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Lehrer vor Gericht Verfahren im Ohrfeigen-Fall eingestellt

Gegen eine Geldauflage hat das Landgericht Dessau den Prozess gegen einen Lehrer aus Zerbst eingestellt.

Von Andreas Behling 30.08.2016, 23:01

Dessau/Zerbst l Die 1. Strafkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau hat das Verfahren gegen einen Mann aus Zerbst wegen Körperverletzung eingestellt. Allerdings muss der 62 Jahre alte Lehrer eine Geldauflage in Höhe von 2400 Euro an das Deutsche Kinderhilfswerk zahlen. Dem seit 1980 im Schuldienst tätigen Pädagogen war vorgeworfen worden, im Mai 2014 während des Sportunterrichts einem damals sieben Jahre alten Schüler eine Ohrfeige versetzt zu haben.

Mit der Einstellung, die auch von Staatsanwältin Sabine Monnet befürwortet wurde, trug die Berufungskammer unter dem Vorsitz von Stefan Caspari mehreren Umständen Rechnung. So ist seit dem Vorfall viel Zeit vergangen. Ferner arbeitet der Lehrer nicht mehr an der Schule. Und schließlich liegen auch keinerlei Vorstrafen gegen den Mann vor, der im Zuge der erstinstanzlichen Verhandlung noch zu einer Geldstrafe in Höhe von 4500 Euro verurteilt worden war.

Caspari hatte ins Bewusstsein gerückt, dass eine ganze Menge der geladenen Zeugen – es stand sogar ein Fortsetzungstermin in Aussicht – im Vorfeld ihr Unbehagen artikulierte. „Es war spürbar, dass die Situation von allen Seiten als unangenehm empfunden wurde“, sagte er. Die Einstellung bedeute, dass es zu keinem Urteil komme. Gehe das Geld binnen sechs Monaten vollständig beim Kinderhilfswerk ein – vereinbart wurde eine Monatsrate von 400 Euro –, sei das Verfahren endgültig vorbei. Es würden auch keine Einträge in irgendwelchen Registern auftauchen.

Verteidiger Markus Brodowski sagte nach Rücksprache mit seinem Mandanten, es sei nicht ausgeschlossen, dass es auch im Berufungsprozess zu einer unterschiedlichen Bewertung von Handlungen kommen könnte. Was der Lehrer aus seiner Warte als korrekt empfand, als er vor mehr als zwei Jahren den Grundschüler nach einem Wettkampf am Arm anfasste, um eine Rückstufung vom ersten auf den vierten Platz vorzunehmen, habe das Kind womöglich als zutiefst ungerecht eingeordnet. „Somit bestünde die Gefahr weiter, dass wieder gesagt wird, es hätte eine Ohrfeige gegeben“, meinte der Anwalt.

Darüber hinaus würden Kinder sicherlich einen sportlich-engagierten, lauten und strengen Ton, der zum Beispiel dazu diene, Sicherheitsbestimmungen durchzusetzen, total anders interpretieren als ein Erwachsener. „Es gibt wahrscheinlich auch die andere Seite“, so die Staatsanwältin. Sie schloss nicht aus, dass sich Kinder von Forderungen eines Lehrers, der leistungsorientiert unterrichte, subjektiv überfordert fühlen könnten. Daraus könnten Animositäten zwischen den Beteiligten entstehen. Beim Lehrer sei es dann vorstellbar, dass ihm mal die Hand ausrutsche. Wobei sie nicht davon ausging, dass der Zerbster dem Schüler wehtun wollte. Da die Verfahrenseinstellung jedoch bedeutet, dass keine Zeugen mehr gehört wurden – also auch das mutmaßliche minderjährige Opfer nicht –, mussten unterschiedliche Sichtweisen auf und Aussagen zum damaligen Geschehen spekulativ bleiben. „Sollte der 2017 aus dem Lehrerdienst ausscheidende Angeklagte einen Fehler gemacht haben“, so der Richter, „ist die an eine Geldzahlung geknüpfte Einstellung kein Strafausspruch. Andererseits heißt das nicht, dass irgendwer davon ausgeht, dass der Schüler geschwindelt hat.“