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Gericht Vollbart sorgt für Freispruch

Ein 45-jähriger Geschäftsmann aus Halle wurde am Donnertsag vom Gericht in Zerbst freigesprochen. Ihm wurde Nötigung vorgeworfen.

Von Bernd Kaufholz 24.08.2017, 23:01

Zerbst l Strafrichter Thomas Krille hat am Donnerstag einen 45 Jahre alten Geschäftsmann aus Halle vom Vorwurf der Nötigung freigesprochen.

Der Unternehmensberater hatte am 7. April 2017 vom Amtsgericht Zerbst in dieser Sache einen Strafbefehl in Höhe von 1500 Euro zugeschickt bekommen. Dagegen hatte er fristgerecht Einspruch eingelegt. Der Fall landete somit vor dem Strafrichter.

Hintergrund des Prozesses war ein Vorgang auf der Autobahn 9 bei Coswig, Richtung Berlin. Die Fakten: Ein 58 Jahre alter Münchner war am 16. Juli 2016 in einem A 5 unterwegs gewesen. Kurz vor Coswig wollte er gegen 18 Uhr auf der linken Spur mit etwa 150 Stundenkilometern ein anderes Auto überholen, als ein Audi R 8 hinter ihm auftauchte. Laut Staatsanwaltschaft Dessau fuhr der R 8 extrem dicht auf und der Fahrer betätigte mehrfach die Lichthupe, um den A 5 von der Spur zu jagen.

Als das nicht gelang, setzte sich der R 8 auf die Mittelspur und versuchte dort zu überholen, was aufgrund der Verkehrssituation jedoch ebenfalls nicht gelang.

Nachdem sich der A 5 wieder in der Mitte eingeordnet hatte, fuhr der R 8-Fahrer eine kurze Zeit links parallel zum A 5, schaute hinüber und setzte sich dann kurz vor das Fahrzeug. Im selben Augenblick bremste er dermaßen stark ab, dass es beinahe zu einem Auffahrunfall gekommen wäre.

Der angeklagte Geschäftsführer antwortete gestern auf die Frage von Richter Krille, ob er sich zum Autobahn-Geschehen im Sommer des vergangenen Jahres äußern wolle: „ Ich würde ja etwas dazu sagen, aber ich war an jenem Tag gar nicht auf der Autobahn.“ Dann erklärte er: „Einen Tag zuvor hatte meine Tochter ihre Geburtstagsfeier in Halle - von 10 Uhr bis etwa 20 Uhr.“ Dabei gewesen seien außer seiner Tochter, seine Noch-Ehefrau, mit der er in Scheidung lebe, und einige Kinder.

Krille: „Und wo war dann das Auto?“

Der 45-Jährige gab daraufhin einen kleinen Einblick in sein Manager-Leben: „Ich habe zwei Firmenwagen. Die stehen mal am Flughafen München oder am Hauptbahnhof Berlin. Im Sommer 2016 hatte ich bundesweit vier, fünf Aufträge und war viel unterwegs.“ Wenn er eines seiner Autos irgendwo abgestellt habe, um mit Flugzeug oder Bahn weiter zu reisen, habe er Leute beauftragt, die Fahrzeuge zum Firmensitz zurück zu bringen. „Doch wer das an jenem Tag war, das kann ich beim besten Willen nicht mehr sagen.“

Appelle vom Richter und der Staatsanwältin an das Erinnerungsvermögen des Firmenchefs blieben ohne Erfolg.

Der ausgebremste A 5-Fahrer, ein Münchner Bildjournalit, der für seine Zeugenaussage eigens aus Dubai angereist war, schilderte die Situation und gab an, den Fahrer später aufgrund eines Fotos auf der Firmenhompage wiedererkannt zu haben. Und genau an dieser Stelle hakte Rechtsanwalt Zuberbier ein. Hatte doch der Mann auf der Internetseite des Unternehmens und der Fahrer des „Dränglers“ keinen Bart. Im Gesicht des Mannes auf der Anklagebank wucherte hingegen ein schwarzer Vollbart.

Das veranlasste den A 5-Fahrer und seine 50 Jahre alte Beifahrerin zur Aussage: „Nein, einen Bart hatte der Fahrer des R 8 nicht.“ Der Bildjournalist räumte zudem ein, den Fahrer erst aufgrund des (veralteten) Firmen-Bildes wiedererkannt zu haben. Aus acht Vorlagen, die ihm die Polizei vorgelegt hatte, hatte er zuvor drei herausgepickt. Keines zeigte den 45-Jährigen.

Nun kann man sich ja innerhalb eines Jahres einen Karl-Marx-Bart wachsen lassen. Aber der Angeklagte legte dem Gericht datierte Handyfotos vor, die ihn bei der eingangs erwähnten Geburtstagsfeier seiner Tochter zeigen - ohne Bart.

Letztlich blieb der Staatsanwältin nichts anderes übrig, als Freispruch zu beantragen. Dem schloss sich Richter Krille an: „Im Zweifel für den Angeklagten.“ Dem Mann aus Halle gab er auf den Weg, dass er die Sache mit dem Bart schon hätte früher ins Verfahren einbringen können. „Dann hätten Sie uns allen den Termin und der Staatskasse Kosten erspart.“