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Alte Brücke Zerbst Pöbelei, Trunkenheit und wildes Urinieren

Alkoholkonsum und rücksichtslose Radfahrer auf der Alten Brücke in Zerbst sind ein Problem. Geschäftsinhaber suchen Hilfe im Rathaus.

Von Thomas Kirchner 18.11.2017, 00:01

Zerbst l „Fast täglich sitzt diese Gruppe vor unseren Geschäften und sie trinken nicht nur gemütlich ein Bierchen“, schildert Alexandra Naumann, Inhaberin der Bäckerei Schäfer´s auf der Alten Brücke. Nein, das Bier werde Kistenweise konsumiert. Passanten, Kunden und Mitarbeiter der Geschäfte werden angepöbelt, nicht mal vor Kindern werde Halt gemacht, wild in den Ecken uriniert. Mit ihrer Kritik steht die Bäckersfrau nicht alleine. Betroffen sind auch Textildiscounter Kik und Schuhfilialist Deichmann.

„Wenn ich vor unserem Laden sauber mache, die Zigarettenkippen der Biertrinker aus den Ritzen des Pflasters kratze, werde ich noch ausgelacht“, ist Heike Niepsch, Deichmann-Filialleiterin sauer. Hinzu kämen die Radfahrer, die denken, sie sind hier bei der ,Tour de France‘ und den Kunden, wenn sie aus dem Laden treten, fast über die Zehen fahren.“

Alle drei Geschäfte wollten dies alles nicht länger hinnehmen und haben sich mit einem Brief hilfesuchend an Bürgermeister Andreas Dittmann (SPD) gewandt. Der initiierte eine Gesprächsrunde, zu der neben den Geschäftsleuten und Ordnungsamtsleiterin Kerstin Gudella auch die Regionalbereichsbeamten des Zerbster Polizeireviers Anja Wernecke und Holger Sticherling teilgenommen haben. Diskutiert wurde auch ein Alkoholverbot.

„Mir war wichtig, dass nicht einfach erklärt wird, „das geht nicht“ und fertig. Die Beschwerden zum Alkoholkonsum auf der Alten Brücke haben mich ja nicht nur durch die Gewerbetreibenden erreicht, sondern auch Eltern haben sich dazu an mich gewandt und die schlechte Vorbildwirkung kritisiert“, erklärt Bürgermeister Andreas Dittmann nach dem Gespräch. Die Verwaltung nehme das ernst, habe aber auch die Rechtslage zu beachten. „Jemanden von einem öffentlichen Platz zu verweisen, stellt einen Eingriff dar, der gerechtfertigt sein muss“, sagt Dittmann. Bislang seien alle Kommunen in mehreren Bundesländern gerichtlich genau daran gescheitert. „Aber wir haben dennoch mehrere Schritte miteinander abgestimmt, die zu einer Besserung der Situation führen sollten“, so der Rathauschef.

So sollen zusätzliche Abfalleimer vor den Geschäften angebracht werden. „Weiterhin wurde vereinbart, dass sowohl das Ordnungsamt als auch die Polizei verstärkt auf der Alten Brücke Streife gehen“, informiert Kerstin Gudella. Zudem werden die Mitarbeiter des städtischen Bau- und Wirtschaftshofes die Mitarbeiter der Geschäfte täglich bei der Säuberung unterstützen.

Was aber viel wichtiger sei: Sollte es zu Vorkommnissen wie Pöbeleien, wildes urinieren oder auch mit Radfahrern kommen, müsse sofort das Ordnungsamt oder die Polizei gerufen werden. „Nur wenn wir alle diese Vorkommnisse dokumentieren, haben wir auch später eine Handhabe und können gegebenenfalls angemessen reagieren“, bitten Ordnungsamtsleiterin Kerstin Gudella und Anja Wernecke vom Polizeikommissariat Zerbst die Bürger um Unterstützung. Die Passanten, Kunden und Mitarbeiter der Geschäfte sollten alle Vorkommnisse zur Anzeige bringen.

Für wildes Urinieren könne beispielsweise situationsbedingt ein Ordnungsgeld zwischen 25 und 55 Euro erhoben werden. „Wenn ein Radfahrer einen Passanten anfährt, ist das ein Verkehrsunfall, ein Entfernen vom Unfallort dann dementsprechend Fahrerflucht“, sagt die Ordnungsamtsleiterin. Daher sei es wichtig, solche Sachen anzuzeigen. Auf der Alten Brücke gelte übrigens Schrittgeschwindigkeit und wie überall im öffentlichen Raum § 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO): Ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. Wer am Verkehr teilnimmt, hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr – als nach den Umständen unvermeidbar – behindert oder belästigt wird.

Ein Alkoholverbot sei derzeit aber nicht umsetzbar. Mit diesem Problem ist Zerbst nicht alleine. Stadt und Nachtleben lässt sich kaum vorstellen, ohne die Volksdroge Nummer Eins. In den letzten Jahren gab es vermehrt Versuche von Kommunen negative Folgen des Alkoholkonsums an zentralen Plätzen und Straßen durch ein Konsumverbot zu vermeiden, beispielsweise die Stadt Magdeburg oder die Stadt Forst in Brandenburg waren dort aktiv. In beiden Fällen kippten die Oberverwaltungsgerichte Sachsen-Anhalt (Aktenzeichen: 3 K 319/09) vom 17. März 2010 und Berlin-Brandenburg (OVG 12 S 7.17) vom 14. Juli 2017 die Verbote und stuften diese als rechtswidrig ein.

Die Verwaltungsgerichte hielten das Alkoholverbot für rechtswidrig, weil die für den Verordnungserlass die nötige abstrakte Gefahr nicht ersichtlich ist, die es rechtfertige, jeder (auch sich gänzlich harmlos verhaltenden) Person ganzjährig und ganztägig zu untersagen, im Bereich der bestimmten Straßenabschnitte Alkohol zu konsumieren.