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Jubiläum Aus Unterschieden wird Liebe

Die Eheleute Eleonore und Günter Niemann haben in Zerbst ihre goldene Hochzeit gefeiert.

Von Emily Engels 01.10.2016, 13:00

Zerbst l Wer bei Eleonore (68) und Günter (69) Niemann zum Kaffeetrinken vorbeikommt, merkt schnell: Das wird kein langweiliger Besuch. Denn das Ehepaar lacht viel und herzlich und plaudert unverblümt über die vergangenen 50 Ehejahre, die ebenfalls alles andere als von Trübsinn geprägt waren.

Schon die erste Begegnung der Niemanns war ungewöhnlich. „Ich bin zu der Zeit sehr viel Moped gefahren. Als es eines Tages auf der Straße liegenblieb, bin ich etwas wütend geworden und habe es hingeschmissen und vor mich hingeflucht“, so Günter Niemann. Eleonore sei vorbeigekommen und habe sich gedacht: „Was ist das denn für einer?“

Ein Vierteljahr später begegneten sich die damals 15-jährige Eleonore und der 16-jährige Günter Niemann bei einem Tanz in Kühren wieder. Dieses Mal bekam die gebürtige Akenerin einen anderen Eindruck von ihrem jetzigen Ehemann. „Es war eine richtige Jugendliebe“, sagt sie heute. Drei Jahre später heirateten die beiden – und zwar genau an Günter Niemanns 19. Geburtstag, dem 30. September 1966. Auch hierüber berichtet Eleonore Niemann frech: „Meine Cousine meinte zu mir, wir sollten lieber schnell heiraten, bevor er zur Armee geht, weil wir dann Geld bekämen.“ Aber das sei bei ihnen noch nicht mal der Fall gewesen, erzählt sie lachend weiter. Schließlich habe die patente Frau bereits längst ihr eigenes Geld verdient – in der Backstuber ihrer Eltern.

Günter Niemann war 1968 gerade aus der Armee zurückgekommenschulte, als er von Glasfacharbeiter auf Berufskraftfahrer umschulte. „38 Jahre lang bin ich Bus gefahren – und ich habe es mit Leidenschaft getan“, meint er. Diese sei so groß gewesen, dass er noch heute als Rentner Kinder mit Behinderungen zur Schule fährt. Sein Drang, immer unterwegs zu sein, tut nicht nur ihm selbst, sondern auch der Beziehung gut. „Das ist unser Geheimrezept für eine lange Ehe“, meint Günter Niemann laut lachend und seine Ehefrau stimmt ihm nickend zu.

„Ich genieße es, den Haushalt zu schmeißen und habe in unseren frühen Ehejahren meine ganze Kraft den Kindern gewidmet“, sagt Eleonore Niemann. Das sagt sie zwar, ihr Lebenslauf zeigt jedoch, dass sie viel mehr geschafft hat – unter anderem eine abgeschlossene Ausbildung zur Tierpflegerin und mehrere Jahre Arbeitserfahrung als Verkäuferin hat sie vorzuweisen.

Ihre Kinder und Enkelkinder sind dennoch der volle Stolz des Ehepaares Niemann. „Unser Sohn, Silvio Niemann (47), ist heute Maurer, war jedoch zu DDR-Zeiten ein bekannter Boxer“, erzählt Günter Niemann stolz. „Oft habe ich ihn mit anderen Boxern zu Wettkämpfen gefahren, das hat mir immer Spaß gemacht“, erinnert er sich. Die gemeinsame Tochter, Veronika Keller (49), ist gelernte Krankenschwester und Mutter der Enkelkinder Dustin (26) und Francis (21) Keller.

Die Niemanns sind Freunde davon, ein schlichtes Leben zu führen, sagen sie. „Wir waren eigentlich immer auf alles vorbereitet – auch was die Kinder angeht“, erklärt Eleonore Niemann. Statt sich mit einem großen Haus zu verschulden, leben sie seit 15 Jahren in einer Wohnung in der Zerbster Mozartstraße, die laut ihrer Aussage allen ihren Ansprüchen genügt. „Die Vorstellung, sich zu verschulden, finde ich einfach unangenehm“, erklärt sie.

Genauso einfach halten sie sich ihre Urlaube. „Wir haben einen Wohnwagen, mit dem wir gerne die Umgebung erkunden. So waren wir schon in Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und im Böhmerwald.“

Auch da gilt bei den Niemanns: Gegensätze ziehen sich an. Während er rastlos eine Radtour nach der anderen unternimmt, geht sie lieber spazieren, sonnt sich oder liest gemütlich ein Buch... und staunt über die Energie ihres Ehemannes.

„Es ist unfassbar, wie viel er unterwegs ist, er braucht immer etwas zu tun“, sagt sie. Normalerweise funktioniere es ganz gut mit den Gegensätzlichkeiten. Mit einigen Ausnahmen: Wenn es um das Fernsehprogramm geht, kennen die Eheleute kein Erbarmen. „Ich schaue am liebsten Krimis“, erzählt Eleonore Niemann. Ihr Mann entgegnet: „Meine erste Wahl sind Naturdokumentationen – am liebsten mit Wildtieren.“ „Jaja, es gab schon Höhen und Tiefen in unserer Ehe“, sagt Eleonore Niemann schmunzelnd und ergänzt ganz frech: „25 Jahre lang hatte er die Hosen an, die letzten 25 Jahre hatte ich sie an.“

Wenn es um die Auswahl der neuen Couch geht, habe Eleonore genaue Vorstellungen, während Günter Niemann sich (laut Aussagen seiner Frau) gerne von den Verkäuferinnen beschwatzen lasse. In den Momenten schreite sie ein.

Nachdem sie das erzählt hat, schaut sie ihren Ehemann liebevoll an und sagt, als könne sie es selbst kaum glauben: „Wahnsinn, dass wir 50 Jahre Ehe schon geschafft haben.“

Den gestrigen Ehrentag haben sie im engen Familien- und Freundeskreis gefeiert. Und nächstes Jahr feiern sie nochmal richtig – und ganz im Niemann-Stil – nach. Die „goldene Braut“ verrät: „Wir ziehen dann vier Wochen lang mit unserem Wohnwagen durch die Gegend.“