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Fotorätsel Einst Kommandantur, nun Apotheke

Gesucht wurde das Haus an der Dessauer Straße 41 bis 43 in Zerbst.

Von Daniela Apel 04.02.2017, 06:00

Zerbst l „Das ist die ehemalige sowjetische Kommandantur“, erkennt Jürgen Schmidt das gesuchte Objekt sofort. „Bis Mitte der fünfziger Jahre ist das Gebäude durch einen hohen Bretterzaun abgeschottet gewesen“, erzählt der Zerbster. Als Kind kam er dort oft vorbei, wenn er seine Tante in der Albertstraße besuchte. Erwachsene hingegen mieden die Dessauer Straße eher, berichtet er von den Kontrollen, die die russischen Patrouillen ab und zu durchführten.

Und an ein weiteres unvergessliches Ereignis erinnert sich Jürgen Schmidt. Als der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin am 12. April 1961 mit der Trägerrakete „Wostok 1“ zum ersten bemannten Weltraumflug aufbrach, gehörte er zu der Schülerdelegation der 1. Oberschule, die zu der nur wenige hundert Meter entfernten Kommdantur marschierte. Gemeinsam gratulierten sie dem Kommandeur nebst Gattin zu dem erfolgreichen Flug Gagarins. Auch ein Offizier war bei den Glückwünschen anwesend. „Ich habe den Strauß Tulpen überreicht“, erzählt Jürgen Schmidt.

In den sechziger Jahren sei die Kommandantur dann in die von der Roten Armee genutzten Wilhelminische Kaserne verlegt worden. „Aber sowjetische Familien haben weiterhin in dem Gebäude gewohnt“, erklärt der Zerbster. Leider hätten die Russen keinen Wert auf Werterhaltung gelegt, bedauert er. Völlig heruntergekommen sei das Haus gewesen, in dem heute unter anderem die „Neue Apotheke“ untergebracht ist.

Auch Hans-Hermann Holländer aus Zerbst erinnert sich: „Das Foto zeigt die ehemalige sowjetische Kommandantur in der Dessauer Straße 41 bis 43. Nach aufwendiger Renovierung wird es von der Neuen Apotheke und Arztpraxen genutzt“, schreibt er in seiner Auflösung.

Und weiter: „Bis Mai 1945 befand sich dort der Reichsnährstand, eine Abteilung des Landkreises Zerbst,es war zuständig für die Ausgabe der Lebensmittelkarten und Bezugscheine. Meine Mutter erzählte mir, dass sie nach meiner Geburt am 31. Juli 1941 dort die Lebensmittelkarte abholen wollte. Da bereits Lebensmittel knapp waren wurde nun versucht das Geburtsdatum auf 1. August 1941 zu verschieben um die Lebensmittelkarte für Monat Juli ein zu sparen“, sagte er. Erst nach Vorlage eines Schreibens der Hebamme Schwester Martha habe sie die Lebensmittelkarte bekommen. „Ab 1945 besetzte die Rote Armee– wir sagten immer die Russen,später Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland–das Haus und dort residierte der Kommandant der Garnison. Später wurde es als Wohnhaus genutzt bis zum Abzug der sowjetischen Streitkräfte.“

Und er erinnert sich noch an mehr: „Bis 1952 gab es in den Herbst-und Wintermonaten Stromsperren, wo in den Abendstunden Straßenweise der Strom abgeschaltet wurde. Nur die Kommandantur, Flugplatz, Krankenhaus und Wasserwerk waren davon nicht betroffen.“

Dann fällt ihm noch ein: „Ungern ging ich als Kind durch die Dessauer Straße da ich schlechte Erinnerungen hatte. Mein Opa Otto Frens hatte ein Lebensmittelgeschäft Am Klapperberg, da es an Lieferfahrzeugen fehlte, bauten wir uns einen zweirädrigren, gummibereiften Transportwagen. Mit diesen holten wir von der Kolonial-Warenhandlung Lüdicke Fritz-Brandt-Str. Säcke mit Mehl,Zucker und Salz. Wir nannten ihn liebevoll ‚Gummiwagen‘ da er gute Dienste leistete. Eines Tages kamen wir mit unserer sieben Zentner schweren Ladung an der Kommandantur vorbei,da hörten wir ‚Stoi, Kamerad‘ und dachten sie wollte Lebensmittel haben. Nein, sie hatten gesehen, dass unsere Räder gute Gummireifen hatten“, so Holländer.

Diese stammten von einem alten B-Krad und hatten die gleiche Bereifung wie ihr B-Krad “Molotow” auch. „Unsere Bereifung wurde beschlagnahmt und an Ort und Stelle erfolgte die Montage der Räder. Wir bekamen die alten Reifen, bei denen das Profil abgefahren war und waren froh ohne Panne es bis zur Fohlenweide-Siedlung geschafft zu haben.“

Hans-Joachim Heinemann aus Zerbst weiß das Rätsel auch zu lösen. Er erinnert sich: „Meine Eltern hatten freundschaftliche Beziehungen zu den dortigen Offizieren und ich spielte bis 1963 mit den Offizierskindern. Denn wir wohnten genau gegenüber in der Dessauer Straße 30. Wir hatten seit 1959 schon einen Fernseher und die Offiziere schauten bei uns immer mal mit. So auch, wie ich mich erinnern kann auch den Film ‚Das grüne Ungeheuer‘

Noch immer gegenüber wohnt Marion Schiller. „Ich glaube, wir haben damals den Fotografen noch gesehen“, sagt sie am Telefon. „Mein Mann und ich haben uns damals gefragt: Wozu fotografiert man denn so ein häßliches Haus?“ erzählt sie am Telefon und fügt lachend an: „Jetzt weiß ich´s ja. Damit es mal in der Volksstimme ist.“

Auch Helmut Hehne aus Zerbst kennt die richtige Antwort und erinnerte sich auch an die Funktion als Reichsnährstand. Dass es sich die Zeit Ende der 1980er Anfang der 1990er Jahre gehandelt haben muss, in denen das Foto entstand, war allen Anrufern klar. Genau lässt es sich leider nicht ermitteln, weil es auch Harald Handrich, der Urheber des Bildes, nicht genau weiß. Auf der Rückseite ist auch kein Datum vermerkt.

Richtig lagen auch: Horst Welauer, Detlef Teßmann, Gudrun Franke, Helmut Lehmann, Helga Reinald (alle aus Zerbst) Birgit Herrmann aus Nutha, Helmut Morbach aus Güterglück, Lothar Platte aus Schora sowie Beatrix Bornschein, die in Halle wohnt und von dort aus anrief. Einen Preis gewinnt Gudrun Franke.