1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Zerbst
  6. >
  7. Antisemitismus ist Teil Zerbster Geschichte

Gedenken Antisemitismus ist Teil Zerbster Geschichte

Zum 80. Jahrestag der Pogromnacht haben sich knapp 300 Schüler bereits mit der jüdischen Geschichte von Zerbst beschäftigt.

Von Daniela Apel 29.10.2018, 07:00

Zerbst l Am 10. November 1938 gipfelt auch in Zerbst der geschürte Hass auf die Juden in einer Pogromnacht. Die Synagoge wird geschändet, geplündert und verwüstet, ebenso wie die jüdischen Geschäfte und Wohnungen. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer schrecklichen Entwicklung, die in Verfolgung, Deportation und Mord mündet.

Von der einstigen jüdischen Gemeinde in Zerbst zeugt heute nur noch wenig. Erhalten sind der jüdische Friedhof und Straßennamen. Jüdenstraße, Silberstraße und Kupfergasse listet Museumsleiterin Agnes-Almuth Griesbach auf, als sie die Achtklässler des Kurses „Evangelische Religion“ des Gymnasiums Francisceum mit der Geschichte des Volkes Isreal vertraut macht. Es ist eine Geschichte der Verfolgung und Ausgrenzung.

In den Augen der Christen sind die Juden Schuld an Jesus Tod. Sie werden an den Rand der Gesellschaft gedrückt und verhöhnt. Ausdruck findet dieser Antisemitismus im Mittelalter in Form der so genannten „Judensau“, die als Sandsteinplastik an einem Außenpfeiler der Nicolaikirche angebracht ist. Daneben existiert noch der Schmuckbalken eines Kaufmannshauses auf dem Markt, der das Spottbild trägt und den sich die Gymnasiasten im Museum der Stadt genauer anschauen.

Auch Claus-Jürgen Dietrich sieht sich interessiert die ins Holz geschnitzte Judensau an. Er ist Vorsitzender des Förderkreises St. Nicolai, der das Projekt „80 Jahre Pogrom 1938-2018. Antisemitismus in Zerbst“ gemeinsam mit dem Museum initiiert hat. Es findet mit Unterstützung des Rotary Clubs Zerbst statt und wird im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ von der Partnerschaft „Kreis der Vielfalt! Anhalt-Bitterfeld“ gefördert.

Das nach den Herbstferien gestartete und bis 10. November laufende Projekt richtet sich an Schüler ab Klasse 5. „Knapp 300 waren bereits bei uns im Museum“, freut sich Agnes-Almuth Griesbach über die Resonanz. Über zwei Unterrichtsstunden erstreckt sich das Beschäftigen mit dem Judentum. In den 90 Minuten erfahren die Mädchen und Jungen viel Wissenswertes über das israelitische Volk.

Der Kurs von Religionslehrerin Heike Richert wird dazu in zwei Gruppen aufgeteilt. Agnes-Almuth Griesbach nimmt die einen mit auf eine Zeitreise in die Vergangenheit. Ausgangspunkt ist die Bibel. „Das meiste über die Geschichte der Juden wissen wir aus dem Alten Testament“, erklärt die Museumsleiterin. Sie erwähnt die ägyptische Gefangenschaft, bevor der Sprung ins Mittelalter folgt und die Achtklässler schließlich in der Gegenwart ankommen.

Derweil befasst sich die zweite Gruppe mit Ritualen, Festen und Feiertagen. Die Schüler erfahren von Paul Globig, dass die Juden Tiere schächten, da sie kein Blut essen. „Denn das Blut ist der Sitz der Seele“, erläutert der Museumsmitarbeiter. Auch der Begriff „koscher“ fällt, der so viel bedeutet wie tauglich, gesund. Die Achtklässler verkosten Sabbatbrot und tauchen in die jüdischen Bräuche ein, hören von Chanukka (Lichterfest), Jom Kippur (Versöhnungstag) oder auch Pessach (Wallfahrtsfest zur Erinnerung an den Auszug aus Ägypten). Nach 45 Minuten wird getauscht.

In einem Flyer können die Gymnasiasten später noch einmal in Ruhe wichtige Eckdaten der jüdischen Geschichte in Zerbst und Anhalt oder auch Definitionen von Begriffen wie Deportation, Ghetto oder Pogrom nachlesen. Ebenfalls eingegangen wird auf die Stolpersteine, die der Kölner Bildhauer Gunter Demnig zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus seit gut 20 Jahren verlegt – auch in Zerbst hat er 40 dieser zehn mal zehn Zentimeter großen Messingsteine ins Gehwegpflaster eingelassen. Die Inschriften erzählen von Zerbster Juden, die während des Holocausts ermordet wurden.