen. „Sie haben keine Angestellten und teilen das Einkommen unter sich auf“, so Ribbe.

Thielen sagt: „Der Zirkus müsste Kulturgut werden.“ In der DDR sei das anerkannt gewesen. Das brachte Fördermittel. Mit der Wende habe sich das gedreht. Das Schaustellerwesen, in der DDR eher geduldet, ist nun Kulturgut. „Die haben es verstanden, sich vor 150 Jahre zu vereinen“, sagt Bernd Lauper von den Zirkusfreunden. Bei den Zirkussen koche jeder sein Süppchen allein. Und das sind bei mehr als 300 Zirkussen – wie viele es genau sind, wisse keiner. „Man kriegt sie nicht zusammen. Selbst die, die zu einer Familie gehören, bekommt man nicht an einen Tisch“, fügte er an. Vielleicht auch eine Eigenschaft, die den Charme des Zirkusses ausmacht.