1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Zerbst
  6. >
  7. Zerbster Opfer von Telefonterror

Polizei Zerbster Opfer von Telefonterror

Viele Menschen in Zerbst kommen nicht zur Ruhe. Alle paar Minuten klingelt das Telefon. Auch nachts. Aber niemand meldet sich.

Von Thomas Kirchner 28.02.2020, 00:01

Zerbst l Es herrscht Aufruhr in der Stadt. Viele Zerbster sind verunsichert, besonders ältere Menschen. Des Nachts klingelt das Telefon – und das ununterbrochen. Wenn man den Hörer abnimmt herrscht Totenstille. Hat man aufgelegt, klingelt es nach spätestens fünf Minuten erneut. In den meisten Fällen ist es dieselbe Nummer und wieder meldet sich am anderen Ende niemand. Telefonterror, nennen das die Zerbster.

Das hat wiederum dazu geführt, dass auch das Redaktionstelefon und Handy kaum noch stumm bleiben. Auch bei Facebook quillt mein Postfach quasi über. Viele Zerbster möchten wissen, wer sie terrorisiert, was da des Nachts vor sich geht.

Übrigens auch ich bin von dem nächtlichen Telefonterror betroffen. Mein Telefon hat mehr als 30 Anrufe gezählt. Betroffen sind nicht nur private Festnetznummern, auch Firmenanschlüsse werden mit Anrufen förmlich bombardiert. Zerbster berichten von mehr als 300 Anrufen in einer Nacht.

Internetrecherchen zu der in der Nacht vom 25. auf den 26. Februar verwendeten Rufnummer führen zur Firma excofirm Europe GmbH. Der Geschäftsführer von excofirm ist kein geringerer als Christoph Julius Caesar. Der gebürtige Zerbster, der 2011 Schlagzeilen als „Deutschlands jüngster Unternehmer“ machte und 2017 nach einer Haftstrafe wegen Betruges aus dem Strafvollzug entlassen wurde, ist momentan von der Staatsanwaltschaft Hannover zur Fahndung ausgeschrieben. Gegen ihn wird erneut wegen Betrugs in mehreren Fällen ermittelt.

Das hatten auch schon Betroffene im Internet herausgefunden. „Meine Mutter war ganz aufgelöst und kam ratlos zu mir und ich konnte die Nummer bei der Telekom blockieren, aber das war erst nach Mitternacht aktiviert“, schreibt Anke Schmidt-Siegismund in ihrer E-Mail. Auch sie sei bei ihrer Internetrecherche auf Caesar gestoßen.

„Seit dem 25. Februar gegen 17.30 Uhr werden unsere Rufnummern mittels Call-ID-Spoofing für Telefonterror missbraucht. Wir bedauern sehr, dass so viele Menschen davon betroffen sind“, schreibt Caesar auf Volksstimme-Nachfrage per E-Mail. Die belästigenden Anrufversuche gingen in keinem Fall vom Unternehmen excofirm aus. „Wir rufen keine fremden Personen an und beenden Anrufe nicht vorzeitig. Betroffene sollten den Rufnummernmissbrauch der Bundesnetzagentur (BNetzA) melden“, so Caesar weiter. In diesem Zusammenhang ermittele bereits das Landeskriminalamt Berlin.

In Internetforen wie beispielsweise bei tellows.de, wo Betroffene ihrem Ärger Luft machen und solche sogenannten Phishing Nummern gemeldet werden können, findet man von excofirm eine Stellungnahme vom 26. Februar 2020 9.44 Uhr mit fast identischem Wortlaut. Hier wird auch darauf verwiesen, dass man die Rufnummer im Nachgang ändern werde.

Allerdings ist die Excofirm-Telefonnummer schon im April 2019 in den Internetforen von zahlreichen Usern und Opfern von Telefonterror gemeldet worden. Geändert hat Caesars Unternehmen seine Rufnummer allerdings bislang nicht.

In einer Nacht wurde neben der Exofirm-Nummer mit anderen Endziffern sogar die Nummer des Zerbster Francisceums benutzt, um die Zerbster mit Telefonanrufen zu terrorisieren. Die Sekretariatsmitarbeiterin hatte  einiges zu tun, um aufgeregte Anrufer zu beruhigen und mitzuteilen, dass das Gymnasium niemanden nachts anruft. Mehr als 30 Nachfragen hätte es nur am Vormittag im Francisceum gegeben, sagt sie.

„Nach jetzigem Kenntnisstand besteht der Verdacht, dass die genutzten Telefonnummern missbräuchlich verwendet wurden und dabei die wahre Identität des noch unbekannten Anrufers verschleiert wurde“, heißt es seitens des zuständigen Polizeireviers Anhalt-Bitterfeld.

Der Berliner Rufnummerinhaber habe bereits bei der örtlich zuständigen Polizei eine Strafanzeige erstattet. „Zum Ermittlungsverfahren der Berliner Polizei können seitens des Polizeireviers Anhalt-Bitterfeld keine Auskünfte erteilt werden“, so der Polizeisprecher. Vom Zerbster Rufnummerinhaber werde eine Strafanzeige bei der örtlich zuständigen Polizei erstattet.

Die Polizei rät bei störenden Anrufen die anrufende Nummer beim Telefonanbieter sperren zu lassen. „Ferner ist es gegebenenfalls technisch möglich, die störende Nummer über die hauseigene Telefonanlage zu sperren“, schreibt der Polizeisprecher.