1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Zerbst
  6. >
  7. Unterwegs mit dem Mähdrescher

Ernte Unterwegs mit dem Mähdrescher

Entlang der Zerbster Straßen wirbeln sie Staub auf. Mähdrescher fressen sich durch das Getreide.

Von Sebastian Siebert 22.07.2016, 07:00

Steutz l Er würde auch gern einmal kurze Hosen tragen, sagt Christoph Leps. „Vor allem an Tagen wie diesen“, fügt er an. Am Himmel nur leichte Wolken, die trockene Erde reflektiert die Hitze der Sonne. Der Steutzer Landwirt macht große Schritte über das Feld unweit seines Dorfes. Kniehoch stechen die abgemähten Holme der Rapspflanzen empor. Sie sind fingerdick, ihre Enden scharf wie Messer. Kein Ort an dem kurze Hosen Sinn machen. „Da kommt er“, sagt Leps.

Er ist weder zu hörenn noch zu sehen. Jedenfalls nicht, wenn man direkt am Rand des Feldes steht. Der Raps ist fast mannshoch. Viele würden die Pflanzen so nicht mehr erkennen. Sie wirken wie abgestorben. Nichts erinnert mehr an die gelbe Pracht aus dem Frühjahr. Leps bricht eine Schote ab. Leicht öffnet sich das trockene Gehäuse. Darin sind schwarze Kugeln, vielleicht zehn an der Zahl, keine größer als zwei Millimeter. „Darum geht es“, sagt Leps. Jedes dieser Körner enthalte einen winzigen Tropfen Öl. „Ziemlich wenig, aber die Masse macht es“, so der Landwirt. „Daraus wird Speiseöl gemacht. Oder Biodiesel.“

Nun gibt es doch ein Geräusch. Leps tritt einige Meter zurück, die Kanzel des Mähdreschers rückt langsam näher. Es sind jetzt vielleicht zehn Meter bis zur Kante des letzten Streifen des Feldes, die gleich nur noch halb so breit sein wird. Die Halme knicken, das Gefährt schiebt sich in das Freie. Es ist eine Erntemaschine. Doch die Ausmaße sind aus der Nähe so gewaltig, dass sie bedrohlich wirken muss.

Es ist angenehm kühl im Fahrerhaus von Mitarbeiter Thomas Lisso. Die letzte Hitze schwindet schnell, sobald sich die gläserne Tür der Kanzel schließt. Lisso dreht das Radio leise. Verkehrsfunk interessiert ihn nicht. Da, wo er fährt, ist er allein. Es gibt keine anderen Fahrzeuge, keinen Stau. Seine Straße schneidet er sich selbst.

Der Blick reicht weit aus seiner Kanzel. Mehr als zwei Meter sitzt er über dem Boden. Die Scheiben fließen vom Dach bis zum Boden. Sie fallen schräg ab, damit er das Schneidwerk sieht. Rings um das Fahrerhaus sind Spiegel. Sie zeigen, was hinter ihm ist, was neben ihm ist, dort wo sein Auge es nicht direkt sehen kann. Wo kein Spiegel ist, übernehmen Kameras die Aufgabe, machen die letzten Winkel sichtbar. „Bei so viel Glas ist eine Klimaanlage Pflicht, sonst wäre das nicht auszuhalten“, erzählt er. Aber so gehe es. Eigentlich einer der besseren Plätze während der Erntezeit, fügt er an. Währenddessen schiebt sich der Koloss weiter über die letzte Bahn dieses Feldes. „Acht Kilometer pro Stunden machen wir“, sagt er. Weil der Streifen so schmal ist. Sonst sind es fünf.

Auf der Straße könne das 15-Tonne-schwere Gefährt bis zu 23 Stundenkilometer fahren. Dass er dabei die Autofahrer aufhält, sei ihm bewusst, aber er mache sich nichts daraus. „Wann immer ich kann, mache ich Platz, damit sie überholen können“, sagt er weiter. „Nur, wenn sie riskant überholen, werde ich wütend.“ Das sei nicht nötig. Überhaupt finde er, dass niemand genervt sein müsse, wenn eine Landmaschine vor ihm fährt. „Wir sorgen für Nahrung. Für Essen von hier. Das ist doch sehr wichtig. Da kann man das doch mal ertragen.“ Ihn selbst bringe es daher nicht aus der Ruhe, mal einige Minuten hinter einem Traktor auf der Straße festzuhängen. „Nein. Gar nicht“, betont er.

Die Zeit auf der Straße ist eh vergleichsweise gering. Auf dem Feld ist es viel mehr. Sehr viel mehr sogar. Kurz nach dem Mittag beginnt seine Fahrt. Ob es auch einmal langweilig werde? „Naja. Die ersten zwei Wochen gehen. Nachts wird es dann schon dröge. Aber manchmal kommt ein Kumpel vorbei und fährt mit, dann kann man sich unterhalten. Dann geht es.“ Die Schicht endet gegen Mitternacht, oft wird es länger. Je nachdem, ob der Wetterbericht Regen ankündigt und wie viel noch geschafft werden muss. Ausschlafen kann er dann dennoch nicht. „Um 7 Uhr beginnt der Tag. Dann geht es um die Wartung, die Gerätepflege.“ Erntezeit ist nichts für Mimosen.

Seit 15 Jahren lenkt er Mähdrescher. Dafür hat er erst einen Lkw-Führerschein machen müssen, dann den für die Landmaschine. Während der ganzen Zeit, sagt er, habe er noch kein Tier angefahren. „Gott sei dank“, betont er. Auch Feuer durch einen Treffer auf einen Stein und den dadurch möglichen Funkenschlag hat er noch nicht erleben müssen. „Darüber darfst du nicht nachdenken, wenn du das hier machst“, sagt er. „Dann kannst du nur rausspringen und rennen und hoffen dass du in die richtige Richtung rennst“, sagt er und hat einige Sorgenfalten auf der Stirn. Rings um den Koloss ist nur trockenes Getreide. Der Gedanke an einen Funken wird im Fahrerhaus zur Qual.

Wie ein Beiboot holt ein Traktor auf. Während er seine Geschwindigkeit drosselt, schwenkt Lisso den Ausleger aus. Einige Sekunden später fließen abertausende Rapskörner in einem dichten Strahl in den Anhänger des Traktors. Anhalten nicht nötig. Wenige Sekunden später ist die Maschine von Lisso mehrere Tonnen leichter. „Jetzt sind wir wieder nur halb voll. Der kommt gleich nochmal“, sagt er, während der Traktor Fahrt aufnimmt und die Ernte einfährt. Am Wegesrand klettern Männer in gelben Warnwesten von den Hochsitzen. Jäger, die auf Schweine lauern, welche Lisso aus dem Feld treiben könnte. Dieses Mal gehen sie leer aus. Sie ziehen um, zu dem Feld, dass Lisso als nächstes mäht.