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Prozessionsspiel Eine reizvolle Herausforderung

Mit der Neuinszenierung des Zerbster Prozessionsspiels von 1507 steht der Stadt ein außergewöhnliches Ereignis bevor.Die Proben laufen.

Von Daniela Apel 24.02.2017, 00:03

Zerbst l „Das Projekt ist mir ans Herz gewachsen“, verrät Prof. Hans-Rüdiger Schwab lächelnd. Als „komplexe Herausforderung“ bezeichnet er die Neuinszenierung des Zerbster Prozessionsspiels, das zwischen 1507 und 1522 tausende Zuschauer anlockte. Gespannt verfolgten sie, wie die Bürger von Anhalts bedeutendster Stadt kostümiert an ihnen vorbeizogen und die wichtigsten Bibelkapitel in farbenfrohen Bildern lebendig werden ließen. Quer durch alle Zünfte und Innungen, den Rat der Stadt und den Niederadel hinweg agierten die Zerbster damals als Schauspieler.

Erst 2012 wurden die mittelalterlichen Text- und Regiebücher, die lange als verloren galten, vollständig erhalten im Historischen Stadtarchiv von Hannes Lemke ans Tageslicht zurückgeholt. Eine Übertragung des Prozessionsspiels ins Gegenwartsdeutsch folgte. Gleichzeitig stellte sich die Frage, ob eine Wiederaufführung möglich wäre. „Ich wurde gebeten, das zu prüfen“, erzählt Hans-Rüdiger Schwab, wie er durch Pfarrer Albrecht Lindemann in Kontakt zu dieser Frühform des Theaters kam.

Seine frühere Tätigkeit als Dramaturg am Schauspielhaus in Zürich prädestinierten den Professor für Kulturpädagogik, der Germanistik und Katholische Theologie studierte, für diese reizvolle Aufgabe. Dabei war ihm gleich bewusst, dass es nicht gehe, das Prozessionsspiel als „Museumsstück“ wie vor 500 Jahren auf die Bühne zu bringen. Vielmehr müssten die Bilder ins Heute geholt werden, dachte sich Hans-Rüdiger Schwab. Denn interessant sei, welche Assoziationen die ausgewählten Szenen aus der Heiligen Schrift jetzt bei den Menschen auslösen, die längst nicht mehr so religiös sind wie die Menschen des Mittelalters. Gibt es Anknüpfungspunkte über die Jahrhunderte hinweg? „Wir stehen in einer christlichen Tradition“, sagt Hans-Rüdiger Schwab. Dieses Erbe sei etwas, womit es sich zu beschäftigen lohne, findet er und hofft, mit der Neuinszenierung entsprechende Debatten anzustoßen und Fragen aufzuwerfen.

Insgesamt 23 Szenen sind es, die im Spätsommer auf dem Zerbster Markt als multimediales Theaterstück zu erleben sind. Drei Aufführungen wird es vom 8. bis zum 10. September vor der Kulisse der Ruine der Nicolaikirche auf einer neun mal neun Meter großen Open-Air-Bühne geben. Und wie einst sind es Bürger der Stadt und ihres Umlandes, die als Laiendarsteller auftreten – aus Vereinen, Schulen, Kirchgemeinden und Privatpersonen. Zwischen acht und 78 Jahren sind die bislang gut 350 Mitwirkenden alt, wobei alle Berufsgruppen vertreten sind. „Die Motivation und Identifikation mit dem Projekt ist sehr groß“, beschreibt Hans-Rüdiger Schwab die spürbare Leidenschaft, mit der sich die Kinder und Erwachsenen einbringen.

Als künstlerischer Leiter und Regisseur hilft er ihnen bei der Umsetzung ihrer kreativen Ideen. „Bei den allermeisten sind die Szenen schon erfreulich weit gediegen“, gesteht er, viel weiter, als er sich zum aktuellen Zeitpunkt vorgestellt hätte. Beeindruckt berichtet Hans-Rüdiger Schwab auch von der Theatergruppe des Francisceums, deren Mitglieder die Textpassagen vortragen werden.

Vor seinem inneren Auge nimmt die Neuinszenierung des Prozessionsspiels zunehmend Gestalt an, bei der er eben nicht auf die gewohnte Routine zurückgreifen kann. „In dieser Art ist es auch für mich eine Premiere“, gesteht er.