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Anhalt-Hospiz Nicht immer der letzte Weg

Meist ist das Schicksal unerbittlich, das Leben ändert sich von jetzt auf gleich. So erging es Helga Ebert. Sie spricht über ihre Erfahrung.

Von Thomas Kirchner 04.06.2018, 09:00

Zerbst l Freud und Leid liegen im Leben oft ganz nah beieinander. Oder: Der Tod gehört zum Leben – das sind Lebensweisheiten, Sprüche, die wohl jeder schon einmal in den Mund genommen hat. Doch wie geht man mit diesen Weisheiten und Sprüchen um, wenn es um das eigene Leben geht, oder das eines geliebten Menschen? Vor einigen Tagen hatte ich die Gelegenheit, mit einem Gast aus dem Anhalt-Hospiz Zerbst zu sprechen, über ihre Krankheit, über das Hospiz, ihre Gefühle und den Tod.

In einem Hospiz verbringen schwerkranke Menschen die letzte Zeit ihres Lebens, ein paar Wochen, manchmal sind es nur ein paar Tage, auch schon mal Monate. Die meisten sind sich darüber bewusst, dass sie dort sterben werden. Die gesamte Betreuung im Hospiz ist mit viel Respekt und Würde darauf ausgerichtet, den Menschen jeden Wunsch an ihrem Lebensende zu erfüllen.

So empfindet es auch Helga Ebert aus Gräfenhainichen. „Ich wurde so was von herzlich aufgenommen. Ich fühle mich wie etwas Besonderes, wie eine Persönlichkeit“, erzählt mir die 65-Jährige lächelnd. Dabei sei die Entscheidung in ein Hospiz zu gehen, alles andere als leicht gewesen. „Es war der letzte Ausweg“, schildert Helga Ebert, „denn wie wahrscheinlich die meisten Menschen, verbinde auch ich ein Hospiz mit sterben.“

Helga Ebert kam am 13. April ins Anhalt-Hospiz Zerbst. Sie ist an Blasenkrebs erkrankt. „Zuerst hieß es, damit könne ich leben, doch etwas später kam noch ein Darmverschluss dazu“, erzählt sie. Vier Wochen habe sie auf der Intensivstation gelegen, ohne Essen, künstlich ernährt. Ihr Mann habe dann entschieden, dass sie in ein Hospiz gehen solle.

„Im Nachhinein war das die richtige Entscheidung. Wäre ich statt ins Hospiz in ein Pflegeheim gegangen, wäre ich jetzt wahrscheinlich schon nicht mehr am Leben“, sagt Helga Ebert leise und schaut mich traurig an. Es fühlt sich an, als könne sie selbst kaum glauben was sie sagt. Doch sie fühlt sich wohl hier, das kann ich spüren und sehen.

Das Team nehme sich viel Zeit für jeden einzelnen Gast hier im Hospiz. Sie kümmern sich, haben zu jeder Zeit ein offenes Ohr. Team und Gäste seien wie eine Familie. Man sitze mit dem Personal zusammen auf der Terrasse oder vor dem Fernseher auf einen Kaffee, eine Zigarette oder auch nur zum Quatschen.

„Die Menschen hier, alle zusammen, haben es geschafft, mich wieder aufzubauen, mir neuen Lebensmut zu geben. Das war wie ein Schub. Jeder liest einem sprichwörtlich die Wünsche von den Augen ab“, spricht Helga Ebert fast begeistert von ihrer Zeit im Hospiz. Sie hatte sich bereits selbst aufgegeben, nicht mehr an sich geglaubt.

„Auch die Aroma-Pflege mit verschiedenen Ölen, die bei Massagen zum Einsatz kommen, hat mit sehr geholfen und gut getan“, schildert mir die Gräfenhainicherin. Als ich nach ihrer Familie frage, beginnt ihre Stimme zu zittern. Ihr fällt es sichtlich schwer darüber zu reden, aber sie tut es trotzdem. Wir hatten vor dem Gespräch vereinbart, dass sie nur das erzählt, was sie auch erzählen möchte. „Ich habe drei erwachsene Kinder, zwei Töchter und einen Sohn und fünf Enkel“, zählt sie auf.

Ihre zwei Jüngsten kämen mit der Situation nur schwer zurecht. „Sie denken wohl, wie viele andere auch, dass der Gang in ein Hospiz auch immer der letzte Gang sei und man das Hospiz nicht wieder lebend verlässt“, sagt mir Helga Ebert und kämpft jetzt mit den Tränen. Ihre ältere Tochter habe ihr Mut gemacht, sie versucht aufzubauen.

Doch manchmal meint es das Schicksal wohl gut, sind die Schutzengel zur rechten Zeit zur Stelle. Der Gesundheitszustand von Helga Ebert hat sich soweit stabilisiert, dass sie wieder nach Hause kann. Es sei alles vorbereitet, ein entsprechender ambulanter Pflegedienst gefunden, der sich um Helga Ebert kümmern wird.

„Der Arzt aus dem Hospiz, der mich kennt und dem ich vertraue, wird mich auch zu Hause weiter behandeln und regelmäßig nach mir sehen“, ist Helga Ebert jetzt sichtlich glücklich, wieder zurück nach Hause zu können.

„Und sollte irgendwann die Notwendigkeit bestehen, werde ich wieder in das Zerbster Hospiz gehen“, sagt sie mir am Ende unseres Gesprächs.

In Würde sterben, das wünschen sich viele Menschen. Im Hospiz ist das möglich, das haben mir die Schilderungen von Helga Ebert eindrucksvoll verdeutlicht. Jeder Gast ist wie er ist, mit seinen Ecken und Kanten, Vorlieben und Wünschen.