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Preußen Fast die Quadriga vorm Haus

Nedlitz hat ein Kunstwerk bekommen. In der Lindenallee steht eine Nachbildung der Prinzessinnengruppe von Schadow.

Von Petra Wiese 09.08.2016, 10:00

Nedlitz l Wer die Lindenallee durch Nedlitz fährt, dürfte die weiße Skulptur vor dem Backsteingebäude genau in der Ortsmitte ins Auge fallen. Auf einem kleinen Sockel stehen die beiden Frauen Arm in Arm. Doch weder Museum, noch Kunstgalerie verbergen sich in dem sanierten Objekt dahinter. Die Prinzessinnen- oder auch Schwesterngruppe hat sich Markus Wilhelmy vor‘s Haus gesetzt.

„Ich mag Schadow“, erklärte der 60-Jährige, den es 2012 nach Nedlitz verschlug. Die Prinzessinnengruppe ist eine Skulptur des Bildhauers Johann Gottfried Schadow. Sie zeigt die preußische Kronprinzessin und spätere Königin Luise zusammen mit ihrer jüngeren Schwester Friederike. Schadow stellte zuerst Porträtbüsten der Schwestern her. Zwischen 1795 und 1797 entstand dann die lebensgroße Gruppe, zunächst in einer Fassung aus Gips, danach aus Marmor. Das Original der Marmorgruppe wird in der Eingangsachse der Alten Nationalgalerie gezeigt.

Die Skulptur gilt heute als ein Hauptwerk des Berliner Frühklassizismus, ähnlich wie Schadows Quadriga auf dem Brandenburger Tor von 1793. „Die Quadriga wäre vorm Haus zu groß geworden“, so Wilhelmy. Da ließ er die Schwesterngruppe von zwei Künstlern aus St. Petersburg anfertigen. Alex Agwanjan und Konstantin Garapatch waren im vergangenen Jahr bei Wilhelmy auf dem Hof und haben daran etwa einen Monat gearbeitet. Allerdings hatten sie 2008 schon einen Gipsabdruck gemacht, erklärte Wilhelmy. Davon wurde die Skulptur dann in Acryl gegossen, witterungsbeständig und so ziemlich unkaputtbar.

Jetzt hat sie ihren Platz auf dem Sockel vor dem Nebengelass, dem früheren Stallgebäude des Vierseitenhofes eingenommen. Zu einem spätklassizistischen Haus passt eine frühklassizistische Skulpur, fand Markus Wilhelmy, der seinem Haus ein Gesicht geben wollte. Einige haben inzwischen schon angehalten und gestaunt, Fotos gemacht. Ein Schild zum Werk und zu den Künstlern will der Besitzer noch anbringen.

Die Künstler sind Bekannte, gar Freunde von Wilhelmy. Alex Agwanjan lernte er in Potsdam kennen, als die russische Armee aufgelöst wurde. „In einem Café“, erinnerte er sich. Der studierte Bildhauer und Kopierer war so etwas wie künstlerischer Gestalter bei der Armee und musste die Offiziersheime ausgestalten.

Markus Wilhelmy selbst ist eigentlich Kölner. 1990 kam der Mann, der Bauingenieurwesen, Kunst und Grafikdesign studiert hat, nach Potsdam, um dort in der Stadtentwicklung zu arbeiten. Als ihm die Mietpreise zu hoch wurden, fiel ihm sein Jugendtraum wieder ein, und er fand im Internet den Vierseitenhof in Nedlitz. Bei seinem ersten Besuch vor Ort – es war Winter – war ihm Nedlitz eher tot erschienen. Bei einem zweiten Anlauf im Mai sah alles schon viel netter aus, und er traf auf Menschen im Eckernkamp.

Da fackelte Wilhelmy nicht lange, entschied sich für das Haus mit der Giebellinie, die auf den Sonnenaufgang seines Namenstages ausgerichtet ist und mit der Hausnummer, die seinem Geburtsjahr entspricht in dem Dorf, das der Fürst gemacht hat. „Das ist dir geschickt worden“, sagte sich Wilhelmy, der etwas übrig hat für Stadt- und Residenzgründungen und deren historische Hintergründe. Die Vermessung Potsdams und des Magdeburger Domplatzes beschäftigen ihn beispielsweise. An vier Büchern ist er schon beteiligt.

In der Nedlitzer Idylle kann er seine Erkenntnisse aufarbeiten. Priorität habe aber im Moment die Hofsanierung. Und wer weiß, vielleicht bleibt die Prinzessinnengruppe nicht das einzige Kunstwerk im Dorf. „Ich könnte mir durchaus noch mehr vorstellen“, so Wilhelmy. Der wunderschöne Dorfanger würde sich als Freilichtmuseum durchaus eignen.