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Berufsfindung Zerbster im Helikopter-Simulator

Der Zerbster Gymnasiast Florian Westphal absolviert einen Schnupperkurs bei der Bundeswehr in Schönewalde/Holzdorf.

Von Gerhard Block 29.05.2017, 05:00

Zerbst/Schönewalde l Nein, das erste Mal war es nicht, dass Florian Westphal in einem Hubschrauber saß. Schon im Flieger der Bundeskanzlerin Angela Merkel konnte er Probesitzen – jedoch ohne abzuheben. Doch nun hatte der Zerbster Schüler des Gymnasiums Francisceum die Gelegenheit, selbst im Cockpit den Steuerknüppel in der Hand haltend einige Runden über das Gelände zu drehen.

Na ja, ganz richtig ist es nicht, denn wer lässt schon einen 16-Jährigen einen Hubschrauber steuern? Aber es war doch für Florian ein besonderes Erlebnis, in einem Militär-Flugsimulator das ABC des Fliegens erklärt zu bekommen und auch hier in die Luft zu gehen.

Bereits einige Male machten Karriereberater der Bundeswehr in Zerbster Schulen Halt, um für die möglichen Berufsrichtungen zu werben. „Als Schüler der zehnten Klasse blickt man doch schon in die berufliche Zukunft und stellt sich die Frage: ‚Was kommt nach dem Abi?'“, so Florian.

Die Bundeswehr mit ihren Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten interessieren ihn seit Jahren. So kam das Angebot des Informationsfeldwebels der Lufttransportgruppe Hubschraubergeschwader 64, Oberstabsfeldwebel Klaus Hubmann, den Standort in Schönewalde/Holzdorf zu besichtigen gerade recht. Ist hier doch einiges zu erleben und zu erfahren, was „Otto-Normalverbraucher“ in diesem Umfang sonst nicht geboten wird.

Bald war ein Termin ausgemacht und schon konnte kurze Zeit später nach dem Empfang am Haupttor die Rundfahrt durch das circa 1050 Hektar große Objekt starten. So ging es an der Truppenküche mit Mannschafts- und Unteroffiziersheim samt Bowlingbahn, modernen Sportstätten, wie Sporthalle und Außenanlagen, beheizter Schwimmhalle, und Fußballplatz, Tennisfeldern, Sauna und Unterkünften, Sanitätsversorgungszentrum, Schießsimulator, diversen Lagerhallen, dem Tanklager mit Bahnanbindung und an der Bekleidungskammer vorbei. Heizwerk und Lagerstätten, Fliegerhorstfeuerwehr und Stabsbereich schlossen sich an. Dann noch ein kurzer Stopp an der Ausbildungswerkstatt: Hier absolvieren jährlich zwölf Auszubildende ihre Wunschlehrstelle zum Elektroniker für Geräte und Systeme mit einer Lehrzeit von je dreieinhalb Jahren mit IHK-Abschluss.

Circa 1900 Bundeswehrangehörige - Soldaten samt Zivilbeschäftigte - in vier Dienstbereichen vom Bundeswehrdienstleistungszentrum, Sanitätsversorgungszentrum sowie vom Einsatzführungsbereich 3 und die Lufttransportgruppe des Hubschraubergeschwaders 64 sind hier stationiert.

Einige russische Hinterlassenschaften sind auch heute noch auf dem Gelände zu entdecken, wie ein typisches Ehrenmal, ein russischer Hubschrauber und einige Hangars, in denen die MIGs untergestellt waren, wie sie auch heute noch auf dem Zerbster Flugplatz zu sehen sind.

Die sachsen-anhaltisch-brandenburgische Landesgrenze verläuft quer über die Startbahn, auf der gerade mit Getöse drei Eurofighter unüberhörbar auf sich aufmerksam machen.

Noch eine Schranke versperrt den Weg, doch auch hier hilft die elektronische Zugangskarte des Informationsfeldwebels. Dann heißt es freie Fahrt zum eigentlichen Ziel, zur Lufttransportgruppe des Hubschraubergeschwaders 64, mit derzeit 14 von 20 geplanten stationierten Hubschraubern vom Typ CH-53.

