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Kirchenglocken Die zwei schweigenden Glocken

Zwei von vier Glocken der St.-Nicolai-Kirchenruine in Zerbst funktionieren seit einigen Monaten nicht mehr.

Von Emily Engels 16.04.2017, 01:01

Zerbst l Wenn am Ostersonntag ab 10.20 Uhr die Glocken zur Erinnerungen an die Bombardierung am 16. April 1945 in Zerbst läuten, werden zwei Glocken im Geläut fehlen. Der Grund: Die Gloriosa (Festglocke) und die Nicolaiglocke der St.-Nicolai-Kirchenruine funktionieren derzeit nicht.

Um dem Problem auf den Grund zu gehen, geht es hoch auf den Kirchturm von St. Nicolai. Mario Gabler, der Vorsitzende des Gemeindekirchenrats, zeigt auf einen der modernen Linearmotoren, der die etwa 4,5 Tonnen schwere Glocke zum Schwingen bringen soll. Das funktioniert mit einem Magnetfeld.

Der Abstand zwischen Motor und Reaktionsplatte sollte daher genau Millimeter betragen. Ist er zu groß, wird der Motor überlastet, ist er zu klein, könnten sich Platte und Motor beim Schwingen berühren und es gibt einen Kurzschluss. Letzteres ist leider passiert.

Aber auch die Aufhängung einiger Glocken bereitet Mario Gabler und seinen Kollegen vom Gemeindekirchenrat Sorgen. „Jeweils drei Haltebänder ziehen die Glockenkrone nach oben fest an das Joch aus Eichenholz“. Eigentlich kann man durch ein Gewinde die Stahlbänder nach oben ziehen und die Glocke sitzt wieder fest am Joch. Allerdings sei dies bei beiden Glocken bereits bis zum Gewindeende passiert. Jetzt müssen die schweren Glocken abgesetzt und die Stahl-Haltebänder komplett durch neue, kürzere ersetzt werden, um das Problem zu beheben.

Dass die beiden Glocken gerade zum Ostersonntag, auf den dieses Jahr auch das Gedenken an die Bombardierung in Zerbst fällt, nicht funktionieren, findet Mario Gabler zwar bedauerlich, er glaubt allerdings, dass es nicht allzu sehr auffallen werde. Denn die Apostelglocke und die Stadtglocke werden weiterhin läuten. Trotzdem solle das Problem so schnell wie möglich angegangen werden. „Wir sind mit der Firma, die die Glocken installiert hat und für die Wartung zuständig ist, bereits in Kontakt“, so der Gemeindekirchenrats-Vorsitzende. Was das Ganze kosten werde, sei derzeit nur schwer zu sagen. Auch, wer am Ende die Kosten hierfür zu tragen hat.

Obwohl zwei der Glocken derzeit nicht funktionieren, ist der Gemeindekirchenrat stolz auf die Glocken von St. Nicolai. „Sie sind deutschlandweit von historischer Bedeutung“, erzählt Gabler. Die Gloriosa ist eine der drei größten, in Deutschland noch erhaltenen Glocken des 14. Jahrhunderts. So sei es fast ein Wunder, dass die 1378 gegossene Festglocke und die 1447 entstandene Nicolai-Glocke nach dem Krieg erhalten geblieben sind.

Im Turm von St. Nicolai befindet sich übrigens noch eine weitere Glocke, die jedoch bereits seit 1945 verstummt ist: die Uhrenglocke von 1477. „Wenn sich hier einige Spender finden würden, könnte man diese Glocke mit dazugehöriger Turmuhr wieder installieren“, so Gabler. Das Anschlagen der Glocke wäre dann zu jeder Viertelstunde zu hören.