Hitze Der Neue ist heißer als der alte Herr
Die Volksstimme stellt die heißesten Jobs in Zerbst vor. Der fünfte Besuch galt der Holzofenbäckerei Handrich.
Zerbst l Wenn Nachtschwärmer langsam Bettschwere bekommen, dann gehen in der Holzofenbäckerei Handrich auf der Zerbster Breite die Lichter und Backöfen an. Zugegeben, sicher nicht Jedermanns Sache, doch gerade im Hochsommer auch ein Vorteil, denn wenn die Sonne am Vormittag langsam zu glühen beginnt, machen Marco Handrich und seine Bäcker Feierabend. Da heißt es dann schlafen und anschließend ein schattiges, kühles Plätzchen suchen.
„Um 1.30 Uhr ist Arbeitsbeginn, freitags und bei größeren Bestellungen auch mal früher“, sagt Handrich. In der Regel sei es da noch relativ angenehm in der Backstube. Anders sei das jedoch in den sogenannten tropischen Nächten. Meteorologen sprechen in unseren Breiten von einer tropischen Nacht, wenn die Temperaturen die ganze Nacht nicht unter 20 Grad sinken. Da steht den Bäckern schon bei Arbeitsbeginn der Schweiß auf der Stirn. Dabei sind die Öfen gerade erst angelaufen. Trotzdem ist es schon drückend und heiß in der Backstube.
Die Sommerhitze des Vortages steht noch im Raum. „Da weht kein Lüftchen, egal was man alles an Türen und Fenstern zum Lüften öffnet“, erklärt der Bäckermeister. Da seien dann die Temperaturen nachts bei Arbeitsbeginn ähnlich wie am Feierabend tags zuvor. „Da klettert das Quecksilber schon mal auf 50° Celsius und mehr in der Backstube“, so Handrich. Aber nicht nur die Temperaturen würden dann zur Qual werden, auch die steigende Luftfeuchte sei nicht gerade angenehm. „Da trinken wir schon mal drei Liter Wasser und mehr pro Schicht“, sagt er und greift zur Wasserflasche.
Die Arbeit in der Hitze birgt besondere Risiken, warnen Experten. Hohe Temperaturen, Wärmestrahlung und schwere körperliche Tätigkeiten treiben die Körpertemperatur in die Höhe. Hinzu kommt häufig, dass falsch ausgewählte Arbeitskleidung zusätzlichen Wärmestau verursacht. Das alles kann den Organismus zu stark belasten. Auch wenn es in der Arbeitsumgebung nur zeit- oder stellenweise heiß wird, sind die Gefahren nicht zu unterschätzen.
Mehr als 15 verschiedene Brotsorten hat Bäckermeister Marco Handrich im Sortiment, von denen mindestens fünf täglich im Angebot sind. Tradition ist bei Bäckermeister Handrich nicht nur ein Wort. „Brot und Brötchen backen wir noch in unserem Holzofen, den wir liebevoll ,unseren alten Herrn‘ nennen“, erklärt der Bäckermeister. Der Ofen werde in diesem Jahr stolze 181 Jahre alt. „Wir leben also traditionelles Handwerk noch und werben nicht nur damit“, erzählt Handrich stolz. Und erstaunlicherweise ist es auch der „alte Herr“, der dem Bäckermeister und seinen Mitarbeitern die wenigsten Schweißperlen auf die Stirn treibt. „Das gute Stück ist so gut isoliert, dass er den größten Teil der Hitze nach innen, zum Backen von Brot und Brötchen abgibt und nicht nach außen, um uns mürbe zu machen“, scherzt Marco Handrich.
Anders sei das bei dem modernen Etagenofen. Hier komme man schon eher ins Schwitzen. „Der heizt uns richtig ein und bringt die Backstube schnell auf Temperatur“, weiß der Bäckermeister. Aber gebraucht würden eben beide Öfen. Deswegen bleibt dem Backstuben-Team nichts anderes übrig, als irgendwie der Hitze zu trotzen.
Natürlich kommen nicht nur die Fans von Holzofenbrot- und -brötchen auf ihre Kosten, auch für Kunden die süße Leckereien bevorzugen, wird gebacken.
Pfannkuchen mit verschiedenen Füllungen, Spritzkuchen, Plundergebäck, Torfsteine und vieles mehr schmücken die Vitrine der Bäckerei Handrich, die seit kurzem in neuem Glanz erstrahlt. Längst haben sich Handwerk und Qualität der Holzofenbäckerei Handrich in Zerbst und Umgebung herumgesprochen. Mittlerweile gibt es unzählige Stammkunden der Traditionsbäckerei. Nicht selten bilden sich lange Kunden-Schlangen, gerade morgens, freitags oder vor Feiertagen, die manchmal bis nach Draußen reichen. Egal ob Sommerhitze oder Frost im Winter – gebacken wird bei jedem Wetter.
