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Gericht Urteil in Sachen "Pickup an der A9"

Strafrichter Thomas Krille hat am Freitag einen 42-jährigen Zerbster vom Vorwurf "Vortäuschen einer Straftat" freigesprochen.

Von Bernd Kaufholz 01.10.2017, 05:00

Zerbst l Am zweiten Tag des Prozesses, in dem es darum ging, ob ein erst vier Tage alter Pickup vom Typ Nissan „Navara“ tatsächlich vor der Haustür des Angeklagten gestohlen wurde, wie dieser behauptet hatte, oder ob die Straftat nur der Phantasie entsprang, waren weitere vier Zeugen geladen. Der letzte Versuch des Gerichts doch noch Licht in den „Lagerkampf“ zu bringen.

Doch um es vorweg zu nehmen: Auch der Folgetermin des ungewöhnlichen Verfahrens ließ viele Frage offen. Was letztlich zur salomonischen Entscheidung des Richters „in dubio pro reo“ – im Zweifel für den Angeklagten“ – führte.

Ausgangspunkt des Prozesses war, dass Ricardo B. am Sonnabend, 20. August 2016, der Polizei mitgeteilt hatte, dass gerade sein Nissan gestohlen worden sei. Als Tatzeit gab er 5.45 Uhr an: „Ich habe meinen Pickup durchs Fenster noch verschwinden sehen.“ Ein zweites Fahrzeug – ein weißer Transporter – sei vorneweg gefahren.

Der leicht ramponierte braune „Navara“ war einen Tag später, am 21. August, auf einem Landwirtschaftsweg an der A9 bei Coswig (Landkreis Wittenberg) gefunden worden.

Die Krux an diesem Fall war, dass sich das Heer der Zeugen in zwei Lager aufteilte. Die eine Seite, bestehend aus Verwandten und Bekannten des Angeklagten, die sich am Freitagabend zu einer Grillparty auf dem Grundstück von B. aufgehalten hatten, schworen Stein und Bein, das Fahrzeug da noch in der Einfahrt des Hauses gesehen zu haben. Manche nur von außen, ein Zeuge sagte aus, dass er sogar im Nissan gesessen habe.

Die andere Zeugen-Flanke rekrutierte sich aus einem Personenkreis, der sich nach einem Aufruf in der Zeitung bei der Polizei gemeldet hatte, nachdem das Auto gefunden worden war.

Diese Zeugen wiederum gaben an, dass sie das Fahrzeug bereits vor der Diebstahlsmeldung auf der „Kap-Straße“ gesehen hatten. Die Angaben reichten von Donnerstag, Freitag, bis Sonnabend zwischen 4.30 und 5 Uhr.

Gestern nun wurde ein 45 Jahre alter Baggerfahrer gehört, der das Fahrzeug auf der Landwirtschaftsstraße, die von vielen Bewohnern der umliegenden Orte als Abkürzung genutzt wird, ebenfalls gesehen hatte. „Ich habe noch gedacht, der Jäger hat sein Auto aber doof abgestellt.“ Allerdings konnte sich der Zeuge nicht an den genauen Tag erinnern und vermutete „eher Donnerstag oder Freitag“. Außerdem sprach er von einem „grünen Pickup“.

Die Lebensgefährtin des Angeklagten unterstützte danach die Angabe von B. „Besonders die Männer, die zu unserer Grill-Party am Freitagabend gekommen sind, haben sich das neue Auto angeguckt – eben ‘ne richtige Männermacke.“ Am nächsten Morgen habe ihr Freund gesagt: „Du, die haben gerade mein Auto geklaut.“ Da sei es kurz vor Sechs gewesen.

Mit dieser Zeugenaussage war das gute Dutzend voll. Und Richter Krille resümierte: „Wir kommen nicht weiter. Wir können hier noch mal so viele Zeugen hören.“ Dann schickte er mit Einverständnis von Staatsanwaltschaft und Verteidigerin die zwei noch geladenen Zeugen nach Hause.

„Wir stecken so tief drin“, fügte er an, „den Sachverhalt nicht aufzuklären, dass wir sie nicht mehr brauchen.“

Trotzdem war Lisa Düben, die Vertreterin der Staatsanwaltschaft Dessau, von der Schuld des 42-Jährigen überzeugt und beantragte eine Geldstrafe in Höhe von 1500 Euro.

Richter Krille schloss sich allerdings dem Freispruch-Antrag von Rechtsanwältin Ute Siebert an. „Das Plädoyer der Staatsanwaltschaft war logisch und stimmig. Allerdings kann sie mit ‚hätte, könnte und vielleicht‘ argumentieren. Ich als Richter nicht.“ Und genau da liege das Problem. „Wir konnten den Sachverhalt nicht mit der erforderlichen Sicherheit aufklären. Also Freispruch.“