Nach dem Bundeswehr-standort Bückeburg wurde im Jahr 2009 auf dem Fliegerhorst Schönewalde der Full-Flight-Simulator für den Hubschraubertyp NH90 in Betrieb genommen, welcher heute durch die Heeresfliegerkräfte aus Niederstetten genutzt wird. Jedoch auch aus fernen Ländern reisen die Nutzer zum Trainieren im Simulator an, wie zum Beispiel die Neuseeländische - Luftwaffe, welche hier, wie auch ihre deutschen Kameraden das gesamte Ausbildungsspektrum mit den Schwerpunkten „einsatzorientierte taktische Szenarien“ aber auch grundlegende Flugverfahren gelehrt bekommen, erklärte der Simulatoroffizier Oberleutnant Michael Maier dem Zerbster Besucher.

Florian, der Zuhause solche Simulator-Spiele am Computer ausprobierte, musste feststellen, dass das mit den hier praktizierten Übungen wenig zu tun hat. Der auf einer ausgeklügelten Anlage stehende 13 Tonnen schwere Simulator (Dom und Hydraulik) ist mit zirka 100 Rechnern verbunden. „Ich bin begeistert von der originalgetreuen künstlichen Darstellung durch acht Projektoren eines nahezu realistisch gelieferten Bildes samt dem 1:1-Nachbau des Cockpits. Ich komme mir vor, als wenn ich wirklich im Hubschrauber sitze und alles live erlebe“, so der Zerbster Flugschüler. Dabei erhielt Florian einen nur geringen Teil der vielen Schalter und Hebel erklärt, aber ausreichend, um den Hubschrauber starten, fliegen, in der Luft stehend, nach rechts und links schwenkend und auch sicher landen zu können.

Dabei war diesmal der simulierte Flug in Sachen Schwierigkeitsgrade bei gutem Wetter, perfekter Sicht vorgegeben. Der Trainer verzichtete auf Sandstürme in der Wüste, Gewitter, Schnee- und Regenschauer, Dämmerungs- oder Nachtflüge. Auch feindliche Angriffe und Notsituationen brauchte der Zerbster Gymnasiast nicht zu bewältigen.

Perfekt gelandet! Prüfung bestanden? Na, ganz so einfach ist es nicht. Bis 30 Flugstunden sind schon notwendig, um diesen einen Ausbildungsschritt hier zu bestehen. Aber Oberleutnant Maier zeigte sich für diese eine Übungsstunde recht zufrieden. Natürlich wollte Florian mehr über seinen beruflichen Werdegang wissen. Der 37-jährige Oberleutnant ist seit 2000 bei der Bundeswehr und fliegt jetzt seit 13 Jahren Hubschrauber – selbstverständlich nicht nur im Simulator. „Das war nach Beendigung meiner schulischen Laufbahn auch mein Berufswunsch“, fügte Michael Maier an, der hier auch im Rahmen der Bewerberbindung Schulklassen empfängt.

Doch die Zeit drängt und schon sollte der letzte Programmpunkt erfolgen. So durfte ein Probesitzen im echten Hubschrauber nicht fehlen. Dazu ging die Fahrt in einem anderen Bereich, zur Instandsetzungshalle. Hier werden die hier stationierten CH-53 Hubschrauber gewartet bzw. auf „Herz und Nieren“ überprüft. Die sogenannte kleine Durchsicht erfolgt nach 50 Flugstunden. Gerade steht die Hauptphaseninspektion an, die nach 200 Flugstunden durchgeführt werden muss. „Es scheint, als steht hier nur noch das Skelett“, stellte Florian bei der extra Führung durch den Hubschrauberbauch, in dem etliche Fahrzeuge zum Transport Platz finden, fest. Schließlich geht Sicherheit über alles.

Die Stunden vergingen für den Zerbster Schüler im wahrsten Sinne des Wortes wie im Fluge. „Gern hätte ich hier noch mehr Zeit verbracht“, wertet Florian den Besuchstag. So geht ein Dankeschön an alle, die sich Zeit genommen und ihm diesen Einblick ermöglicht haben. Nun gilt es erst einmal, die Informationsflut zu verdauen. Ob Florian den beruflichen Weg bei der Bundeswehr einschlagen wird? Etwas Zeit hat der Schüler der zehnte Klasse noch.