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Prozessionsspiel Eintauchen in „Festspielkirche“

Im Reformationsjahr 2017 plant Zerbst ein ehrgeiziges Projekt: Das spätmittelalterliche Prozessionsspiel wird neu inszeniert.

Von Daniela Apel 07.07.2016, 09:00

Zerbst l Die Anlässe waren verschieden, das Vorhaben jedoch das gleiche: die Besichtigung der 1945 stark zerstörten Nicolaikirche, um deren Erhalt und Sanierung sich seit 1991 ein Förderkreis kümmert. Weil die Stadt Mitglied in diesem Verein werden wollte – was zwischenzeitlich schon per Stadtratsbeschluss und Antragsabgabe geschehen ist – wollten sich die Mitglieder des Sozial-, Schul-, Kultur- und Sportausschusses die Kirche noch einmal ansehen. Das taten sie am Dienstagnachmittag und zwar zusammen mit den Abgeordneten des Bau- und Stadtentwicklungsausschusses, die auf Anregung von Helmut Seidler (FFZ) den Abstecher in die sakrale Ruine unternahmen. Sein Vorschlag resultierte aus einem ambitionierten Vorhaben: der Wiederaufführung des spätmittelalterlichen Zerbster Prozessionsspiel 2017. Kulisse für die Neuinszenierung soll Sankt Nicolai sein.

Entsprechend unterschiedlich fiel die Auswertung des Vor-Ort-Termins in den anschließenden Sitzungen der beiden Gremien aus. Im Kulturausschuss rief Heinz Reifarth (FDP), welcher die Sitzung leitete, zu Anmerkungen auf. Detlef Friedrich (CDU) äußerte seine Gedanken zuerst: „Ich möchte sagen, dass ich es gut finde, dass wir als Stadt dem Verein beigetreten sind. Denn heute haben wir auch gesehen, dass es notwendig ist, denn der Verein allein kann es nicht schaffen.“ Zudem sei er von den Ausführungen von Oberkirchenrat i.R. Dietrich Franke sehr angetan gewesen, er verfüge über ein sehr großes Wissen, lobte er.

Günter Benke (SPD) war kritischer: „Was mich ein bisschen gestört hat, ist, dass die Kirche sich wieder rausgehalten hat.“ Die Kirche positioniere sich nicht dazu. „Sie versucht zwar, so gut wie es geht zu unterstützen, aber von der Sache her hält sich die Kirche bedeckt“, sagte er weiter. Zur Mitgliedschaft habe er sich enthalten, weil er dort eine eigene Meinung vertrete. „Wenn ich die Ruine so angucke und das sieht jeder, der genauer hinsieht, sind lose Steine zu sehen. Das ist nur eine Frage der Zeit, bis bei einer Veranstaltung irgendwelche Steine runterkommen.“ Es sei eine tickende Zeitbombe, schob er hinterher.

Es müsse immer darauf geachtet werden, wo welche Steine lose sind, damit diese beseitigt werden. Das koste viel Geld, so Benke. „Die Kirche ist ein Fass ohne Boden“, bemerkte er.

„Anders herum gibt es keine Alternativen“, gab Uwe Krüger, ebenfalls SPD, zu bedenken. „Wir können die Kirche nicht wie vor 30 Jahren dem Verfall durch die Witterung übergeben“, fand Krüger. „30 Jahre weiter und dann stürzen wirklich die Türme ein“, meinte er. Deshalb müsse man, so gut es geht, den Verein unterstützen. „Auch wenn es nicht finanziell ist, aber es bewirkt bei der Spendensuche etwas, wenn der Verein sagen kann, dass die Stadt hinter dem Projekt steht.“ Vielleicht ließen sich so mehr private Spender finden, „wenn wir so einen Anschub geben können. Was anderes können wir als Stadt ja auch nicht machen“, sagte Krüger.

Es brauche Enthusiasten, schob Heinz Reifarth ein. Er kenne das aus den Projekten in Walternienburg. Beim Schloss sei das genau so, auch dort gebe es Menschen, die sich aufopferungsvoll einbringen. „Darum haben wir gesagt, dass die Stadt sich ruhig zur Nicolaikirche bekennen solle.“

Krüger ergänzte: „Wenn wir die Kirche mit dem Prozessionsspiel noch mit Leben füllen können, ist das ja noch um so wichtiger.“

Bis zur Wiederaufführung der biblischen Szenen im September 2017 bleibt allerdings nicht mehr viel Zeit. Vor dem Hintergrund hatte Helmut Seidler angeregt, die „Festspielkirche“, von der bereits die Rede ist, einmal genauer anzuschauen. Im Blick hatte er zum einen die Umfeldgestaltung, die mit dem Ausbau der Schleibank seinerzeit nicht vollständig realisiert werden konnte. Aufgrund der eingeschränkten finanziellen Mittel und der Nicht-Beteiligung der Kirche sei das Projekt damals nicht fertig gestellt worden, erinnerte Kerstin Gudella bei der Sitzung des Bauausschusses. Im von ihr geleiteten Grünflächenamt hätten sie sich nun Gedanken gemacht, wie das Außengelände im nördlichen und westlichen Bereich der Kirche ebenfalls attraktiv hergerichtet werden könnte und das so kostenneutral wie möglich und in Anlehnung an die bereits erfolgte Gestaltung. „Das ist eine erste Idee“, betonte Gudella bei der Vorstellung der Überlegungen.

Zur Finanzierung der anfallenden Kosten könnte man sich mit Firmen zwecks Sponsoring in Verbindung setzen, die Umsetzung über die B & A erfolgen. Material sei teils vorhanden, führte sie aus.

Angedacht ist unter anderem das Anlegen von fünf Staudenbeeten, um das unkontrollierte Überfahren der Flächen auf der Westseite der Kirche zu unterbinden. Zwei herausnehmbare Poller auf dem Weg Hoheholzmarkt würden die Durchfahrt zudem nur bei Bedarf ermöglichen. Wie die Amtsleiterin darlegte, sollen die im Süden und Osten bereits vorhandenen „Strahlen“ als Fortführung der Pfeiler in der dann aufgelockerten und neu angesäten Rasenfläche durch einzeilige Pflastersteine aufgegriffen werden, was zugleich der sichtbaren Flurstücksabgrenzung zur Wohnbebauung dient.

Ausschussvorsitzender Sebastian Siebert (SPD) ergänzte die Maßnahmenliste noch um die erwogene Öffnung der beiden zugemauerten Portale in der südlichen Außenmauer. Unterdessen sprach sich Helmut Seidler für ein „großzügigeres Aufbrechen von Portalen aus“, um durch das offene Kirchenschiff gehen können und die räumliche Erfahrung zu verstärken. „Ich finde, das ist eine Überlegung wert.“

Siebert schlug schließlich vor, sich auf der nächsten Bauausschusssitzung konkret mit den angedachten Maßnahmen zu beschäftigen. Dann soll auch eine Kostenschätzung vorliegen. Einbezogen werden sollen ebenfalls der Förderkreis St. Nicolai und die Kirchengemeinde.