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Baum Die umstrittene Einwanderin

Die Robinie als Baum des Jahres 2020 wird einerseits von Imkern geliebt, gilt aber andererseits als umstritten. Auch in Zerbst.

Von Daniela Apel 12.06.2020, 06:00

Zerbst l Rotbuche, Spitzahorn, Traubeneiche – die Liste all der Gehölze, die sich schon „Baum des Jahres“ nennen durften, ist mittlerweile recht lang. Bereits seit 1989 wird dieser Titel von der Dr. Silvius Wodarz Stiftung vergeben. Doch selten regte die Wahl derart zu Diskussionen an wie die 2020 gekürte Robinie, bei der es sich um eine invasive Art handelt. Erst im Zuge der Kolonialisierung Nordamerikas gelangte die Scheinakazie vor über 300 Jahren nach Mitteleuropa, wo sich der vorwiegend über Wurzelbrut vermehrende Baum seither rege in Konkurrenz zur heimische Flora ausbreitete.

Detlef Radtke, Leiter des Betreuungsforstamtes Nedlitz, betrachtet die florale Immigrantin mit gemischten Gefühlen. „Die Robinie ist sicherlich ein Baum, der dem Klimawandel trotzen kann und den man nicht aufforsten muss, denn sie gedeiht überall“, sagt er und erzählt von einer vorteilhaften Symbiose. An den Wurzeln der Robinie leben Knöllchenbakterien, die Stickstoff binden. Die mit Dornen bewehrten Bäume mit der tief gefurchten Rinde düngen sich ihren Untergrund quasi selbst und verwandeln selbst karge Standorte noch in grüne Oasen. „Und alles ist besser als kahler Boden“, konstatiert der erfahrene Förster.

Im Zerbster Raum mit den vielen Sandböden hat sich die Robinie längst etabliert. „Anspruchsvolle Eichen- und Buchenbestände gedeihen auf trockenen, nährstoffarmen Sandböden leider nicht“, weiß Detlef Radtke. Zumal der Robinie auch längere Trockenperioden nichts ausmachen. Dennoch hält er nichts davon, die licht- und wärmeliebende Baumart gezielt anzupflanzen. „Sie hat nur eine geringe Flächenproduktivität“, sieht eine nachhaltige und planvolle Waldwirtschaft für ihn anders aus. Diese beinhalte vielmehr das Anlegen von naturnahen, standortgerechten Mischwäldern, die sich natürlich verjüngen. „Die Robinie ist etwas ganz Spezielles“, betont der Forstamtsleiter.

Dieser Aussage kann Ute Schilling vom Grünflächenamt der Stadt Zerbst nur zustimmen. „Persönlich liebe ich die Robinie wegen ihrer duftenden Blüten und ich esse ihren Honig gern“, verrät sie lächelnd. Zur Begrünung von Stadtstraßen und als Alleebaum hingegen sei das schnell verzweigende und selten geradstämmige Gehölz nicht geeignet, sagt Ute Schilling. „Die Robinie ist schwer erziehbar und bildet keinen durchgehenden Leittrieb“, begründet sie. Problematisch sei auch die Totholzbildung. Zudem sei der florale Einwanderer anfällig für Braunfäule. „Aufgrund der starken Rinde ist es jedoch schwierig festzustellen, ob ein Baum hohl ist“, erklärt sie hinsichtlich der zu gewährleistenden Verkehrssicherheit. So bereitet ihr derzeit ein Phänomen Sorgen: „Ich beobachte verstärkt, dass Robinien in der Krone absterben“, erzählt Ute Schilling.

Unterdessen haben die Imker die Blüte im Blick, die ihre Bienen nach Raps, Ahorn und Obstbäumen anfliegen. „Dieses Jahr fällt sie allerdings nicht so intensiv aus“, sagt Manfred Werner. Schuld waren die verspäteten Kälteeinbrüche. Denn die Robinie sei sehr frostempfindlich, erzählt er, dass die eisigen Temperaturen die Knospen schädigen.

Ihr Honig sei aromatisch bis neutral, beschreibt der Vorsitzende des Imkervereins Zerbst und Umgebung den Geschmack des goldgelben Saftes. Zudem bleibe er im Gegensatz beispielsweise zum Rapshonig sehr lange flüssig, da er viel Fruchtzucker enthalte. Um ihn hier in der Region zu ernten, würden stets auch Bienenhalter aus anderen Bundesländern anreisen, weiß Manfred Werner. Aus seiner Sicht wäre es schön, wenn in der Feldflur wie schon einmal in der Vergangenheit wieder Robinien angepflanzt werden würden. „Das hätte einen Nutzen für alle Insekten“, betont der Imker.

Nicht zuletzt zeichnet sich die Robinie durch ihr hartes und dauerhaftes Holz aus, das im Spielplatzbau genauso Verwendung findet wie als Pfosten für Zäune. Darüber hinaus weist es exzellente Brenneigenschaften auf, wie Detlef Radtke schildert. Dennoch würde er der einheimischen Stiehleiche, dem allerersten Baum des Jahres überhaupt, der auch Dürreperioden trotzt, immer den Vorzug geben.