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Fünfter Jugendgerichtstag am Landgericht Dessau befasst sich mit Migration und Fremdenhass Justizangestellte prüfen den eigenen Blick auf Migranten

30.10.2012, 01:18

Von Franziska Richter

Dessau l Wie gehen wir mit Menschen mit Migrationshintergrund um? Diese Frage stand zum 5. Jugendgerichtstag im Landgericht Dessau-Roßlau zur Debatte. Dabei wollten sich Angestellte der Justiz einmal selbst in Ausländer hineinversetzen und ihre Probleme nach vollziehen können, vor allem aber den eigenen Umgang mit jungen Migranten überdenken.

Die Idee zum Thema "Perspektivwechsel - Menschen aus anderen Kulturen im Blickfeld der Justiz" kam von den Mitarbeitern in und um die Justiz selbst. "Der Vorschlag zum Thema entstand bei den Jugendrichtern und den sozialen Einrichtungen", erklärt Dr. Winfried Holthaus, Vizepräsident des Landgerichts.

Zu der ganztägigen Veranstaltung waren vor allem Jugendrichter, Jugendstaatsanwälte, Vertreter der Polizei, des Sozialen Dienstes, der Jugendämter und Mitarbeiter der Jugendhilfe anwesend. Der Präsident des Oberlandesgerichtes Naumburg, Winfried Schubert, begrüßte die Veranstaltung als äußert engagierte Auseinandersetzung der Justiz mit dem Thema Migration.

Laut Statistiken gäbe es in Sachsen-Anhalt zwar weniger antisemitische Einstellungen als in anderen Bundesländern, doch die Realität sähe anders aus - mit deutschen Fußballfans, die sich in der Ukraine mit Hitlergruß in Szene setzen und mehr, betonte Schubert. Eine echte multikulturelle Gesellschaft "darf sich nicht beschränken auf exotisches Essen oder bunte Trachten", plädierte er für eine Gesellschaft mit Migranten.

Der gut besuchte Jugendgerichtstag sah Vorträge zu Fremdenhass, Diskussionen und eine Lesung vor.

"Nach zwei, drei Generationen ist der Migrationshintergrund vielleicht nicht mehr so wichtig."

Richterin Siegrun Baumgarten

Der Migrationshintergrund einer Person spielt in der Justiz selbst auch eine Rolle. Hat ein Jugendlicher Migrationshintergrund, ist er etwa erst vor wenigen Jahren mit seiner Familie nach Deutschland gekommen, muss das in die Beurteilung einbezogen werden. Bei Prozessen gegen Jugendliche werden ihnen Jugendgerichtshelfer zur Seite gestellt: Sie untersuchen die familiäre Situation der Jugendlichen, ihre Ausbildungs- oder Berufssituation, vor allem die geistige Reife und geben Empfehlungen zu Strafmaß oder Auflagen. "Nach zwei, drei Generationen ist der Migrationshintergrund des Jugendlichen vielleicht nicht mehr so wichtig", sagt Richterin Siegrun Baumgarten, derzeit Direktorin am Amtsgericht Wittenberg. Aus ihrer Erfahrung kann sie sagen, dass es allgemein sehr wenige Verfahren mit jugendlichen Migranten gibt, auch weil wenige Migranten in Sachsen-Anhalt leben.

Auf der anderen Seite des Themas stehen Straftaten oder Vergehen, die Jugendliche aus rassistischen Gründe begehen. Auch hier, kann Richterin Baumgarten aus ihrer Arbeit ableiten, steige die Anzahl rassistischer Taten nicht an. Die wenigen Fällen von Beleidigung oder Körperverletzung beruhen oft auf Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen oder Jugendgruppen. Da die Justiz bei Jugendlichen vor allem erzieherische Maßnahmen einleitet, setzt man bei rassistischen Vorfällen zum Beispiel auf Anti-Aggressions-Training, Seminare und Arbeiten bei gemeinnützigen Einrichtungen.