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Hospiz Zerbst  Der Grad zwischen Distanz und Nähe

Seit Juni sind die ehrenamtlichen Hospizbegleiter des Malteser Hospizdienstes entsendet. Seitdem haben sie 19 Begleitungen angenommen.

Von Sebastian Siebert 26.10.2016, 01:01

Zerbst l Sie sei einigermaßen überrascht gewesen, als sie die aktuellen Zahlen nachgeschlagen habe, sagte Gundula Heyn, Leiterin des Malteser-Hospiz-Dienstes in Zerbst. 19 Begleitungen hat ihr Team aus zwölf ehrenamtlichen Hospizbegleitern schon angenommen. Das sei eine beachtliche Leistung, merkte sie an. „Zehn Begleitete sind verstorben, drei Begleitungen wurden aus verschiedenen Gründen abgebrochen, sechs laufen noch“, berichtete sie. Im Kreis hatten sich die Leiterin und die Helfer um ein herbstliches Gesteck versammelt. Fallbesprechung. Dabei gingen die Ehrenamtlichen auf konkrete Fälle ein, besprachen und reflektierten diese. Reden ist das wichtigste Mittel der Hospizbegleiter, sowohl mit ihren Hilfesuchenden als auch untereinander.

Mittlerweile haben fast alle Ehrenamtlichen ihren ersten Fall betreut. Ob es schwierig sei, einen fremden Menschen zu besuchen und Kontakt aufzunehmen, beantwortete die Hospizhelferin Reinhild Richter so: „Ganz unvorbereitet gehen wir ja gar nicht rein.“ Bei ihrer ersten Betreuung wusste sie, dass die Frau Kinder hat, ihren Garten geliebt hat und eine Familienfrau war. „Da hab‘ ich mir Gedanken gemacht, womit ich sie erfreuen könnte“, erzählte sie weiter. „Ich habe ihr einen Zweig Rosmarin mitgenommen, sie daran riechen lassen.“ Sie habe spüren können, dass die Sterbende das registriert und gespürt hat. „Über Düfte, aber auch über Lieblingsmusik, könne man gut in den Kontakt kommen“, sagte sie. „So war es jedenfalls bei mir.“

Ihre Erfahrung über den ersten Kontakt schilderte Marianne Graßhoff so: „Man stellt sich vor und hört dann zu.“ Der Sterbende teile sich seinen Angehörigen nicht unbedingt so mit wie einem Fremden. Manchmal, weil die Angehörigen es nicht zulassen. „Sie wollen es oft nicht wahrhaben“, fügte sie an. Der zu Begleitende sei der Wissende, die Angehörigen klammeren sich oft an Hoffnungen. „Der Ehrenamtliche traut sich, die Probleme anzusprechen. Das ist eben die Hilfe für den zu Begleitenden. Der möchte nämlich oft die Angehörigen auch ein wenig beschützen“, ergänzte Gundula Heyn. Darüber hinaus können die Helfer durch ihre Ausbildung, die sie bei den Maltesern genossen haben, auch ganz praktische Tipps geben. „Wo kriegt man welche Dinge, wie zum Beispiel einen Rollator, her?“, sagte Marianne Graßhoff.

Da auch die Angehörigen Hilfe brauchen, werden speziell Trauerbegleiter ausgebildet, die ihnen zur Seite stehen können. Roswitha Tüllner ist Hospizbegleiterin und lässt sich zusätzlich zur Trauerbegleiterin ausbilden. Für sie sei die Trauerbegleitung eine Fortführung der Hospizausbildung. „Es ist schon wichtig, dass man den Hospizbegleiter hat, um auch nachher in der Trauerbegleitung wirken zu können“, berichtete sie. Das sei zumindest von Vorteil. Dass die Angehörigen jedoch von der gleichen Person betreut werden, wie der Sterbende, sei nicht unbedingt vorgesehen, informierte Koordiantorin Gundula Heyn. „Der Trauerbegleiter kommt von außen und hat eine andere Sicht. Wenn man vorher als Hospizbegleiter die ganze Zeit drin war, ist das nicht mehr gegeben“, ergänzte sie. Man habe eine Position zu der Person, die man da begleitet habe, berichtete sie. Roswitha Tüllner könnte sich aber vorstellen, dass es auch angenehm sein könnte, wenn Hospiz- und Trauerbegleitung von einer Person komme. „Schließlich ist man ja schon vertraut“, sagte sie.

Es sei eine Gradwanderung zwischen Distanz und Nähe, berichtete Margrit Taeger aus ihren Erfahrungen. Man müsse sich selbst schützen, man müsse aber auch zulassen, das Leid in sich aufzunehmen und mit dem Sterbenden zu kommunizieren, „auf verschiedene Art und Weise.“ Eine Träne, sagte sie, könne mehr sagen als alle Worte.

Warum die Frauen sich für dieses Ehrenamt entschieden haben, erklärten sie mit sehr unterschiedlichen Gründen. Einen Grund nannten sie aber fast alle: Sie wollen etwas dagegen tun, dass jemand beim Sterben allein ist. Und das, so sagten viele der Hospizhelferinnen übereinstimmend, werde in den kommenden Jahren ihrer Ansicht nach zunehmen.

Auch deshalb möchte Gundula Heyn ab Januar weitere Begleiter ausbilden.

Kontakt für Hilfe, aber auch für das Ehrenamt: 03923/ 6 12 91 51.