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Klärung Anrainer wollen keinen Weg

Rückbau oder Pachtvertrag - am Wall in Lindau muss geklärt werden, wie mit den Flächen weiter verfahren wird.

Von Petra Wiese 23.06.2016, 16:00

Lindau l Statt das Fußballspiel Deutschland gegen Nordirland zu verfolgen, gab es für Anwohner der Grünen Straße in Lindau am Dienstagabend wichtigere Dinge. Der Zerbster Bürgermeister Andreas Dittmann hatte zu einem Vor-Ort-Termin am Wall eingeladen. Am Wall waren Baumkontrollen durchgeführt worden, es wurde ausgelichtet, abgeholzt, der Dschungel gelichtet. Zum Verdruss der Anrainer. Eine Anzeige wurde erstattet, dass Vögel beim Brüten gestört wurden.

„Ausgangspunkt war, dass wir endlich in Lindau soweit mit den Baumkontrollen vorangekommen sind, dass wir auch im Bereich Wall tätig werden konnten“, erklärte Andreas Dittmann. Erheblicher Maßnahmebedarf war hier festgestellt worden. Zu lange wurde hier überhaupt nichts gemacht. Gerade war auch der letzte Teil des Weges über den Wall – Bestandteil des Wegenetzkonzeptes – fertig gestellt worden. Der Weg auf dem Wall entlang ist ein öffentlicher Weg, verwies Dittmann auf die Verkehrssicherungspflicht der Stadt.

Eine Magdeburger Firma war mit den Pflegemaßnahmen am Wall beauftragt worden. Dass Fremdfirmen hinzugezogen werden, ist nicht ungewöhnlich, wenn die Kapazität des Bauhofes nicht ausreicht. Doch die Arbeiten stellten sich als ein schwieriges Unterfangen dar. Es war teilweise kein Rankommen von der äußeren Seite. Beim Blick in die Flurkarte wurde schließlich festgestellt, dass hier kommunale Fläche von den Anrainern in Beschlag genommen wurde. Ob es da vor Jahrzehnten irgendwelche Absprachen gegeben hat, ist heute nicht mehr nachvollziehbar und nicht schriftlich hinterlegt. „Wir wollen das auch gar nicht ahnden“, beruhigte Andreas Dittmann die Bürger.

Ein Drei-Meter-Streifen unterhalb des Walls wäre notwendig, um mit Technik ran zu kommen. Diesen Zugang freizuhalten, würde Rückbau für die meisten Anrainer bedeuten, die hier Zäune errichtet, Gartenanlagen und Biotope angelegt, Tiergehege hergerichtet haben. Die ersten wichen vor der anrückenden Technik bereits zurück. Ortsbürgermeister Helmut Seidler wird Absicht unterstellt. Auch berichteten Bürger, von ihm unter Druck gesetzt worden sein, um einen kurzfristigen Rückbau zu fokussieren.

Für den Ortsbürgermeister ist die Sachlage eindeutig. Es sollen die Grundstücksgrenzen nach Liegenschaftskarte eingehalten werden. Er sieht den Wall im Kontext mit der gesamten Burganlage. Der Wall ist Teil des Bodendenkmals samt der Fläche des ehemals vorgelagerten Wassergrabens. „Wir brauchen Zugang zum Böschungsfuß“, so Seidler. Um historisch korrekt zu sein, müssten alle Bäume abgeholzt werden. Das wolle man jedoch nicht, versicherte Seidler, nur die Chance, zu pflegen.

Nachdem ihm der Unmut der Bürger zugetragen wurde, hat der Zerbster Bürgermeister die Bremse in Lindau gezogen. Hier besteht erst einmal Klärungsbedarf. Mit Mitarbeiterinnen von zuständigen Ämtern der Stadtverwaltung hörte er sich die Einwände der Bürger an. Die Beschwerden reichten vom Abholzen gesunder Bäume, über Vogelnester, die nicht mehr da sind, zunehmenden Unrat oder Jugendliche, die sich am Wall aufhalten und Flaschen über die Zäune werfen, bis hin zu fehlenden Informationen im Vorfeld der Maßnahme und fehlendem Mitspracherecht.

Die, die ihre okkupierten Bereiche jahrelang gepflegt haben, wollen natürlich keinen Rückbau. „Wir wollen keinen Weg“, machte die Mehrheit deutlich. Da wäre dann nämlich auch die Idylle, die durch die angefangene Maßnahme jetzt schon empfindlich gestört wurde, weg. Rechtfertigt die Maßnahme diesen enormen Aufwand? Könnte die Fläche nicht als Naturschutzstreifen ausgewiesen werden? Pflegemaßnahmen könnten auch von oben durchgeführt werden, ist man überzeugt.

„Es geht nicht um Kahlschlag“, machte Andreas Dittmann wiederholt deutlich, „es wird hier auch kein Kampfplatz entstehen.“ Es geht darum, wie man mit den Flächen umgehen soll. Auch wolle sich die Stadt nicht mehr Pflegeflächen als nötig auf den Hals holen. Ein vernünftiger Pachtvertrag wäre eine Alternative. Dann hätten auch die Bürger etwas in der Hand für später. „Eine Vermessung wäre Unfug“, widerlegte er auch dieses Gerücht.

Mit einem Pachtvertrag würde man den Anrainern nun entgegen kommen wollen. Darin müssten sich die Bürger dann zur Baumpflege verpflichten, die Stadt davon entbinden, und er würde eine Haftungsfreistellung der Stadt beinhalten, wenn es zu Schäden kommt. Es würde also das unwegbare Gelände mit verpachtet, soweit wie von der anderen Seite der Bauhof ran kommt. Das geht aber nur, wenn alle mitziehen, machte Andreas Dittmann ganz klar deutlich.

Auf den Denkmalschutzaspekt kam Dittmann erst im Verlauf der Begehung zu sprechen. Er teilte mit, dass man hier bis Ende nächster Woche eine Antwort erwarte von der Unteren Denkmalschutzbehörde, wieweit der denkmalpflegerische Bereich geht. Den Ansprüchen aus der Denkmalpflege müsse dann natürlich Rechnung getragen werden, so Dittmann. Da würde es den Leuten dann nicht erspart bleiben, dass Einbauten, wie zum Beispiel Treppen, zurück zubauen sind. Da würde dann mit jedem Einzelnen gesprochen. Beim Denkmalschutz gehe es aber nicht um Baumpflege.

Die ganze Angelegenheit aus dem Blickwinkel des Denkmalschutzes zu betrachten, sollte nicht ganz untergehen, machte Helmut Seidler noch einmal deutlich. Der Ortsbürgermeister ist da weiter mit Dr. Holger Brülls vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt in Kontakt und hat auch Heike Tänzer von selbiger Institution eingeladen, sich die Geschichte vor Ort anzuschauen.

Zu dem Angebot mit dem Pachtvertrag gab es zwar mehrheitliches zustimmendes Nicken unter den Bürgern aus der Grünen Straße, aber ob sich am Ende alle darauf einlassen, ist fraglich und wird sich zeigen. Bis zum September tut sich am Lindauer Wall nun erst einmal nichts.