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Pandemie Ärger über zu wenige Infos

Die Bürger in Anhalt-Bitterfeld und in Zerbst fordern eine offenere Kommunikation des Landkreises bei der Pandemiebekämpfung.

Von Thomas Kirchner 02.02.2021, 00:01

Zerbst l Anhalt-Bitterfeld belegt deutschlandweit Platz fünf (Stand 1. Februar) beim Sieben-Tage-Inzidenzwert. Die Lage im Landkreis ist nach wie vor besorgniserregend. Die Menschen sind besorgt und haben viele Fragen. Wie sich bei zahlreichen Anrufen von Lesern in der Lokalredaktion zeigt, erwarten sie von den politischen Verantwortlichen in der Landkreisverwaltung detaillierte Informationen und Aussagen zur aktuellen Lage. Doch die halten sich eher bedeckt.

„In der Bevölkerung gibt es ein stark zunehmendes Unverständnis über die sparsame Kommunikation des Landkreises“, ärgert sich der Zerbster Pfarrer Albrecht Lindemann. Es erfolge keine Reaktion auf die Verschlechterung der Lage. „Die Interpretation der besorgniserregenden Infektionszahlen bleibt den Bürgern überlassen, die keinerlei detaillierte Information zum Infektionsgeschehen bekommen“, so der Pfarrer. Ein angepasstes Verhalten über die wohl bekannten Hygieneregeln hinaus sei damit unmöglich. Mit immer neuen Eindämmungsverordnungen seitens des Landes oder des Kreises sei es nicht getan.

„Die Menschen nehmen die Einschränkungen in Kauf, oder müssen sie in Kauf nehmen, möchten aber auch so detailliert wie möglich informiert werden – auch in Form von Zahlen aus ihren Städten und Einheitsgemeinden. Wieso passiert das nicht? Andere Städte und Landkreise gehen mit Informationen weitaus offensiver um. Es fehlt nicht zuletzt die Präsenz der politischen Führung des Landkreises, die notwendige Entscheidungen erklären und Verständnis suchen sollte“, sagt Lindemann.

Das unterschreibt auch Almut Wiechmann aus Lindau so. Inhaltlich gibt Pfarrer Albrecht Lindemann auch ihre Meinung wieder. Sie findet sogar noch deutlichere Worte: „Die Bürger sind nicht nur dazu da, regelmäßig an die Wahlurnen zu treten, wir haben auch das Recht, umfassend und detailliert informiert zu werden“, macht sie am Telefon ihrem Ärger Luft. Es sei „verdammt nochmal die Pflicht der gewählten Volksvertreter“, auch des Landrates und seines Stellvertreters, die Menschen über die aktuelle Lage im Landkreis auf dem Laufenden zu halten, gerade in solchen schweren Zeiten wie momentan.

„Zahlreiche Bürger in meinem Bekanntenkreis ärgern sich ebenso wie ich über die mangelnden Informationen. Da muss sich niemand über Menschen wundern, die in andere politische oder gesellschaftliche Nischen flüchten, sei es auch nur aus Protest“, meint Almut Wiechmann.

Die Volksstimme hat sowohl Landrat Uwe Schulze, seinen Stellvertreter Bernhard Bödekker (beide CDU), der auch Leiter des Pandemie-Stabes in Anhalt-Bitterfeld ist, als auch Claudia Ludwig, Leiterin des Gesundheitsamtes, mit den Aussagen von Almut Wiechmann konfrontiert und um eine Stellungnahme gebeten. Der Landrat und sein Stellvertreter haben nicht reagiert.

Claudia Ludwig antwortet immerhin, warum keine detaillierteren Zahlen aus den Städten und Einheitsgemeinden veröffentlicht werden, auf diese Frage gab es aber auch von der Leiterin des Gesundheitsamtes keine Antwort: „Seit Beginn der Pandemie entwickelten sich in allen Landkreisen und kreisfreien Städten die Infektionsraten höchst unterschiedlich. In nahezu jeder Gebietskörperschaft gab es irgendwann hohe und dann wieder weniger hohe Inzidenzzahlen. Das war und ist auch in Anhalt-Bitterfeld so. Leider müssen wir gegenwärtig hohe Infektionsraten feststellen.“

Deshalb müsse auch der Landkreis im Rahmen seiner gesetzlichen Möglichkeiten gegensteuern. „Neben den allgemeinen Bestimmungen von Bund und Land, beispielsweise die Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen, Schließungen von Kitas und Schule oder die Einschränkungen des öffentlichen Lebens, die auch für uns bindend sind, hat der Landkreis durch zusätzliche Maßnahmen auf die gegenwärtige Situation schnell reagiert“, so Ludwig.

So gelte zum Beispiel in Anhalt-Bitterfeld derzeit eine Einschränkung des Bewegungsradius. „Bei der Ermittlung der Kontaktpersonen und damit möglicher Infektionswege sind wir zunehmend auch auf die Unterstützung der hier lebenden Menschen angewiesen, da trotz Personalaufstockung und Hilfe durch die Bundeswehr das gegenwärtig vom Pandemiestab nicht im vollen Umfang bewältigt werden kann. An dieser Stelle daher mein herzlicher Dank für die Unterstützung“, betont Claudia Ludwig.

Das Virus selbst werfe noch viele Fragen auf, die die Wissenschaft nicht vollständig beantworten kann. „Woher auch, so etwas hat es ja bislang noch nicht gegeben. Aber es ist eben da und kennt keine geografischen Grenzen. Ja, die eingeleiteten Maßnahmen und die geltenden Vorschriften sind hart und bereiten der menschlichen Seele großes Unbehagen. Es macht auch uns keinen Spaß, das können Sie mir glauben“, betont sie.

Solange die Menschen nicht in ausreichender Zahl geimpft werden können, seien Einschränkungen auch weiterhin notwendig. Ziel könne es nur sein, die Kontakte der Menschen auf ein Minimum zu reduzieren, denn Kontakte seien die Übertragungswege. „Und, auch wenn es keiner mehr hören kann, appelliere ich daran, die Hygiene- und Abstandsregeln streng einzuhalten. Wir werden einen langen Atem brauchen“, blickt sie in die nahe Zukunft. Eingeleitete Maßnahmen brächten keinen schnellen Erfolg. Das könne man überall in der Welt beobachten. „Das Virus ist hartnäckig, also müssen auch wir hartnäckig bleiben“, macht Ludwig deutlich.

Ein verstärktes Infektionsgeschehen in Anhalt-Bitterfeld sei gegenwärtig in stationären Einrichtungen der Altenpflege zu verzeichnen. Ludwig: „Hier leben viele Menschen auf einem begrenzten Raum. Deshalb konzentrieren wir uns darauf, diesen Personenkreis als erstes zu impfen. Wir würden und könnten das auch schneller tun. Allein der Impfstoff, der gegenwärtig zur Verfügung steht, reicht dafür zurzeit nicht aus.“

Es gebe nach wie vor auch Ansteckungen infolge von privaten Feiern und Kontakten, die über das erlaubte Maß hinausgehen. „Es gibt aber auch Infektionen, bei denen wir trotz intensiver Bemühungen keine erkennbare Ursache feststellen können“, so Ludwig.

Landkreissprecher Udo Pawelczyk hat indes zugesagt, zumindest die Zahl der aktuell Infizierten in den Städten zu kommunizieren.