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Flüchtlinge Austausch bei der Arbeit

20 geflüchtete Menschen besuchen seit dem Frühjahr regelmäßig das VHS-Bildungswerk in Zerbst.

Von Sebastian Siebert 30.11.2016, 05:00

Zerbst l Dass es so gut laufen würde, hatten Karin Zander und Sylke Wiedermann nicht gedacht. Gehofft bestimmt, aber ihre Erwartungen seien übertroffen worden, sagten beide.

Karin Zander arbeitet für die Diakonie in Zerbst und diese ist mit der Betreuung von Flüchtlingen beauftragt. Sylke Wiedermann ist die stellvertretende Leiterin des VHS-Bildungswerks in Zerbst. Seit Mai haben beide regelmäßig miteinander zu tun. Denn Karin Zander hat 20 Männer und Frauen an die VHS vermittelt. Dort nehmen sie an arbeitsmarktvorbereitenden Maßnahmen teil. Einmal in der Woche sind die Geflüchteten mit den anderen Maßnahmeteilnehmern zusammen.

Soziale Dienste nennt sich das Angebot der VHS. Dahinter verbergen sich Angebote meist für Langzeitarbeitslose, die durch die Beschäftigung auf den ersten Arbeitsmarkt vorbereitet werden sollen. Es gibt eine Schneiderei, eine Küche sowie eine Werkstatt, in der Metall- und Holzarbeiten ausgeführt werden. Mit dem, was dort produziert wird, unterstützen die VHS-Klienten beispielsweise Vereine. Die Küche versorgt die Klienten mit Frühstück und Mittagessen. Fünfmal in der Woche sind die Teilnehmer dort, lernen einen geregelten Tagesablauf kennen, pünktlich zu sein.

Dinge, die für die Geflüchteten ebenso eine notwendige Erfahrung sein könnten, dachte sich Karin Zander. Zudem brauchen ihre Klienten, nachdem sie mit dem Nötigsten – eine Unterkunft und Nahrung – versorgt sind, vor allem die Chance, Deutsch zu lernen, aber auch Kontakt zu Deutschen, um sich integrieren zu können sowie schlicht auch eine sinnvolle Beschäftigung.

Seitdem besuchen die Geflüchteten einmal in der Woche die Kurse. „Dienstags ist Nähen und Kochen, donnerstags das Handwerk mit Holz oder Metall“, sagte Karin Zander. Jeweils für drei Stunden sind die Männer und Frauen in dem Kurs, für den sie sich am meisten interessierten. „Zu erleben, wie sich alle Teilnehmer miteinander austauschen, ist schon großartig“, sagte Sylke Wiedermann. Die sprachlichen Barrieren seien natürlich groß, aber werden überwunden. „Die Ausländer verstehen eben das Wort ‚Hammer‘, wenn man es ein paar Mal gesagt und auf den Hammer gezeigt hat“, erzählte sie weiter. Von den anderen Teilnehmern seien die Neuankömmlinge gut aufgenommen worden. „Wir hatten ein wenig Bedenken, weil unsere Klientel oft eine vorgefasste Meinung hat“, sagte sie. Aber die Befürchtungen seien völlig unbegründet gewesen. „Die Flüchtlinge machen genau das, was die anderen auch machen“, betonte Karin Zander. Auch das schweiße zusammen.

Eigentlich, so schätzte sie weiter ein, sei das Projekt viel zu klein. Die Beschäftigung müsste sich über eine ganze Woche erstrecken und auch über mehrere Stunden. Ein Nachfolgeprojekt sei sinnvoll. Eine weitere Stufe, bei der sich die Menschen aus dem arabischen Raum den hiesigen Bedingungen anpassen könnten. Kontinuierliches Arbeiten müsse gelernt werden, in Deutschland sei das selbstverständlich. In Ländern mit extremer Hitze verschieben sich die Aktivitätszeiten in die Abendstunden.

„Ich habe mich immer gefragt, warum so viele hier studieren wollen“, gab sie ein weiteres Beispiel. Nachdem sie aber nun monatelang mit Geflüchteten zu tun hat, sagte sie: „Darunter verstehen sie nicht das Studium, das wir kennen. Es heißt einfach lernen. Das kann eine Ausbildung sein oder der Schulbesuch“, erklärte sie.

Auch die Ausbildung sei in Syrien eine andere. „Die dauert drei Monate. Du gehst zu deinem Onkel in das Frisörgeschäft, arbeitest drei Monate mit und danach bist du Frisörmeister“, sagte Karin Zander. Dass das in Deutschland anders ist, daran müssen sich die Ankömmlinge gewöhnen. Sowie daran, einmal sechs, sieben, acht Stunden durchzuarbeiten, fügte sie an.

Dabei habe das Projekt einen guten Weg gezeigt, allerdings enden Projekte. Dieses in der 50. Kalenderwoche, also übernächste Woche. Dann sei das Geld aufgebraucht.

Für die Kosten, die allein durch die Nutzung von Materialien entstehen, kommt das Projekt „Demokratie leben“ auf. Denn die anderen Teilnehmer werden über andere Töpfe finanziert, „da darf es keine Vermischung geben“, betonte Wiedermann.

Stephan Meurer von der externen Fachstelle „Partnerschaft für Demokratie“, welche eben solche Kleinprojekte kurzfristig fördert, hatte sich einen Überblick über die Zusammenarbeit verschafft und war sehr angetan.

Auch er glaube, dass eine Weiterführung des Projektes sinnvoll wäre. Allein, um die jetzigen Flüchtlinge weiterzubeschäftigen, aber auch um andere aufzunehmen. Denn der Bedarf, so hatte Karin Zander erklärt, sei da. „Wir hätten sehr viel mehr als diese 20 Stellen füllen können“, sagte sie. Es habe sich herum gesprochen, dass es ein gutes Angebot ist und Spaß macht, fügte sie an.

Meurer stimmte Zander zu, dass ein umfangreicheres Programm vielleicht genehmigungsfähig sei. „Aber dafür sind wir nicht zuständig. Dafür ist unser Aktionsfonds zu klein.“ Sollte es aber eine Neuauflage des kleinen Zerbster Projektes geben, „dann sind wir da“, sagte Stephan Meurer.