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Natur Anwohner machen Druck

Die Erweiterung des Naturschutzgebietes "Mittelelbe zwischen Mulde und Saale" sorgt für Ärger in den Anrainergemeinden rund um Zerbst.

Von Thomas Kirchner 16.11.2018, 07:00

Zerbst l In einer 30-seitigen Verordnung soll geregelt werden, was in diesen Gebieten erlaubt ist und was nicht. Fasst man die 30 Seiten zusammen, so wird in Zukunft in den Kernzonen jegliches Betreten verboten sein. Das heißt: kein Spaziergang im Wald und an der Elbe, kein Picknick, kein Anlegen mit dem Kanu und kein Angeln.

Ortsbürgermeister, Landwirte, Vereine, Jäger und Grundstücksbesitzer haben sich nun mit einem offenen Brief an Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) gewandt. Insgesamt haben 21 Betroffene das Schreiben unterzeichnet, das auch an Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne) und an den Präsidenten des Landesverwaltungsamtes Thomas Pleye adressiert ist.

Die Bürger werden durch diese Verordnung, die nur über Verbote und Einschränkungen den Schutz realisieren soll, in ihrer bisher gewohnten Bewegungsfreiheit schon ab den Ortsgrenzen eingeschränkt, heißt es in dem Brief.

„Die Verbote beziehen sich nicht nur auf die Kernzonen, auch das ,normale‘ Schutzgebiet wird durch viele Verbote reglementiert. Die Menschen werden aus dem Gebiet förmlich ausgesperrt“, sagt Wolfgang Platte, einer der Unterzeichner des offenen Briefes.

So werden Betretungsverbote ausgesprochen und Hobbys wie die Jagd, das Angeln, das An- und Ablanden von Ruderern und Kanuten, die Nutzung der Wege zum Reiten und Fahren beschränkt beziehungsweise unmöglich gemacht.

Auch die Landwirte sind betroffen. „Die Bewirtschaftung der Landwirtschaftsflächen wird mit der Verordnung stark eingeschränkt“, machen Wolfgang Platte und die Unterzeichner deutlich. Die Restriktionen zu Terminen, Meldungen, der Einholung von Genehmigungen würden einen hohen bürokratischen Aufwand bedeuten, wird in dem Brief moniert.

In dem Schreiben heißt es weiter: „Das Kulturland ,Aue‘ mit seinen Fluren und zig Flurstücken, das bis auf einige Ankäufe durch das Land Sachsen-Anhalt beziehungsweise dem WWF (World Wide Fund for Nature), im Besitz von privaten Eigentümern ist, soll einfach und ohne mit den Eigentümern zu sprechen, in die neu festgelegte Gebietskulisse ,einverleibt‘ werden.“

„Was wir auf das Schärfste bemängeln, ist die bisher nicht praktizierte Einbeziehung aller Beteiligten in die Prozesse zur Umsetzung dieses Großprojektes“, sagt Wolfgang Platte.

Dem widerspricht Christian Tylsch, Leiter des Büros des Ministerpräsidenten in seinem Antwortschreiben.

„Im Zuge der Erarbeitung des Verodnungsentwurfs wurden Informationen zum Stand des Verfahrens, seinem weiteren Ablauf und zu Inhalten auf vier Versammlungen der projektbegleitenden Arbeitsgruppe des Naturschutzgroßprojektes Mittlere Elbe vorgestellt“, schreibt Tylsch. Mitglieder der projektbegleitenden Arbeitsgruppe seien unter anderem die betroffenen Kommunen, der Bauernverband und der Landesanglerverband.

An dieser Aussage hat Wolfgang Platte Zweifel. „Ich habe auf Nachfrage keine Person aus den genannten Gruppen gefunden, die an einer der vier Versammlungen teilgenommen hat“, erklärt Platte. Er habe mit zahlreichen Bürgermeistern und Landwirten telefoniert.

Das öffentliche Beteiligungsverfahren diene der Prüfung eingegangener Hinweise und Stellungnahmen, heißt es in dem Schreiben der Staatskanzlei weiter. „Der Stellungnahme des Fachressorts zufolge, werden die Ergebnisse des öffentlichen Beteiligungsverfahrens auch zu umfangreichen Veränderungen des ausgelegten Verordnungsentwurfes (VOE), gerade in Bezug auf die touristische und Freizeitnutzung führen“, betont der Büroleiter des Ministerpräsidenten in seiner schriftlichen Stellungnahme an die Unterzeichner des offenen Briefes.

„Die Unterzeichner des offenen Briefes fordern nun als Reaktion auf die doch bisher recht magere Antwort aus der Staatskanzlei, ihre fünf formulierten grundsätzlichen Fragen zu beantworten, was bisher nicht geschehen ist, und die Protokolle der genannten vier Beratungen zur Verfügung zu stellen“, reagiert Platte im Namen der Unterzeichner auf das Antwortschreiben. Auch auf die Bereitschaft der Betroffenen, mit den Entscheidungsträgern zu reden, verweist Platte noch einmal ausdrücklich.

„Der Ministerpräsident nimmt die Fragen und Sorgen der Bürger sehr ernst“, sagt Regierungssprecher Matthias Schuppe auf Nachfrage. „Am Ende muss es ein lebbarer Naturschutz sein, der die Menschen mitnimmt“, betont Reiner Haseloff.

Die Einwände und Bedenken der Menschen müssen gehört werden und in die Verordnung einfließen. „Hier sind noch zahlreiche Änderungen nötig“, erklärt der Regierungssprecher.