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Abriss Diskussion um Zerbster Frauenkloster

Der Zerbster Stadtrat Helmut Seidler und Bürgermeister Andreas Dittmann lieferten sich in punkto Frauenkloster einen Schlagabtausch.

Von Thomas Kirchner 24.05.2019, 01:01

Zerbst l In der letzten Sitzung des Stadtrates vor der Kommunalwahl ging es am Mittwoch noch einmal turbulent zu. Thema: das Frauenkloster auf der Breite. Die FDP-Fraktion möchte nun doch auch andere Varianten für eine Zufahrt prüfen lassen. „Die FDP stellt den Antrag ein Bodengutachten in Auftrag zu geben, um zu prüfen, ob es die Möglichkeit einer Brückenquerung über die Nuthe zur Puschkinpromenade gibt, um doch eine alternative Zufahrt zum Klosterhof zu schaffen“, führt der Fraktionsvorsitzende Steffen Grey aus.

Hintergrund sei, dass ihm die Aussagen von Tilo Feldmann im Bauausschuss zum Baugrund im Nuthebereich zu schwammig seien. „Es könnte sein, es wäre vielleicht, oder auch nicht. Wie die Situation wirklich ist, kann man relativ schnell mit Hilfe eines Bodengutachtens überprüfen – wie ist die Situation, welche Möglichkeiten bestehen“, sagte Grey. Die Kosten würden sich in Grenzen halten.

„Das ist eine Summe, die es zulässt, dass wir diese Variante im nächsten Stadtrat noch einmal beraten und abklären sollten“, erklärte Steffen Grey. Die jetzt beschlossene Zufahrtsvariante durch die Baulücke auf der Breite sei für den Übergang okay, aber perspektivisch sollte man Alternativen prüfen.

Dieser Antrag war für Helmut Seidler, FFZ (Freie Fraktion Zerbst) eine Steilvorlage, für die er sich auch umgehend bedankte. Seidler ist ein Verfechter dieser Zufahrtsvariante zum Großen Klosterhof und überrascht dann schließlich noch mit einem eigenen Antrag. „Unsere Fraktion hat in der letzten Sitzung des Bau- und Stadtentwicklungsausschusses einen Antrag formuliert, der einen städtebaulichen Raum betrachtet, der am Frauentor-Friedhof beginnt und am Marstall im Schlossgarten endet“, sagte Seidler. Ein ganz wichtiger Punkt, der zur Entscheidung stehe, ist die Verfahrensweise in Bezug auf das 1897 erbaute Kasernengebäude (ehemalige Berufsschule). „Wir haben in unserem Antrag formuliert, dieses Gebäude, das später angebaut wurde und nicht im historischen Kontext mit dem Kloster steht, wegzureißen“, erklärt Seidler.

Man wolle so eine ganz andere städtebauliche Situation schaffen. „Wir möchten den Turm genauso klar und deutlich stehen haben, wie den Kickinpott. Weiterhin möchten wir diese Fläche einer völlig anderen Lösung unterziehen“, so Seidler. Widersprüche seien ja bekanntlich die Triebkräfte der Entwicklung. Hoch interessant wäre auch, zu wissen, wie denn eigentlich die Lehrer und Schüler diese Thematik sehen.

„Naturgemäß gibt es dazu natürlich eine Wortmeldung von mir“, reagiert Bürgermeister Andreas Dittmann (SPD) prompt auf den FFZ-Antrag. Widersprüche seien in der Tat die Triebkräfte in unserer Gesellschaft, vor allem würden sie uns antreiben, Dinge zu forcieren. „Ich bin froh, dass wir einen Mitschnitt von der Ausschusssitzung haben. Ich persönlich kann mich an keinen konkreten Antrag auf Abriss des Gebäudes erinnern“, kontert Dittmann. Vielmehr lautete der Antrag nach seinem Erinnerungsvermögen, dass das beschriebene Gebiet in der Städteplanung einer besonderen Betrachtung bedürfe.

