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Asylsuchende Kinderbetreuung ist ein Problem in Zerbst

Zum fünften Mal fand jetzt ein Runder Tisch für Flüchtlingshilfe in Zerbst statt. Im Mittelpunkt stand der Erfahrungsaustausch.

Von Daniela Apel 30.03.2017, 01:01

Zerbst l Momentan leben in der Einheitsgemeinde 166 Asylsuchende, darunter 72 Kinder. Sie verteilen sich auf Zerbst und Nedlitz und sind dezentral untergebracht. Mit diesem Blick in die aktuelle Statistik eröffnete Christian Neuling, Koordinator in Flüchtlingsangelegenheiten der Stadt, den Runden Tisch.

Zum fünften Mal seit Herbst 2015 fand das Treffen unter dem Dach der Diakonie Zerbst nun statt. Neben ehrenamtlichen Helfern nahmen auch wieder einige Flüchtlinge an der lockeren Zusammenkunft teil. Wie Christian Neuling ausführte, stagniert deren Anzahl gegenwärtig. Eine weitere Zuweisung sei in nächster Zeit eigentlich nicht abzusehen, bemerkte er.

Als Moderator des Runden Tischs agierte erneut Christian Nels, der sich seit Anfang an in der Flüchtlingshilfe engagiert. Er bat die Teilnehmer des Abends darum, alle Anliegen, die ihnen unter den Nägeln brennen, zu benennen. Zu Beginn der Flüchtlingswelle standen noch Behördengänge, Einschulung, Arztbesuche, Wohnungssuche und -ausstattung im Vordergrund, wohingegen mit der beginnenden Integration der anerkannten Flüchtlinge anders gelagerte Probleme entstehen.

Dazu gehört die Unterbringung des Nachwuchses, während die Eltern beispielsweise einen Integrationskurs besuchen. Zumal die Kinder selbst von der Betreuung in einer deutschen Einrichtung profitieren würden. Mindestens 20 bis 30 Kinder würde dies betreffen und zwar vor allem die, die kurz vor der Einschulung stehen, bestätigt Karin Zander, Flüchtlingsbeauftragte der Diakonie, mit Blick auf die vielen jungen Familien, die in Zerbst und Nedlitz eine vorübergehende neue Heimat gefunden haben. „Mit den Schulen klappt das hervorragend“, bemerkt sie. Anders schaut das bei den Kitas aus. Eine Nachfrage ergab, dass die Kindertagesstätten in der Kernstadt völlig ausgelastet sind.

Die Runde der Helfer verständigte sich darauf, herauszufinden, inwiefern es eventuell noch Kita-Plätze in den umliegenden Orten gibt. Dietrich Landmann, Leiter der Zerbster Diakonie, erklärte sich bereit zu prüfen, ob die Einrichtung eines kindersicheren Fahrdienstes machbar sei und vor allem zu welchen Bedingungen, falls es beispielsweise in Lindau oder Steutz freie Kapazitäten gibt.

Keine endgültigen Lösungen und Antworten, aber Tipps und Ansätze konnten dabei die zum Treffen eingeladenen Gäste Volker Lampe und Rita Exner von der Initiative „Willkommen“ geben. Bei den Schilderungen ihrer Erfahrungen in Köthen wurde allerdings deutlich, dass die Situation in der Bachstadt ein wenig besser zu sein scheint als in Zerbst. Zum einen stehen dort freie Kita-Plätze zur Verfügung. Zum anderen werden bildungswillige junge Flüchtlinge durch das Studienkolleg der Hochschule Anhalt sprachlich und fachlich gefördert. So beschloss die Zerbster Runde, Kontakt zu den Studienkollegs in Köthen und Magdeburg aufzunehmen, um sich über die geltenden Zulassungsvoraussetzungen zu informieren. Auch eine Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer empfahlen die beiden, das sei besonders hilfreich für die weitere berufliche Ausbildung oder Eingliederung der Flüchtlinge.

In der gut zweieinhalbstündigen Diskussion an diesem Abend kam ebenfalls deutlich zum Ausdruck, dass die aktiven Familienpaten, die viel Zeit und Kraft in dieses Ehrenamt investieren, oftmals auch unzufrieden sind – sei es mit dem manchmal ruppigen Umgangston in den Behörden oder gar mit der Gesetzgebung bezüglich des Festlegens des Status der Geflüchteten, was sich wiederum auf ein Anrecht auf die Teilnahme am Integrationskurs auswirkt.

Zu Wort meldeten sich auch zwei Flüchtlinge. Sie machten auf das Problem der Weiterbildung von ausgebildeten Fachkräften aufmerksam, damit diese die in Deutschland herrschenden Standards in ihren Berufen kennenlernen. Zugleich bedankten sie sich für die bisher geleistete ehrenamtliche Hilfe seitens der Zerbster.

Darüber hinaus kam von ihnen der Vorschlag, ihrerseits Vertreter zu benennen, welche die deutsche Sprache bereits gut beherrschen, um das, was am Runden Tisch besprochen beziehungsweise beschlossen wird, an ihre Landsleute weiterzugeben und notfalls genauer zu erklären. So könne auch innerhalb der Flüchtlingsfamilien ein besseres Verständnis für die deutsche Kultur und Demokratie entstehen, was im Umkehrschluss ebenso für die deutschen Helfer gelte, so ein junger Syrer. Vielleicht könne Zerbst beispielgebend für andere Städte im Landkreis sein, führte er weiter aus.

Einig waren sich alle, dass das bisher Geleistete oft an die Grenze des Machbaren stößt. Deshalb sei es notwendig, noch weitere freiwillige Helfer zu akquirieren. Wer als Privatperson Interesse und Zeit hat, Flüchtlingsfamilien in Zerbst zu unterstützen, der ist willkommen.

Auch Vereine sollten ihre Möglichkeiten, die Integration zu unterstützen, ausloten. Zum Beispiel gibt es aus den Reihen des Katharina-Vereins mehrere aktive Familienpaten. „Das, was hilft, und was wir weitergeben können, ist vor allem unsere Mitmenschlichkeit“, resümierte Dietrich Landmann.

Er machte nicht zuletzt auf die Broschüre „Hand in Hand. Gemeinsam engagiert“ aufmerksam. Diese Anleitung für Ehren-und Hauptamtliche in der Flüchtlingshilfe wurde vom Diakonischen Werk Evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland e.V. herausgegeben.