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Gemeindewahlen Kirchenräte wichtiger denn je

Die Beteiligung an den Gemeindekirchenratswahlen ist bisher durchwachsen. Pfarrer Albrecht Lindemann zieht eine Zwischenbilanz.

Von Arlette Krickau 25.10.2017, 01:01

Zerbst l „Es verlief bisher sehr durchwachsen“, zieht Pfarrer Albrecht Lindemann eine Zwischenbilanz bei den Wahlen der Gemeindekirchenräte.

In einem Großteil der Gemeinden ist vergangenes Wochenende gewählt worden. Die Beteiligung – durchwachsen eben. „Unser Spitzenreiter war Mühlsdorf mit 90 Prozent Wahlbeteiligung“, freut sich Lindemann. Aber es gibt auch die andere Seite. Vor allem die großen Gemeinden der Stadt Zerbst wie St. Trinitatis und St. Bartholomäi sind unter zehn Prozent geblieben.

Albrecht Lindemann hat mehrere Erklärungsansätze. Zum einen sei das Engagement sehr unterschiedlich. In manchen Dörfern gibt es sogar fliegende Wahlurnen, sagt er. Da sei die Beteiligung natürlich höher.

In der Stadt sei so etwas nur schwer umsetzbar. „Uns fehlt hier einfach die Kraft. Nicht nur für fliegende Urnen, es fängt schon bei einer größeren Öffentlichkeitsarbeit an“, sagt er. Denn der Wahltermin war alles andere als am Gemeindeleben orientiert. „Hätte man ein Datum gewählt, an dem sowieso sehr viele auf den Beinen sind, wie beispielsweise Erntedank, was erst vor ein paar Wochen war, dann wäre es sicherlich anders gelaufen“, meint er.

Aber nicht nur Engagement, Kraft und Termin sind Gründe. „Ich glaube, dass auch die Brisanz in der eigenen Stimmabgabe nicht gesehen wird. Denn es lief ja bisher auch nach der Wahl immer weiter.“

Doch abgesehen von der reinen Stimmabgabe sei es auch eine Unterstützung der Kandidaten, der künftigen Räte, wenn sie sehen, dass sie Zuspruch erfahren. „Die mentale Unterstützung für die Räte in der Stadt ist hier ein wenig auf der Strecke geblieben“, drückt Lindemann sein Bedauern aus.

Aber vielleicht war es auch das Wahl-Prozedere, denn eine tatsächliche Wahl hatte nur die Gemeinde St. Marien im Ankuhn. Hier gab es auf sechs Mandate acht Bewerber. „Es wird aber niemand abgewählt“, betont Lindemann. Die zwei mit der geringeren Stimmenzahl werden dem Rat beisitzen und beraten, nur nicht stimmberechtigt sein.

Alle anderen Gemeinden waren aufgerufen, einem sogenannten Blockvorschlag zuzustimmen, oder ihn abzulehnen. „Es werden so viele Kandidaten wie Mandate da sind vorgeschlagen und in der Konstellation zur Abstimmung gegeben“, erklärt Lindemann. Diese Methode wird genutzt, da die Kandidaten für den Gemeindekirchenrat auch nicht gerade mehr werden.

Trotzdem werden zu jeder neuen Legislatur auch neue Mitglieder gefunden, die mitarbeiten wollen. 25 bis 50 Prozent der Räte seien neu auf ihrem Posten, sagt Lindemann. Das hänge von den Gemeinden ab. Lindemann sieht den Gemeindekirchenrat als eine der wichtigsten Institutionen vor Ort. „Es ist etwas urprotestantisches, die Entscheidungen an der Basis zu treffen“, sagt er überzeugt. So wie es sich in der lokalen und regionalen Politik entwickelt habe, so weit sollte es im kirchlichen Gemeindewesen nicht kommen, findet er. „Denn wenn die Leute nicht mehr selbst bestimmen dürfen, was in ihrer Gemeinde, in ihrer Kirche passiert, dann wird das Engagement sinken“, ist er sich sicher.

 Und gerade in diesen Zeiten müssten die Gemeinden hier gestärkt auftreten. Denn: „Die Entwicklung der Kirche geht Richtung Kompetenzballungen in den Kirchenverwaltungsämtern.“ Das wiederum führe zu einer Beschneidung der Entscheidungsgewalt der Gemeindekirchenräte. Es liege jetzt vor allem an den Gemeindekirchenräten, dass die Kompetenzen weiterhin vor Ort bleiben.

Dafür sei es notwendig, selbstbewusste, starke und auch von der Gemeinde gestärkte Gemeindekirchenräte zu haben. Aber nicht nur auf der lokalen Ebene, sondern auch auf den nächst höheren Ebenen. „2018 stehen die Kreis- und Landessynodewahlen an. Ich hoffe, hier werden wir für unsere Vertreter gute Kandidaten haben, die uns dort vertreten werden“, sagt Lindemann mit Kampfgeist in der Stimme. Synoden sind beratene und beschließende Gremien der evangelischen Kirche, ähnlich der Ausschüsse, dem Stadtrat oder Kreistag auf politischer Ebene.

Die Wahl der Gemeindekirchenräte auf lokaler Ebene ist noch nicht abgeschlossen. Am kommenden Wochenende wählen noch einige Gemeinden. In Bonitz und Pulspforde wird am Sonnabend zur Gemeindekirchenratswahl aufgerufen; in Nutha, Niederlepte, Hohenlepte und Jütrichau am Sonntag. Die Auswertung wird dann bekannt gegeben.