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Prozess Mit einer Mülltüte vermummt

Hat ein Zerbster einen betrunkenen Rentner überfallen? Und war der Täter dabei im Rausch? Dem versucht das Gericht auf den Grund zu gehen.

Von Andreas Behling 08.12.2019, 23:01

Dessau/Zerbst l Ladendiebstahl? Ja, irgendwie. Raub niemals! Und eine Person überfallen? – Auf keinen Fall. So könnte man die Reaktionen eines angeklagten 37-jährigen Zerbsters vor dem Landgericht Dessau zusammenfassen.

Vorgeworfen werden ihm räuberischer Diebstahl, Körperverletzung, Diebstahl und Computerbetrug in vier Fällen.

Am Tag vor Heiligabend 2016 und direkt am 24. Dezember soll der Zerbster die Taten begangen haben. Auf den ersten Vorwurf angesprochen, bestritt der Angeklagte erneut, dass er – sein Gesicht zum Schutz vermummend – einen angetrunkenen Spaziergänger im Zerbster Schlossgarten von hinten umklammerte und dem betagten Mann die EC-Karte und etwas Bargeld entwendete.

„Die Geldbörse habe ich gefunden“, blieb er bei seiner Version. Tatsächlich konnte das 71-jährige Opfer den Mann nicht identifizieren. „Ich kenne den Menschen nicht“, sagte der Zeuge, der damals auf dem Weg von einer Gartenkneipe nach Hause war. Dem Rentner zufolge hatte sich der Angreifer langsam auf einem Fahrrad genähert. „Er hatte sich einen Müllsack übern Kopf gezogen, in den zwei Löcher für die Augen geschnitten waren“, berichtete er.

Er sei ganz verdattert gewesen, als der Täter ihn mehrfach um die eigene Achse drehte. „Der hatte wohl bemerkt, dass ich etwas schwankte und wollte mich schwindelig machen.“ Dann sei er abgetastet worden und der Mann habe ihm die Geldbörse aus der rechten Gesäßtasche gezogen.

Einen Tag nach dem Vorfall, an dem der Angeklagte nicht beteiligt gewesen sein will, ging er in die Filiale einer Drogerie-Kette, wo er hochpreisige Waren stehlen wollte, um sie in Drogen umzusetzen.

Konnte er das Geschäft am Ende nur verlassen, weil er die Verkäuferinnen mit einem Messer bedrohte? Das stimme ebenfalls nicht, meinte der 37-Jährige. „Da sprach mich niemand an. Ich bin einfach durch die Mitte durch, aufs Rad gestiegen und weggefahren. Ich schwöre, dass ich kein Messer dabei hatte. So was würde ich nicht übers Herz kriegen.“ Allerdings sahen die Drogerie-Angestellten einen spitzen Gegenstand aus Metall aus seiner Hand ragen.

„Das Messer war nicht sehr groß. Auf jeden Fall kein Dolch“, erinnerte sich eine Zeugin. Sie habe die vielleicht sechs Zentimeter lange Klinge noch im Laden gesehen. Insgesamt habe der Täter, der sich von Anfang an schon irgendwie verdächtig benahm, ungehalten reagiert, als ihn eine Kollegin mit den Worten „Der Beutel bleibt hier!“ stellen wollte. Das sei ein Versuch gewesen, bestätigte diese Verkäuferin. Mancher Dieb gebe dann auf und mache flinke Füße.

Nicht so der Angeklagte. Der habe stur das Geschäft verlassen und sei mit seiner Beute – unter anderem ein Haarentferner und eine Elektrozahnbürste – auf dem Fahrrad getürmt. Die dritte Verkäuferin erzählte, sie habe ein Klicken gehört, bevor sie die Messerspitze wahrnahm. Allerdings sei sie der Meinung, dass die Waffe erst draußen gezogen und in die Richtung der Verfolgerinnen gehalten wurde.

Ein Urteil wurde an diesem Verhandlungstag nicht gefällt. Das wurde auf diese Woche verschoben, da Psychologe Philipp Gutmann sein Gutachten in der Verhandlung nicht darlegen konnte. Dieser informierte sich während des Verfahrens, ob der Angeklagte Auffälligkeiten zeigte, die auf Alkohol- oder Drogenkonsum deuten würden. In dem Gutachten geht es darum, ob in der Strafe eine Therapie in einer Entziehungsanstalt berücksichtigt werden könnte.