„Was die Triebkraft betrifft, freue ich mich, dass wir klare Signale aus der Landkreisverwaltung haben, dass die Baugenehmigung für die Sanierung Frauenkloster - inklusive Schulteil - kurz vor der Erteilung steht und dass wir diesen Abriss-Antrag durch die schöne Macht des Faktischen, sprich die Baugenehmigung, gar nicht erst behandeln brauchen“, erklärte Dittmann. Im Übrigen stehe man mit dem Landkreis in einer Vertragssituation, die eine ganzheitliche Nutzung des bestehenden Komplexes vorsieht, so wie es auch Ratsbeschlussgrundlage war. „Die Vorliebe für Sichtachsen, möglichst im 360 Grad Modus, ist zwar bekannt, wird aber an der Stelle wahrscheinlich nicht umgesetzt werden“, konstatierte Dittmann.

Den FDP-Antrag in Bezug auf das Bodengutachten werde er mit oder ohne Ratsbeschluss aufgreifen. „Wir haben für das Jahr 2020 Fördermittel für die Klosterhöfe bekommen und ich denke zur Planung gehört auch die Verkehrsführung im gesamten Komplex. So kann man in dieses Gesamtpaket auch das Bodengutachten integrieren“, kündigt Dittmann an.

Das wollte Helmut Seidler so nicht stehen lassen: „Wir haben jetzt vor den Wahlen viel über Bürgerbeteiligung gehört. Wenn dann aber die Nagelprobe kommt und die Frage zu stellen wäre, wie zufrieden die künftigen Nutzer des Kasernengebäudes, sprich Schüler und Lehrer mit dieser Entscheidung sind, gibt es offensichtlich aus dem Wahlkampfmodus heraus andere Denkweisen“, stichelte Seidler. Es sei klug, bevor wir eine tatsächliche Entscheidung für eine Wertgröße treffen, die doch zu hinterfragen ist. Wir sollten das ordentlich prüfen, um dann ehrlich festzustellen, ob es vernünftig ist oder nicht.

„Für die Zerbster gehört die ehemalige Berufsschule zum Stadtbild und zu ihrer Geschichte“, nimmt Bernd Wesenberg (Grüne) Stellung zu dem Wortgefecht. Wer ernsthaft an Abriss denkt, solle sich bewusst machen, dass dies auch eine Menge Geld kostet. „Dieses Geld sollten wir dann lieber in eine Sporthalle für die Grundschule Dobritz stecken“, so Wesenberg.

Museumsleiterin Agnes-Almuth Griesbach hält den Abriss des Kasernengebäudes für keine gute Idee. „Teile des um die Jahrhundertwende 1897 erbauten Gebäudes wurden nach 1945 wieder aufgebaut. Inzwischen gehört das imposante Kasernengebäude mit den Arkaden zum Stadtbild“, gibt sie zu bedenken. Sicher müsse man sich die Bausubstanz anschauen und in den Arkaden sehe es ein wenig aus, als hätte man Beton an die Wände geworfen, aber einen Abriss würde sie nicht befürworten. „Ich würde eher dafür plädieren, den Turm des Frauentores, der sich an das Kasernengebäude anschließt, zu sanieren und das ursprüngliche Dach wieder herzustellen“, sagt die Museumsleiterin.

Der Komplex des ehemaligen Frauenklosters sei ein wunderbares Beispiel dafür, wie Gebäude einer sich entwickelnden städtischen Gesellschaft angepasst werden: Durch Blitzschlag brennt das Nonnenkloster im 16. Jahrhundert komplett aus. Anfang des 18. Jahrhunderts entsteht daraus das Zucht-, Waisen- und Arbeitshaus und Ende des 19. Jahrhunderts der Kasernentrakt. Der Umbau zur Berufsschule zu DDR-Zeiten konvertiert die ehemalige Klosterkirche in die zwei Funktionsräume Turnhalle und Aula.